Es war ein Marathon, und das bezieht sich nicht nur auf den fast ein Jahr währenden Wahlkampf. Als am Sonntagabend um 18 Uhr die Wahllokale schlossen, hätte niemand gedacht, dass das vorläufige Ergebnis der Stadtratswahlen erst am Montag am frühen Nachmittag gegen 14 Uhr feststehen würde.
Der Grund waren massive technische Probleme für die Stadt in der Zusammenarbeit mit dem Dienstleister AKDB, teils stundenlang funktionierten in der Nacht die Server nicht. Um 3 Uhr in der Nacht auf Montag hatte Wahlleiter Jan von Lackum die Zählung erstmal abgebrochen, ab 8 Uhr morgens wurde sie wieder aufgenommen. Auch da war noch einmal ein vollständiger Computerneustart nötig, erst dann konnten die noch fehlenden Briefwahlbezirke mehr oder weniger reibungslos gezählt werden.
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Was genau die Probleme auslöste, wird im Moment untersucht. Unter anderem gab es Probleme mit den Scanstiften, mit denen der Barcode vor einem Kandidatennamen eingelesen wurde. Normalerweise sorgt das dafür, dass die Zählung viel schneller ist, denn die Stimmenzahl wird gleich elektronisch erfasst. In dieser Kommunalwahlnacht, in der ohnehin aufgrund der sich zuspitzenden Coronavirus-Krise alles anders war und die öffentliche Ergebnisverkündung in der Rathausdiele kurzfristig abgesagt worden war, aber funktionierten die Stifte teilweise gar nicht.
Bis zu 20 Minuten dauerte das Einlesen eines einzelnen Wahlzettels, kein Wunder, dass die Wahlhelfer, ohnehin gestresst, "am Rande des Nervenzusammenbruchs" standen, wie Jan von Lackum berichtet. Der Ordnungsreferent findet ganz klare Worte für die technischen Probleme: "Für die ehrenamtlichen Wahlhelfer war das eine Zumutung. So etwas gefährdet dauerhaft das Engagement der Ehrenamtlichen. Diese Vorkommnisse sind für einen Wahlleiter inakzeptabel."
Von Lackum kündigt an, intensiv mit der AKDB zu besprechen, wo die Ursache der Probleme lag und wie man das in Zukunft verhindern kann. Ausdrücklich nicht ausschließen wollte er, dass die Stadt und der Anbieter getrennte Wege gehen könnten. "Dieses Wahlprogramm hat seine Daseinsberechtigung in Frage gestellt", so von Lackum, der über das Ergebnis der Gespräche in einer der nächsten Stadtratssitzungen berichten wird.
Die CSU muss sich neue Mehrheiten im Stadtrat suchen
Für die Christsozialen gab es am Montagmorgen auch ein bitteres Erwachen, die Erleichterung über den deutlichen Sieg von Amtsinhaber Sebastian Remelé mit 58 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang als Oberbürgermeister währte nicht lange.
Im neuen Stadtrat, der Anfang Mai vereidigt wird, kommt die CSU auf 17 Sitze (minus vier), die SPD als zweitstärkste Kraft auf acht (minus zwei). Bündnis 90/Die Grünen zieht mit sechs Stadträten ein (plus drei), die AfD verbessert sich um drei Mandate auf vier Sitze. Die Linken bleiben ebenso wie die Freien Wähler bei drei Sitzen, je ein Mandat bekamen die Liste "Zukunft./ödp", proschweinfurt und die FDP.
CSU-Fraktionsvorsitzender Stefan Funk machte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung: "Das ist nicht erfreulich und schmerzt." Vom historischen Höchststand mit 21 Mandaten 2014 fiel man noch unter das Ergebnis von 2008, als man 18 Sitze hatte. Funk will bald Gespräche führen, um eine "Koalition der bürgerlichen Mitte" zu ermöglichen. Gerade angesichts der Coronavirus-Krise müsse man die Kräfte im Stadtrat bündeln, "das wird uns wirtschaftlich stark beeinflussen. Wir dürfen uns aber auch keinen Stillstand leisten".
In Sachen Bürgermeister-Amt kann sich Funk gut vorstellen, wieder Sorya Lippert ins Rennen zu schicken als Vertreterin des OB. Diese sei beliebt und habe ihre Arbeit in den vergangenen sechs Jahren sehr gut gemacht. Er selbst werde auch wieder als Fraktionsvorsitzender kandidieren.
Gemischte Gefühle bei den Schweinfurter Sozialdemokraten
Nicht zufrieden war auch die SPD: "Ich bin enttäuscht, wenn man auch den Aufwand betrachtet, den wir in den vergangenen sechs Jahren als Fraktion betrieben haben, Stadtpolitik zu machen", so Fraktionsvorsitzender Ralf Hofmann. Dennoch liege man mit 17,5 Prozent deutlich über dem Bayerntrend der Partei. Wie sich nun die Mehrheiten im neuen Stadtrat bilden, bleibe abzuwarten, die SPD sei in jedem Fall gesprächsbereit: "Es wird aber sicher eher der Konsens gesucht werden müssen als Durchregieren", vermutet Ralf Hofmann.
In Sachen Bürgermeister-Posten gibt er sich bedeckt, klar ist aber, dass die SPD "sicher bereit ist, einen Kandidaten oder eine Kandidatin zu stellen". Dies gelte es aber erst in der neuen Fraktion abzustimmen, genauso wie die Frage, wer die Fraktion anführt.
Bei den Grünen war OB-Kandidat Holger Laschka mit 6208 Stimmen der "Stimmenkönig", zieht als einer von zwei Männern in den Stadtrat ein, ansonsten sorgen die Grünen mit vier Frauen für eine deutliche Erhöhung der Frauenquote. Während ihn das OB-Wahl-Ergebnis mit gut 15 Prozent ein wenig enttäuschte, war Laschka über die Verdoppelung der Stadtratsmandate natürlich sehr erfreut. Man werde nun interne Gespräche führen und dann abwarten, wie sich die anderen Parteien positionieren.
Mit dem Ausgang der Wahlen ist der AfD-Landtagsabgeordnete Richard Graupner, der auch als Stadtrat wieder gewählt wurde, "zufrieden". Das Ziel Fraktionsstärke habe man sogar um ein Mandat übertroffen. Aus Sicht Graupners gehört die AfD "zu den Gewinnern" der Wahl und werde die "bürgerliche Mehrheit im Stadtrat stärken und sich ausschließlich von sachorientierten Überlegungen zum Wohle der Stadt leiten lassen".
Selbstbewusst ist nach wie vor Freie-Wähler-Fraktionschef Stefan Labus. Im Wahlkampf hatte er zwar betont, man wolle zweitstärkste Kraft im Stadtrat werden, geblieben sind dennoch wie bisher drei Mandate. Labus sieht seine Partei trotzdem auf der Gewinner-Seite, da man 2000 Stimmen mehr als 2014 bekam. Er stellt fest: "Ohne uns geht im Stadtrat nichts mehr. Es wird mitregiert."
Die Freien Wähler sehen sich als natürlicher Koalitionspartner der CSU, was man auch am Anspruch Labus' in Sachen Bürgermeisteramt erkennen kann: "Wir werden da sicher mitreden wollen", betont er und kann sich auch vorstellen, selbst als 3. Bürgermeister zu kandidieren.
Linken-Fraktionschef Frank Firsching konstatiert, das Minimalziel mit Fraktionsstärke erreicht zu haben, "glücklich sein sieht anders aus". Das liegt vor allem an dem Ergebnis der AfD. "Es bedrückt mich, dass eine Partei am rechtsextremen Flügel vier Mandate bekommt."
Je ein Sitz für FDP, proschweinfurt und "Zukunft./ödp"
Wieder in den Stadtrat kam Ulrike Schneider als Listenführerin der neuen Liste "Zukunft./ödp", was die Umweltpolitikerin natürlich freute. Mehr Stimmen als "alteingesessenen Gruppierungen" wie FDP und proschweinfurt bekommen zu haben, "lässt uns herzlich Danke sagen", so Schneider. Sie fand aber kritische Worte zur Steigerung der AfD: "Es zeigt sich recht gut, dass ein kommunales Wahlergebnis nicht unwesentlich von der Großwetterlage der Nation bzw. der jeweiligen Bundespartei abhängt und weniger von der Leistung einzelner Stadträte vor Ort."
Im Stadtrat wird Ulrike Schneider einen alten Bekannten treffen, Georg Wiederer von der FDP, dessen Slogan "Immer wieder Wiederer" offenbar von den Wählern goutiert wurde, so dass der 78-Jährige erneut ins Parlament einzieht. Christiane Michal-Zaiser ist die einzige Vertreterin von proschweinfurt, "leider, wir hatten uns zwei Sitze gewünscht". Für sie wie auch die anderen beiden Einzelkämpfer stellt sich nun die Frage nach Ausschussgemeinschaften. Sie habe auch schon "eine Idee im Kopf", wolle aber die Gespräche abwarten. Naheliegend wäre eine Gemeinschaft mit den Freien Wählern, bei denen ihr proschweinfurt-Kollege Adi Schön als Listenführer wieder als Stadtrat gewählt wurde.
Sowohl OB Remele als auch der CSU-Stadtrat schnitten deutlich schlechter als bei der letzten Wahl und auch noch schlechter als bei der vorletzten Wahl ab. Ein deutliches Signal des Wählers zum beherrschenden Thema LGS sieht anders aus, der ja auch beim Bürgerentscheid mehrheiltlich mit NEIN stimmte.
Der neue Stadtrat sollte sich noch mal beraten, ob er die Stadt wirklich in das hochriskante Finanz-Abenteuer Landesgartenschau führen will. Gerade jetzt, in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, wo niemand weiß was die Zukunft bringt, sollte man mit der LGS nicht weiterhin Kräfte der Bauverwaltung binden, die man derzeit dringend woanders braucht! Zudem hat die LGS Systemfehler: zu weit weg von der Innenstadt, in einer zu wenig urbanen & unattraktiven Gegend.
>zu weit weg von der Innenstadt
>für Bürgerpark zu abgelegen
Sei's drum. Die Zeiten des "Arroganten Durchschnarchens" eines OB Remelé sollten jetzt für Schweinfurt endlich passé sein.
Good Morning, Schweinfurt!