Arnulf Koch, Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses des Gerolzhöfer Stadtrats, dem auch Christine Dittmeier, Anton Niedermeier, Johannes Roth und Susanne Wilfing angehören, hat eine interessante Frage in den Raum gestellt: Ist es erlaubt, dass Gemeinden mit einem guten Finanzpolster ein günstiges oder gar kostenfreies Darlehen ausreichen an Kommunen, die finanziell gesehen an Schwindsucht leiden?
Die Ausgangslage ist einfach. Es gibt tatsächlich Gemeinden und Zweckverbände, die haben auch in der heutigen Zeit noch Rücklagen. In der aktuellen Niedrigzinsphase besteht jetzt die Gefahr, dass sie für ihr Geld auf der Bank Strafzinsen zahlen müssen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch genug Gemeinden, die nach großen Investitionen Darlehen aufnehmen müssen, um ihren Haushalt decken zu können. "Beide zahlen Zinsen: die, die Geld haben und die, die keins haben", sagt Arnulf Koch.
Win-win-Situation
Wäre es da nicht eine gute Idee, dass sich benachbarte Gemeinden – zum Beispiel innerhalb der Verwaltungsgemeinschaft Gerolzhofen oder innerhalb eines Schulverbands – gegenseitig helfen? "Es geht zwar nicht um die Riesensummen, weil bei den Zinsen derzeit meist eine Null vor dem Komma steht." Trotzdem wäre es eine verlockende Win-win-Situation, wenn die eine Kommune keine Strafzinsen für ihr Guthaben zahlen muss und die andere Gemeinde keine Schuldzinsen für das empfangene Darlehen.
Arnulf Koch legte die Idee jüngst auf den Tisch, als er im Gerolzhöfer Stadtrat den Rechnungsprüfungsbericht für das Jahr 2017 vorstellte. Und einige Tage später, unabhängig davon, brachte auch der Oberschwarzacher Bürgermeister Manfred Schötz die gleiche Anregung in der Haushaltssitzung der Gemeinschaftsversammlung der Verwaltungsgemeinschaft vor.
Auskunft bei der Bafin
Um die Grundsatzfrage zu klären, ob so ein internes Darlehensgeschäft zwischen zwei Gemeinden überhaupt rechtlich zulässig ist, hat sich Arnulf Koch an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (kurz: Bafin) mit Sitz in Frankfurt gewandt. Die Bundesanstalt untersteht der Rechts- und Fachaufsicht des Bundesministeriums der Finanzen. Die Antwort der Finanzexperten der Bafin lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Es kommt auf den konkreten Fall an.
Ausgangspunkt ist das Verbot, das in Artikel 87 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern fixiert ist. Danach darf eine Gemeinde grundsätzlich weder Bankgeschäfte betreiben noch sich an einem Bankunternehmen beteiligen. Daneben wäre nach dem Gesetz über das Kreditwesen (KWG) in aller Regel auch noch eine bankaufsichtliche Genehmigung der Finanzgeschäfte einer Gemeinde nötig, wenn die Bankgeschäfte als eine kaufmännische Tätigkeit anzusehen wären.
Nur für ein gemeinsames Projekt
Die Bafin stellt nun fest: Darlehen zwischen zwei Gemeinden beziehungsweise zwischen Gemeinden und einem Gemeindeverband stellen dann kein erlaubnispflichtiges Bank- oder Kreditgeschäft dar, wenn die Gemeinde, die als der Darlehensgeber auftritt, in Erfüllung öffentlicher Aufgaben handelt. Soll heißen: Ein Darlehen von Gemeinde zu Gemeinde ist dann – aber auch nur dann – möglich, wenn das Geld unmittelbar der Finanzierung einer gemeinsamen (!) öffentlichen Aufgabe dient. Beispiel: Gemeinde A und Gemeinde B finanzieren zusammen ein gemeinsames Bauprojekt, das öffentlichen Aufgaben dienen wird. Dann kann Gemeinde A bei Bedarf den Beitrag der Gemeinde B durch ein Darlehen finanzieren.
Möglich sind auch Darlehen von Gemeinden an einen Gemeindeverband (zum Beispiel einen Schulverband), meint die Bafin. Gemeint sind damit Überweisungen, die über die normalen Umlagezahlungen hinausgehen. Denn es sei davon auszugehen, dass das Darlehen unmittelbar zur Finanzierung der Aufgaben des Schulverbands herangezogen wird und die Finanzierung des Schulverbands ja sowieso Aufgabe der Gemeinden ist.
Verbot der Gemeindeordnung
Aber: Für den Fall, dass eine Nachbargemeinde hohe Rücklagen hat, für die sie Negativzinsen zahlen muss, und eine andere Kommune aber gleichzeitig Geld benötigt, sieht die Bafin keinen Fall der gemeinsamen Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Denn es fehlt am gemeinsamen Projekt. "Die allgemeine Finanzierung einer Nachbargemeinde ist keine öffentliche Aufgabe." Sondern ein Bankgeschäft. Und somit greift das Verbot aus Artikel 87 der Bayerischen Gemeindeordnung.
Prüfungsverband lehnt ab
René Borchardt, Kämmerer der Verwaltungsgemeinschaft Gerolzhofen, hat die Grundsatzfrage, ob Gemeinden sich untereinander Geld leihen dürfen, zur Prüfung an den Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband weitergeleitet, der regelmäßig die Haushalte der Stadt Gerolzhofen und der Gemeinden unter die Lupe nimmt. "Von dort habe ich auch die Auskunft bekommen, dass es ausnahmslos nicht geht", sagt Borchardt. Die von der Bafin definierten seltenen Ausnahmen gelten laut Prüfungsverband auch nicht. "Und daran halte ich mich."
An diesem Donnerstagabend tagen die Schulverbände der Grundschule und der Mittelschule Gerolzhofen, um über die Details zur Sanierung oder zum Neubau der beiden Schulgebäude am Lülsfelder Weg zu beschließen. Die Grundsatzfrage mit dem Geldverleihen hätte möglicherweise eine Rolle spielen können, wenn die verschuldete Stadt als Bauherr des Projekts aufgetreten wäre, alles hätte vorfinanzieren müssen und das Geld später nur über die Mietzahlungen wiederbekommen hätte.
Vermutlich wird die Stadt Gerolzhofen nun aber zwar als Bauherr des Bauprojekts auftreten (so will es zumindest der Stadtrat), die beiden Schulverbände finanzieren das Ganze aber laufend über ein Umlage-Modell. Die verschuldete Stadt müsste also nichts vorfinanzieren und braucht folglich für das Projekt kein Darlehen. Auch der Schulverband benötigt für das Bauprojekt wohl kein Darlehen einer seiner reichen Mitgliedsgemeinden, weil er sich im Innenverhältnis ständig über die außerordentlichen Bau-Umlagen seiner Mitgliedsgemeinden finanzieren wird.