Grafenrheinfeld hat ihn, Euerbach hat ihn, Wasserlosen hat ihn. 16 von 21 Gemeinden im Schweinfurter Speckgürtel haben ihn, den hauptamtlichen Bürgermeister. Und ab der nächsten Wahlperiode wird ihn auch das kleine Schwanfeld haben, die Satzung wurde vor kurzem entsprechend geändert. Nur Geldersheim, Wipfeld und Waigolshausen werden dann noch ehrenamtlich geführt. In Geldersheim wollte man das ändern. Doch der Vorstoß der Verwaltung ist gescheitert.
Der Gemeinderat lehnte in seiner Sitzung am Donnerstagabend mit 7:8 Stimmen eine entsprechende Satzungsänderung ab. CSU/Feie Bürgerliste und Junge Liste waren dagegen, SPD und Freie Wähler dafür. Zuvor gab es eine zum Teil emotionale Diskussion.
Normalerweise kommen nicht sehr viele Besucher in die Sitzungen des Gemeinderats. Doch am Donnerstagabend sind alle Zuhörerplätze im Rathaussaal besetzt. Es steht die Entscheidung über die Hauptamtlichkeit des zukünftigen ersten Bürgermeisters in Geldersheim an. Schon seit einigen Jahren ist das immer wieder mal Thema. Weil die Aufgaben des Bürgermeisters immer mehr, immer komplexer und immer arbeitsaufwändiger werden.
889 von 2027 Bürgermeistern in Bayern arbeiten ehrenamtlich
Den Status des Bürgermeisters regelt die Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern: In Kommunen über 10 000 Einwohnern sind Bürgermeister immer "Beamter oder Beamtin auf Zeit". In Gemeinden mit einer Größe zwischen 5000 und 10 000 Einwohnern sind Bürgermeister in der Regel hauptamtlich und in Gemeinden unter 5000 Einwohnern ehrenamtlich beschäftigt, wenn der Gemeinderat nichts anderes festlegt. In Bayern sind 889 der 2027 Bürgermeister, also knapp 44 Prozent, keine Berufspolitiker, sondern arbeiten ehrenamtlich.
Die Mehrheitsfraktion von CSU/Freie Bürgerliste soll bei einer früheren Bürgerversammlung selbst einmal den Vorschlag gemacht haben, dass man angesichts des Arbeitspensums über die Hauptamtlichkeit des Bürgermeisters in Geldersheim nachdenken müsse. Jetzt, wo das Thema auf der Tagesordnung steht, sieht man dafür aber keine Notwendigkeit. "Die Aufgaben waren in der Vergangenheit auch da und sind im Ehrenamt genauso erfolgreich erledigt worden", begründet Annemarie Schuler das Nein von CSU/Freie Bürgerliste. Auch, weil der Gemeinde sonst 180 000 Euro Mehrkosten in den nächsten sechs Jahren entstünden.
Die Bezahlung des Bürgermeisters ist immer Thema, wenn über Ehren- oder Hauptamtlichkeit diskutiert wird. Und fälschlicherweise wird oft geglaubt, dass "ehrenamtlich" gleichsam "unentgeltlich" bedeutet. Doch auch ehrenamtliche Gemeindechefs erhalten eine Entschädigung, sie richtet sich nach der Einwohnerzahl sowie dem Inhalt und Umfang des Amtes. Das Gesetz über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen (KWBG) gibt dabei die Maßstäbe vor.
Beispiel Geldersheim: Mit knapp 3000 Einwohnern liegt der Rahmensatz für die Entschädigung des ehrenamtlichen Bürgermeisters zwischen 3017 und 4526 Euro monatlich (gültig seit 1. Januar 2019). Beim berufsmäßigen Bürgermeister wäre als Besoldungsgruppe A 14 festgelegt, das wären je nach Eingruppierung zwischen 4516 und 5811 Euro, zuzüglich einer monatlichen Dienstaufwandsentschädigung von 235 bis 773 Euro, eventuellen Zuschlägen und Beihilfen.
CSU/Freie Bürgerliste errechnen 180 000 Euro Mehrkosten
Wie kommt die CSU/Freie Bürgerliste nun auf Mehrkosten von 180 000 Euro für eine Wahlperiode? Im Gespräch mit dieser Redaktion verweist Annemarie Schuler auf eine von Bürgermeister Oliver Brust selbst erstellte Berechnungsvorlage, die den Fraktionen vor der Sitzung zur Verfügung gestellt worden sei. Demnach würde die Entlohnung des Bürgermeisters von aktuell 5000 Euro auf 7800 Euro bei Hauptamtlichkeit steigen, das sind 2800 Euro mehr im Monat. Hochgerechnet auf sechs Jahre ergäben das über 200 000 Euro Mehrkosten, so Schuler. Man habe nach unten gerechnet, weil im jetzigen Gehalt des Bürgermeisters der Ehrensold noch nicht berücksichtigt ist, den ein Ehrenamtlicher ab dem 60. Lebensjahr erhält. Beim Hauptamtlichen kämen die Pensionskosten dazu, auf die er nach zehn Jahren im Amt Anspruch hat.
Über die Kosten wird in der Sitzung aber gar nicht groß diskutiert. Die Gemüter erhitzen sich eher an der Frage, sind in Geldersheim die Aufgaben des Bürgermeisters noch ehrenamtlich zu bewältigen? Der amtierende Gemeindechef, der drei Tage in der Woche im Rathaus arbeitet und an zwei Tagen seinem Hauptberuf nachgeht, sagt nein und listet sein umfangreiches Aufgabengebiet auf: Verwaltungsaufgaben, Sitzungsvorbereitung, Besprechungen, Geburtstagsgratulationen, Vereinsbesuche und, und, und. "Die drei Tage im Rathaus reichen nicht aus." Es fehle an Zeit für viele Termine, an Zeit für Besprechungen mit dem Personal und an "Kreativzeit". Sein Credo: "Geldersheim braucht einen Vollzeit-Bürgermeister."
Unterstützt wird dieser Vorschlag von SPD und Freie Wähler. Irmgard Pawlak verweist auf die vielen Aufgaben, die in Zukunft noch auf die Gemeinde zukommen werden. Zum Beispiel die Konversion. Oder die vielen Bauprojekte. Und die Digitalisierung. "Da wird so viel verlangt werden, neben dem Beruf ist das nicht mehr zu schaffen." Dem stimmt Monika Rödemer zu (Freie Wähler): "Die Zeiten haben sich geändert, das kann man nicht einfach mal so nebenbei machen." Und Markus Vogel (Freie Wähler) weiß von "vielen Bürgern, die einen Bürgermeister haben wollen, der immer für uns da ist". Er appelliert ans Gremium, an die Zukunft von Geldersheim zu denken und stellt die Frage: "Wollen wir einen 60- oder 100-Prozent-Bürgermeister."
Das empört Thomas Hemmerich (Junge Liste), den Bürgermeisterkandidaten von CSU/Freie Bürgerliste, der als Unternehmer in seinem Wahlkampf bewusst auf Ehrenamtlichkeit setzt. Er fühlt sich persönlich angegriffen, bezeichnet es als "Frechheit", von einem "60-Prozent-Bürgermeister" zu sprechen. Er könne den Geldersheimern versichern, "dass ich das ehrenamtlich leisten kann". Unterstützung bekommt er von Fraktionskollegen Martin Schlör, der meint: "Die Qualität des Handelns an der Verwaltungsspitze liegt nicht an der Rechtsstellung des Bürgermeisters."
Bürgermeister Oliver Brust hält sich aus den Diskussionen heraus, verweist aber immer wieder auf das hohe Arbeitspensum, das neben einer beruflichen Tätigkeit kaum zu schaffen sei. "In der Praxis ist das Harakiri", schildert Brust im Gespräch mit dieser Redaktion die Terminhetze zwischen Rathaus und Arbeitsstelle. Trotz der negativen Entscheidung des Gemeinderats will Brust aber weitermachen und sich wieder zur Wahl stellen. "Weil ich mein Dorf liebe. Das ist meine Heimat, und die möchte ich mitgestalten."
Da auch der Verdienst und dessen Höhe angesprochen wird: Geld ist als Motivation nicht alles. Ich werde immer wieder im Ort gefragt, warum ich nicht meinem Vater folge und als BGM kandidiere. Meine Antwort: es kostet Dich zu viel. Das "Schmerzensgeld" wiegt das nicht auf. Ich weiss, was es heisst BGM zu sein. Ich weiss, was ich kann und will. Ich bin gerne Gemeinderat und Behindertenbeautragter. Ich habe Respekt vor jedem, der sich der Aufgabe stellt. Aber ich habe den gesellschaftlichen Wandel seit 1996 hautnah miterlebt. Daher: bitte mehr Respekt vor dem Amt.
so viel ist also der Bürgermeister einer Gemeinde wert!
Das Gehalt hat auch etwas mit Wertschätzung zu tun.
Am 15.03.2020 sind Kommunalwahlen in Bayern.
Jetzt kann sich jeder der obigen Kommentatoren noch für dieses ehrenamtliche Bürgermeisteramt bewerben und aufstellen lassen.
Hat Bürgermeister Brust nicht aufgezeigt was für ein Arbeitspensum er als Bürgermeister erbringt und wer glaubt, dass an den Tagen an denen er seiner Tätigkeit als Bankangestellter nachgeht nichts für die Gemeinde tut, der muss schon ziemlich naiv sein!
Gruß
Wenn ich etwas EHRENAMTLICH nenne, dann soll es auch EHRENAMTLICH sein - und nicht eine Aufwandsentschädigung beinhalten, die dem Durchschnittseinkommen eines normalen Bayern entspricht. Das lag (Zahlen des statistischen Landesamtes von 2017 - dürften sich nicht sonderlich verändert haben - https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Durchschnittsverdienst-in-Bayern-steigt-auf-3878-Euro-id41781121.html) bei 3878,--€!
Und - a propos Wertschätzung - welche Wertschätzung erfährt dann jemand, der als Schriftführer und/oder Kassier einen mehrspartigen Sportverein managt, der mehrere hunderttausend Euro Jahresumsatz hat? Der kriegt MAXIMAL die Ehrenamtspauschale von 720,--€/Jahr! Welche Wertschätzung erfährt jemand, der EHRENAMTLICH einen Kindergartenverein leitet? Auch maximal die Ehrenamspauschale.
DAS IST EHRENAMTLICH!
ich muss ja nicht alles mit Ihnen teilen.
Ich finde jedenfalls, dass ein Bürgermeister einer Gemeinde nicht mit den von Ihnen aufgeführten Ehrenämter zu vergleichen ist und unter Umständen ist vielleicht dieser Bürgermeister sogar selbst noch in einem Verein ehrenamtlich tätig.
Wie Sie sicherlich wissen, ist die Unterscheidung Bürgermeister auf Zeit und ehrenamtlicher Bürgermeister gesetzlich definiert und deshalb finde ich es nicht in Ordnung den Unterschied auf den Rücken eines ehrenamtlichen Bürgermeisters auszutragen.
Apropos Durchschnittsgehalt sind Sie ernsthaft der Meinung, dass die Aufgabe „Bürgermeister“ eine durchschnittliche Aufgabe ist?
Gruß
Das IST und BLEIBT kein Ehrenamt - bei dem Geld!
Als „normalo“ kann man nur noch den Kopf schuetteln
Möglicherweise sollte der amtierende Bürgermeister und seine Partei sich Gedanken machen warum die Mehrheit der Gemeinde keinen hauptberuflich amtierenden Bürgermeister möchte!
Ich weise hier nur auf das explosive Thema Kindergartenneubau hin. Hier sind ja wohl klar Versäumnisse vorhanden. Nach aktuellen Schätzungen und internen Aussagen aus der Gemeinde selbst wird dieser Neubau den Bedarf gerade so decken. Nach einer endlosen Planungsphase stellt man so etwas fest und baut trotzdem statt hier für die Zukunft zu planen und zu reagieren? Dies ist nur ein Beispiel das genannt werden kann.
Als kleiner Gedankenanstoss zum Vergleich: die durchschnittliche deutsche Krankenschwester wird mit einem Bruttogehalt von 2400 Euro im Monat nach Hause geschickt und das auch nur weil die Dame Schicht sowie Feiertagszulagen bekommt.
Hier geht es letztendlich um Menschenleben.
Daher finde ich die Diskussion über dieses Gehalt eine Unverschämtheit dem Rest der Bevölkerung ggü.
Das Gehalt ist fix, da gibt es für alle Bürgermeister in Bayern einen festen Rahmen!
Aber mich stört einfach der Begriff "EHRENAMTLICHER" Bürgermeister!
Das ist bei ca. 3000,--€ "Aufwandsentschädigung" kein Ehrenamt mehr - und wenn ich den Artikel richtig gelesen habe, wird es ja auch nicht so gehandhabt, wenn der Bürgermeister drei Tage die Woche im Rathaus ist - und zwei Tage die Woche seiner bezahlten Arbeit nachgeht. Dann ist das bestenfalls noch NEBENamtlich, aber sicher nicht mehr EHRENamtlich!
Soll die Gemeinde doch beim Gehalt den ihrer Größe entsprechenden maximal möglichen Rahmen von 4526 Euro ausschöpfen. Dann hat Geldersheim immer noch keinen HAUPTAMTLICHEN Bürgermeister, aber einen, der von der Aufwandsentschädigung für sein "Ehrenamt" sehr gut leben kann, besser als ein großer Teil der Gesellschaft!
Er würde sich dann - mit ca. 4.500€/Monat zwar nicht hauptamtlicher Bürgermeister nennen, aber es wäre es dann de facto - weil er bei dem Salär problemlos in der Lage wäre, seinen Job an den Nagel zu hängen (und müsste sich nicht mehr beklagen, dass er das, was zu tun ist, nicht in drei Tagen die Woche schafft)!
Wo ist das noch Ehrenamt? Es gibt bei uns SEHR VIELE Menschen, die einen Vollzeit-Job haben - und DEUTLICH WENIGER dafür bekommen!
Das ist Augenwischerei
Da kommen ja noch Vergütungen wie zum Beispiel Fahrkosten usw. dazu.
Und das ist auch nicht gerade wenig.