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Darmkrebs wäre meist vermeidbar
SCHWEINFURT Jährlich werden in Deutschland etwa 57 000 Menschen mit der Diagnose Darmkrebs konfrontiert, 28 000 sterben daran. Das müsste nicht sein: Früh genug entdeckt, können neun von zehn Fällen geheilt werden.
Von unserem Mitarbeiter MANFRED HERKER
 |  aktualisiert: 03.12.2006 22:29 Uhr
Das war die überraschende Botschaft des Arzt-Patienten-Seminars "Darmkrebs - Vorsorge und Behandlung" im Leopoldina-Krankenhaus. Prof. Dr. Wilhelm Koch, Chefarzt der Medizinischen Klinik II, hatte mit seinem Leitenden Oberarzt Dr. Karl-Ludwig Dicke das Seminar initiiert und vorbereitet, bei dem fünf Fachärzte des Krankenhauses und Dr. Joachim Müller als niedergelassener Internist nach ihren Kurzreferaten die Fragen der Zuhörer ausführlich beantworteten.

Koch erklärt gleich die Besonderheit dieser "stillen" und deshalb heimtückischen Krebsart, die in der Regel aus Polypen entsteht. Viele dieser zunächst gutartigen Wucherungen entarten im Laufe von sechs bis zehn Jahren zu bösartigen Tumoren. Dieses große Zeitfenster ermöglicht die Prognose des so günstigen Verlaufs - allerdings nur bei genutzter Vorsorge und Früherkennung. Nur ein frühzeitig entdeckter Darmkrebs kann in 90 Prozent der Fälle geheilt werden.

Koch erläutert Entstehung und Ursachen. Bei drei von zehn Betroffenen gibt es eine familiäre Disposition, sie haben die Krankheit "geerbt". Hier gelten generell kürzere und frühere Vorsorge-Intervalle. Auch Umwelt- und Ernährungsfaktoren schaffen ein erhöhtes Risiko, aber auch eine Vorgeschichte mit einer Entzündung der Darmschleimhaut, früher entfernte Darmpolypen, Blut im Stuhl oder einfach das steigende Lebensalter jenseits von 45 Jahren.

Dr. Joachim Müller erklärt das diagnostische Spektrum bei Darmkrebs, dessen effektivste Methode die Darmspiegelung (Koloskopie) ist, die größtmögliche Sicherheit bietet und jetzt von den Krankenkassen für alle ab dem 55. Lebensjahr mit einer Wiederholung nach zehn Jahren bezahlt wird. Anschaulich spricht Müller über die Voraussetzungen (Reinigung) und Durchführung der schonenden Darmspiegelung, vor der wirklich niemand Angst zu haben braucht: Der Eingriff ist durch eine Beruhigungsspritze (auf Wunsch) völlig schmerzfrei. Polypen werden bei der Untersuchung direkt entfernt und können später so nicht zu Darmtumoren entarten.

Sorgfalt wichtiger als Tempo

Oberarzt Dr. Markus Ewald (Medizinische Klinik II) betont noch einmal den graduellen und langsamen Entwicklungsverlauf von normaler Darmschleimhaut über Polypen zu Krebs - eine bei Krebsarten seltene Chance, die zu nützen sei. Er verschweigt auch nicht mögliche, allerdings seltene Komplikationen etwa durch Blutungen nach einer Polypenentfernung. Gerade bei einer Koloskopie komme es auf Ruhe und Sorgfalt an: Schließlich sollen ja alle Polypen gefunden und sicher abgetragen werden. "Nicht der schnellste, sondern der sorgfältigste Arzt macht die beste Koloskopie."

Bei der Entfernung eines Polypen, bei dem die anschließende histologische Untersuchung Krebszellen gezeigt hat, muss vorerst in halbjährlichem Abstand eine Kontroll-Darmspiegelung erfolgen, um erneute Veränderungen schnell zu erkennen und zu behandeln. Nach einer Polypen-Entfernung ohne bösartige Zellen sollte diese Kontrolle nach drei Jahren erfolgen.

Prof. Heiko Denecke, Chefarzt der Chirurgischen Klinik II, erläutert die modernen Operationstechniken und die Tumorstadien bei Dickdarm- oder Enddarmkrebs, bei dem ein chirurgischer Eingriff die größten Heilungschancen bietet. Operationen im untersten Bereich sind besonders schwierig, hier gilt die ganze Erfahrung und Fähigkeit des Operateurs - auch durch moderne Nahttechniken - vornehmlich dem Erhalt des Schließmuskels.

Trotz moderner Techniken gelingt dies jedoch nicht immer. Denecke spricht über die Versorgung eines künstlichen Darmausgangs, über die segensreiche Methode der so genannten Darmspülung. Sie erzieht den Darm zu einer gewissen Pünktlichkeit, was für den Stoma-Patienten viele Stunden "Freiheit" bedeutet. Deneckes Appell: "Der März ist nicht Chirurgie-Monat, sondern Vorsorge-Monat. Vermeiden Sie den Darmkrebs durch Vorsorge und Früherkennung."

Ab dem Stadium II des Enddarmkrebses kommt nach der Operation eine kombinierte Strahlen- und Chemotherapie zum Einsatz. Dr. Klaus Pfändner, Chefarzt der Abteilung Strahlentherapie im Leo, erläutert ausführlich die Wirkungsweise, die hohen Sicherheitsanforderungen, die häufigen Kontrollen des Linearbeschleunigers. Außerdem die notwendigen Vorbereitungen, Planungen, Zielsetzungen, Simulationen und Kontrollen der Bestrahlungs-Serien. Auch nimmt er zu den oft äußerten Fragen nach eventuellen Nebenwirkungen Stellung.

Vom Nutzen der Chemotherapie

Dr. Hans Reinel, Oberarzt der Medizinischen Klinik II, spricht über den Stellenwert der Chemotherapie, die nach der Operation bisher die erfolgreichste Waffe gegen Darmkrebs ist. Sie verkleinert Krebsgeschwülste - wird deshalb im Rahmen klinischer Studien zusammen mit der Strahlentherapie auch manchmal vor der Operation eingesetzt - und tötet die im Körper verbreiteten winzigen Krebszellen, die sonst zu Metastasen heranwachsen können.

"Durch gesunden Lebensstil und aktive Teilnahme an den Vorsorge- und Früherkennungschancen den Darmkrebs verhindern" - dazu animiert auch der Stand der Bayerischen Krebsgesellschaft. Diplom-Sozialpädagogin Gertraud Kreuzer macht hier auf die Sprechzeiten der Psychosozialen Beratungsstelle im Leopoldina-Krankenhaus aufmerksam: Montag, 1030 bis 12 Uhr, Donnerstag 16 bis 1730 Uhr.

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