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DINGOLSHAUSEN
Das älteste Bildchen ist von 1895
Von unserem Redaktionsmitglied Norbert Finster
 |  aktualisiert: 22.09.2012 12:03 Uhr

„Zur frommen Erinnerung an den nun in Gott ruhenden wohledlen Jüngling Kilian Schenk, Sohn des verlebten Musikers Mich. Schenk zu Dingolshausen“ – so beginnt der Text des ältesten Sterbebildchens aus der Sammlung von Clemens Menth. Das Bildchen stammt aus dem Jahr 1895.

Ganz anders liest sich der Text des jüngsten Exemplars vom 24. Juli 2012: „Es ist besser, man gibt seinen Stunden mehr Leben als seinem Leben mehr Stunden.“ Geschrieben hat das ein 29-jähriger Dingolshäuser. Er wusste, dass er nicht mehr lange zu leben hat und gestaltete sein Sterbebild selbst.

Dazwischen liegen weit über 800 der papierenen Zeugnisse mit den Eckdaten von verstorbenen Dingolshäusern. Menth hat damit die Sterbefälle im Ort fast komplett dokumentiert. „Es dürften nur wenige fehlen“, sagt Menth, „denn das Dorf hatte bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs lediglich 550 Einwohner.“

Wie ein kleines Geschichtsbuch

Menths Sammlung liest sich wie ein kleines Geschichtsbuch der Steigerwaldgemeinde. Da sind die beiden Dingolshäuser Nikolaus Heck und Franz Joseph Hofmann, die 20- und 14-jährig bei einem Unfall im Dingolshäuser Steinbruch ums Leben kamen. Und da sind die vielen jungen Männer, die in den beiden Weltkriegen ums Leben kamen. Auf diesen Bildern geht es dann textlich nicht mehr um fromme Erinnerung an Verstorbene. „Den Heldentod fürs Vaterland starb auf dem Felde der Ehre am 28. Februar 1916 Herr Nikolaus Bedenk“, heißt es auf dem ersten Sterbebild aus dem Ersten Weltkrieg. Die Erinnerung an den Soldaten ist auch das erste Exemplar in Clemens Menths Sammlung, das ein Konterfei des Verstorbenen zeigt. Oft sind die Gefallenen in voller Uniform und mit der Waffe in der Hand zu sehen.

Der erste Tote des Zweiten Weltkriegs aus Dingolshausen ist in der Sammlung Georg Freitag, der am 12. September 1939 23-jährig bei Solca Wielka in Polen fiel. Auch im christenfeindlichen Dritten Reich sind die Texte der Sterbebilder immer noch stark religiös ausgerichtet. Aber vom „Heldentod fürs Vaterland“ ist natürlich auch hier fast durchgängig die Rede.

Die letzten Weltkriegstoten vor dem Kriegsende am 8. Mai 1945 sind Michael Karbacher und Friedrich Loos, die Ende April 1945 starben. Danach erscheinen noch einige Männer, die an Verletzungen oder Krankheiten aus dem Krieg starben.

Meistens weniger als 60 Jahre alt

Tendenziell wurden die Menschen an der Wende des 19. zum 20. Jahrhunderts nicht sehr alt, meistens so zwischen 50 und 60 Jahre. Und die meisten sind nicht sehr weit in der Welt herumgekommen. Oft beginnt und endet der Lebenskreis in Dingolshausen oder höchstens einmal einer Nachbargemeinde.

Aus heutiger Sicht seltsam hören sich auch die Berufs- oder Standesbezeichnungen auf manchen Sterbebildern an. Da ist der Ökonom, der Bürger und Privatier. Und die Frauen tragen oft die Berufsbezeichnung ihrer Männer, etwa die „Försterswitwe“ oder die „Schäfersgattin“. Das verliert sich schon bald nach dem Krieg. Bei weiblichen Verstorbenen tritt jetzt der Geburtsname an die Stelle des Berufs des Ehemanns.

Die Sterbebilder der Gegenwart sind immer noch überwiegend christlich geprägt, auch wenn sich das meist auf ein „O Herr, gib ihm/ihr die ewige Ruhe“ beschränkt und der Haupttext oft eine kurze Charakterisierung von Verstorbenen enthält.

Auch Osterbeichtzettel

In mehreren Anhängen hat Clemens Menth Sterbebilder von Priestern oder Ordensschwestern zusammengefasst sowie Osterbeichtzettel aus den Jahren 1940 bis 1961 und Bildchen von Gemeindemissionen der Jahre 1911, 1925, 1936 und 1951. Der Sammler sieht einen tieferen Sinn hinter seiner Arbeit. „In diesem Buch sind die Eckdaten von Menschen über einen Zeitraum von 125 Jahren vereint. Unter diesen Menschen sind viele, die die Grundlagen unseres heutigen Wohlstandes geschaffen haben.“ Sie haben sich deshalb in den Augen von Clemens Menth Achtung, Wertschätzung und Anerkennung verdient – und eine Grundlage, dass man sich an sie erinnert.

Geschichte der Sammlung

Die Geschichte der einzigartigen Sammlung von Sterbebildern begann 2004, als eine Dingolshäuserin Clemens Menth eine kleine Kollektion von etwa 100 Sterbebildern anbot. Er nahm an, ohne sich überlegt zu haben, was er mit den Bildern anfangen sollte. Als örtlicher Beauftragter der Dorferneuerung kam er viel herum in den Dingolshäuser Haushalten und er fing an, überall nach noch vorhandenen Sterbebildern zu fragen. „Fast alle waren bereit, mir ihre Bilder vertrauensvoll zu überlassen“, freut sich der Sammler. Acht Jahre dauerte die Sammlerarbeit. Dann ging der Dingolshäuser zusammen mit seiner Frau Rosi daran, das Material von etwa 2000 Bildern zu sortieren und die Namen der Verstorbenen alphabetisch zu ordnen. Der Nutzer kann dann leicht herausfinden, auf welcher Seite das Bild zu finden ist. Der Lülsfelder Georg Grembler projizierte sie auf Din-A-4 Seiten, der Eichfelder Buchbindermeister Norbert Menninger versah die Seiten mit einem festen Einband. Herausgekommen ist am Ende ein richtiges Buch mit 184 Seiten. Besonders gefreut hat Clemens Menth die positive Reaktion des Gerolzhöfer Kulturmäzens Dr. Ottmar Wolf, der das Projekt mit Mitteln aus seiner Stiftung unterstützte. Bei dem Buch wird es bei einem Exemplar bleiben. Sein Werk will Clemens Menth am 28. September beim Pfarrfamilienabend anlässlich des 700-jährigen Bestehens der katholischen Pfarrei an Pfarrer Günther Höfler übergeben. In der Kirche St. Laurentius soll es dann – gesichert – allgemein einsehbar sein.

 
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