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HOFHEIM/SCHWEINFURT
Darmkrebs: Das raten die Experten
Der Darm: Er ist bis zu 7,5 Meter lang und besitzt wegen der Darmzotten eine Oberfläche von etwa 32 Quadratmetern.
Foto: Thinkstock | Der Darm: Er ist bis zu 7,5 Meter lang und besitzt wegen der Darmzotten eine Oberfläche von etwa 32 Quadratmetern.
Manfred Herker
 |  aktualisiert: 17.10.2017 10:40 Uhr

Seit 2003 gibt es in Schweinfurt die jährliche Telefonsprechstunde zum Thema Darmkrebs-Früherkennung, Teil einer bundesweiten Aufklärungskampagne im März jeden Jahres. Mit beachtlichem Erfolg: Seit 2002, der Einführung der kostenlosen Vorsorge-Koloskopie (Dickdarmspiegelung) ab 55 Jahre, wurden laut dem Robert-Koch-Institut bundesweit 200 000 Neuerkrankungen und 90 000 Todesfälle verhindert. Trotzdem gibt es jährlich mehr als 63 000 Neuerkrankungen mit 26 000 Todesfällen (2012). Noch immer nutzen zu wenig Menschen die Angebote der Früherkennungs-Untersuchungen.

FRAGE: Ich (57) war vor einem Jahr bei der Darmspiegelung, alles in Ordnung, kein Polyp. Jetzt habe ich erst in neun Jahren wieder Anspruch auf eine erneute Untersuchung. Ist das nicht zu lang, zumal im Alter die Krebshäufigkeit zunehmen soll?

ANTWORT: Dieses 10-Jahre-Intervall wurde durch die Leitlinien der Fachgesellschaft Verdauungserkrankungen festgelegt, ebenfalls das Einstiegsalter von 55 Jahren für die erste kostenlose Früherkennungs-Koloskopie. In diese Leitlinien flossen auch wirtschaftspolitische Überlegungen ein. Aus ärztlicher Erfahrung wäre ein früheres Einstiegsalter (etwa ab 50 Jahren) und ein kürzeres Intervall durchaus sinnvoll.

Im übrigen: Alle Empfehlungen über Untersuchungsabstände (nach Polypen, Krebsoperationen) sind hinfällig, wenn plötzlich neue Beschwerden auftreten. Dann umgehend zum Facharzt.

Mein Vater ist mit 60 Jahren an Darmkrebs gestorben. Ich bin jetzt 45 Jahre alt, ab wann sollte ich zur Früherkennung gehen?

Bei erhöhtem Krebsrisiko durch familiäre Vorbelastung sollten Sie zehn Jahre vor Beginn der Erkrankung des Angehörigen selbst zur Koloskopie gehen. Bei Häufungen von familiären Krebsfällen gelten kürzere Untersuchungs-Abstände. Informieren Sie auch Ihre Kinder über das erhöhte Risiko. Sind drei oder mehr Familienmitglieder an Darmkrebs, Gebärmutter- oder Magenkrebs erkrankt, kann eine besondere erbliche Form von Darmkrebs (HNPCC/Lynchsyndrom, FAP) vorliegen. In diesem Fall sind für die direkten Verwandten bereits Vorsorgemaßnahmen ab einem Alter von 25 Jahren zu empfehlen.

Ich (48) mache seit Jahren den Stuhltest, er war immer ohne Befund. Reicht das nicht?

Der Haemocult-Stuhltest reagiert nur auf verstecktes Blut, aber nicht alle Polypen bluten. Deshalb wird selbst bei großen Polypen (2 cm) nur jeder fünfte festgestellt, also eine Treffsicherheit von lediglich 20 Prozent. Bei einer Darmspiegelung wird jeder Polyp gleich entfernt und damit das Entartungsrisiko beseitigt.

Mein Mann hatte ein bösartiges Lymphom, geht immer zur Nachsorge, seine Laborwerte sind ausgezeichnet. Reicht das nicht als Sicherheit hinsichtlich einer Darmkrebs-Erkrankung?

Nein, auf keinen Fall. Diese erfreulichen Ergebnisse einer wohl überstandenen Krebserkrankung der Lymphknoten lassen keinen Rückschluss auf eine mögliche Darmkrebs-Entstehung zu.

Ich bin an Hämorrhoiden operiert worden und habe jetzt wieder Blutungen. Eine Darmspiegelung wurde noch nie gemacht.

Genau das sollte aber vor jeder Hämorrhoidenoperation geschehen, weil in höheren Darmabschnitten eine zweite (gefährlichere) Quelle für Blutungen sitzen könnte. Also jetzt unbedingt nachholen und dann eventuell eine Hämorrhoiden-Behandlung. Das gleiche gilt auch für behandelte Schleimhautdefekte in der Aftergegend, bei der vorher nur eine Proktoskopie (Spiegelung des Analkanals) gemacht wurde.

Ich habe seit längerer Zeit harten Stuhl, gelegentlich mit Blutungen. Mein Hausarzt meint, das sind Hämorrhoiden, kann ich ganz sicher sein?

Sicherheit bringt Ihnen nur eine Koloskopie, die bei solchen Beschwerden (Blutungen, veränderte Stuhlbeschaffenheit) unabhängig vom Alter bezahlt wird.

Was ist ein Adenom, was ist ein Polyp?

Jede Vorwölbung von der Darmwand ins Innere wird zunächst einmal als Darmpolyp bezeichnet. Adenome sind Darmpolypen, die sich aus der normalen Gewebestruktur der Darmschleimhaut entwickeln. Adenome neigen dazu, sich auf der zellulären Ebene zu verändern, es mischen sich abnorm veränderte Zellen unter das normale Gewebe (Dysplasie).

Ich (56) treibe Sport, meine Laborwerte sind hervorragend, ich habe keinerlei Verdauungs-Beschwerden. Soll ich wirklich zur Früherkennungs-Koloskopie?

Früherkennung heißt ja gerade, einen „stillen“ Krebsbeginn oder eine Vorstufe rechtzeitig aufzuspüren und zu beseitigen. Darmkrebs besteht aus zunächst gutartigen Polypen, von denen 70 Prozent im Laufe von sechs bis zehn Jahren entarten. Solche Polypen werden bei der Darmspiegelung entfernt und feingeweblich untersucht. Durch diese präventive Entfernung kann die Neuerkrankungsrate des Dickdarm-Krebses um bis zu 90 Prozent reduziert werden. Eine solche Chance gibt es bei keiner anderen Krebsart, unverständlich, warum sie nicht mehr Menschen nutzen.

Vor fünf Jahren wurde bei mir ein Darmpolyp entfernt, vor sechs Monaten hatte ich eine schwere Beinvenenthrombose, muss Marcumar zur Blutverdünnung nehmen. Ich sollte jetzt wieder zur Kontroll-Koloskopie kommen. Kann ich dafür unbesorgt den Blutverdünner absetzen?

Sie sollten noch sechs Monate bis ein Jahr mit der Koloskopie warten, weil dann das vorübergehende Absetzen des Marcumars mit einer gleichzeitigen Heparin-Gabe als „Ersatz“ sicherer ist.

Man spricht immer vom „stillen Darmkrebs“. Gibt es wirklich keine Alarmzeichen?

Die gibt es, und sie sind Grund zu einem umgehenden Arztbesuch. Veränderte Stuhlgewohnheiten (Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung), krampfartige Bauchschmerzen, wiederholt einsetzender Stuhldrang ohne Entleerung, Blut im Stuhl, Blässe, Blutarmut durch Sickerblutungen, Gewichtsverlust. Aber: Manche dieser Warnzeichen kommen erst sehr spät. Deshalb vorher handeln und auch ohne Beschwerden ab 55 Jahren die kostenlose Früherkennungs-Darmspiegelung nutzen.

Gibt es eine Darmkrebs-Risikogruppe?

Risikofaktoren können sein: Chronische Entzündungen der Darmschleimhaut (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn), Darmkrebs in der Familie, besonders wenn die Betroffenen bei Krankheitsbeginn jünger als 50 Jahre alt waren. Auftreten anderer Krebsarten wie Brust-, Eierstock- oder Gebärmutterkrebs. Zu fettreiche und faserarme Kost, Übergewicht, Bewegungsmangel – also Faktoren, die den Stuhl (zu) lange im Darm verbleiben lassen.

Bei mir wurden bei einer Koloskopie Darmausstülpungen festgestellt. Manchmal habe ich auch Blut im Stuhl. Was soll ich tun?

Diese Divertikel können zwar nicht entarten, trotzdem empfehle ich eine erneute Koloskopie. Bei ausgeprägten Divertikeln und bei Engstellungen sind die betroffenen Darmabschnitte oft sehr schwierig einzusehen, sodass schon einmal ein Polyp übersehen werden könnte.

Dr. Joachim Müller, Internist und Gastroenterologe vom Ambulanzzentrum Schweinfurt, hatte auch diesmal die Aktion vorbereitet und sechs Kollegen dafür gewonnen. Im Bild von links: Chefarzt Prof. Dr. Stephan Kanzler (Medizinische Klinik II im Leopoldina), Dr. Sabine Leucht (Belegärztin im Krankenhaus Hofheim), Chefarzt Dr. Christoph Schmidt (Chirurgische Abteilung St. Josef), Dr. Joachim Müller, Chirurg Dr. Klaus Kosch (Praxis Klinik Werneck), Internistin Dr. Steffi Appelt (Ambulanzzentrum Schweinfurt) und Chefarzt Dr. Markus Ewald (Innere Abteilung St. Josef).
Foto: Nike Bodenbach | Dr. Joachim Müller, Internist und Gastroenterologe vom Ambulanzzentrum Schweinfurt, hatte auch diesmal die Aktion vorbereitet und sechs Kollegen dafür gewonnen. Im Bild von links: Chefarzt Prof. Dr.
 
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