Einen "Guten Rutsch" möchte man hier lieber nicht wünschen. Mutter Anja Schemmel mag gar nicht so genau hinschauen, beim symbolischen Sprung für das Foto. Die Steinstufen sind schmal, im Garten. Bastian, 16 Jahre jung, hat auch in diesem Fall den Lenker fest im Griff. Das meisterliche Mountainbiken sei eine positive Corona-Nebenwirkung, berichtet Vater Bernd Schemmel stolz.
In der Lockdownzeit hat sich der Teenager eine Freizeitbeschäftigung an der frischen Luft gesucht, zusammen mit Kumpels, bei ausreichend Abstand richtig durchgestartet. Es wurde trainiert, mit dem geländegängigen Fahrrad, im Wald wie an der Treppe. Am Ende sprang dabei ein internationaler Meistertitel mit dem Enduro-Mountainbike heraus. An diesem Nachmittag ist André Schäfer mit von der Partie, als bewährter Trainingspartner und Spross der Schweinfurter Musikschule Schäfer.
Für Bastian lief es rund, auf dem Rad, am 16. Oktober letzten Jahres, beim Saisonfinale der "Enduro One Meisterschaften" in Eifa, einem Stadtteil des nordhessischen Hatzfeld. Er landete auf dem Zweiten Platz, den er sich mit einem Mitfahrer teilte. Aufgrund der besseren Einzelergebnisse in der Saison bedeutete das den Meisterschaftstitel.
Die "Trails" sind kräfte- und auch nervenzehrend.
"Kaputt, aber happy", hat sich der Querfeldeinsteiger am Ende gefühlt. Die "Trails" sind kräfte- und wohl auch nervenzehrend. Mal ging es bergab, mal bergauf, über Stock, Stein und Wurzeln. Das Finale des "harten Rennwochenendes" war dramatisch, mit einer Sekunde Vorsprung. Auch wenn die Coronazeit das Feld etwas ausgedünnt hat, waren Teilnehmer aus vier Nationen dabei: Deutschland, Österreich, die Niederlande, Belgien.
"Angst darfst du nicht haben", sagt Bastian Schemel, der vor jedem Start ein Ritual hat: Augen zu, dann zwei, drei Mal tief durchatmen. Was Bastian am Endurofahren reizt, ist, dass es bei den sonntäglichen Wettbewerben um (vorher unbekannte) Teilstrecken geht, über insgesamt 18 bis 25 Kilometer hinweg. Bewältigt werden Höhenunterschiede von bis zu 1000 Metern. Dazu gesellt sich ein Prolog am Samstag.
Im Hauptrennen darf durch das Begleitteam nicht mehr geholfen werden, sagt Bernd Schemmel. Gibt es Pannen, wie zum Beispiel Plattfüße, dann muss sich der Biker selbst helfen. Auf der Piste gehe es allerdings kollegial zu, weiß Bastian: "Wir helfen uns gegenseitig, auch die Konkurrenten." Ihm gefällt diese Art des Fahrens besser als das bekanntere "Downhill", bei der eine einzige waghalsige Fahrt entscheidet, mit entsprechend höherem Sturzrisiko.
Auch Bastian hat es schon gelegt, es blieb allerdings beim Fingerbruch und einer Prellung. Das erste Rennen in Steinach hat er 2021 noch durch einen Trainingssturz verpasst. Los ging die Leidenschaft fürs bergtaugliche Mountainbike übrigens vor einigen Jahren an der Wilhelm-Sattler-Realschule, die "MTB" als Wahlfach anbietet. Trainiert wird im Stadtwald, in Zusammenarbeit mit dem RV 1889, als Stützpunktschule.
Mit der Helmkamera werden die wilden Ritte youtube-tauglich dokumentiert. Einige tausend Euro oder mehr muss ein Fahrer hinblättern, für ein Carbonrad mit passendem Gewicht. Nachdem Bastian sein erstes "Rookies Cup"-Rennen in Oberhof auf einem respektablen Platz 30 beendet hat, hat er seinen Sponsor gefunden.
"Rennstall" ist das RLL Racing Bike Team aus Eltmann, mit elf "voll motivierten Jungs", rund um Chef Ralf Münch, dem Inhaber eines Radgeschäfts. Als "Rennsemmel für den Rennschemmel" wurde ein nobles Enduro Pivot Firebird Bike angeschafft. Hier trat auch Oma Gerdi, als größter Fan und Sponsor ihres Enkels, auf den Plan.
Winterberg Platz 3, Ochsenkopf Platz 1 und die Meisterschaft zählen zur Bilanz eines "Super-Rennjahrs". Irgendwie hat die Pandemie die Erfolgsserie möglich gemacht, ist Bernd Schemmel überzeugt.