Grafenrheinfeld war bunt, zumindest das Bühnenlicht in der Kulturhalle. Am Rednerpult wechselten die Farben ebenso rasch wie die Blickwinkel auf die Flüchtlingsdebatte.
Jens Spahn, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, zog als Ehrengast ein, beim 5. Fränkischen Oktoberfest der Frauenunion, zu den Klängen des Gochsheimer Marschs. Das CDU-Präsidiumsmitglied Spahn, gerade mal 36, genießt derzeit einige mediale Aufmerksamkeit.
Der Münsterländer, der mit dem Bunte-Journalist Daniel Funke liiert ist, hat sich als Wahrer des konservativen „Markenkerns“ der Union profiliert. In der Flüchtlingsdebatte bezeichnet er sich als „burkaphob“, somit als Gegner der Vollverschleierung, ebenso wie der doppelten Staatsbürgerschaft: Die Loyalität der Deutschtürken habe der Bundesrepublik zu gelten, nicht Erdogan, so das Credo des Talkshow-Gasts und Buchautors. Die liberale britische Tageszeitung „Guardian“ hat den „conservative rebel“ aus Ahaus zuletzt schon zum möglichen Merkel-Nachfolger gekürt.
Selbstbewusst und bodennah
Der „konservative Rebell“ schlug in der vollen Halle, vor 400 Besuchern sowie zahlreichen Dirndln und Lederhosen, nun selbstbewusste, aber auch bodennahe Töne an. Spahn zog klare Grenzen: beim Thema Flüchtlings-Integration ebenso wie im Geschwisterzwist der Union, letztlich auch bei den eigenen politischen Ambitionen.
Anja Weisgerber hatte die Einleitung übernommen, für die CSU als „Partei der klaren Worte“ und „Stimme der Vernunft“. Man habe den Druck in der Koalition aufrechterhalten, so das Bundestagsmitglied, habe damit eine 80-prozentige Reduzierung der Asylbewerberzahlen erreicht: „Und das muss auch so bleiben.“
Hierzulande gelte das deutsche Rechtssystem und nicht die Scharia, betonte Weisgerber. Wer ins Land komme, müsse sich integrieren. Maximal 200 000 neue Flüchtlinge pro Jahr könne das Land aufnehmen, ansonsten drohe Überforderung und der Verlust der Akzeptanz in der Bevölkerung.
„Kein anderes Deutschland“
Gastgeberin Martina Gießübel dankte ausdrücklich allen Ehrenamtlichen, die sich in der Flüchtlingshilfe engagiert haben. Die Kreis-Vorsitzende der Frauenunion (FU) fürchtet den großen Rechtsruck Richtung AfD: „Wir wollen kein anderes Deutschland.“
Die „Albertos“ spielten einen fränkischen Walzer, dann sprach Schäuble-Mitarbeiter Spahn erst einmal über Erfolge: Schuldenfreiheit und Milliardenüberschüsse: „Wir hatten noch nie eine Generation, der es so gut ging.“ Trotzdem herrsche Verunsicherung ob der neuen Weltlage: „Der Nahe Osten heißt Naher Osten, weil er nah ist.“
Er könne verstehen, dass Menschen weltweit am deutschen Wohlstand teilhaben wollten. Die Bilder am Münchner Hauptbahnhof seien 2015 ja „keine schlechten Bilder“ gewesen. Nur wären die meisten, die kämen, keine Ärzte und Ingenieure.
Die bayerische Verwaltung könne stolz auf ihre Leistung sein, sagt der gelernte Bankkaufmann, der das Lob zum Seitenhieb auf das rot-grüne Nordrhein-Westfalen nutzt. Die Grünen forderten mehr Polizei, beim Konflikt ums Zwischenlager Ahaus wären sie noch der Gegner gewesen. Tatsächlich brauche es mit mehr Zuwanderung mehr Polizisten. Auch beim Thema Frauenrechte, ein weiteres klassisches Grünenthema, zeigte sich Spahn angriffslustig. „Ich nenne eine Ehe mit einer Zehnjährigen Kindesmissbrauch.“ Lob gab es wiederum für Deutschlands integrierte Muslime.
Kinder von Einwanderern hätten hier alle Chancen, müssten sich aber an die Regeln halten. Vollverschleierung? „In Stoff gegossen ein radikaler Islam“, formuliert es der Finanzstaatssekretär. „Wer meint, seine Frau solle eine Burka tragen, ist im falschen Land.“
Dann die „Import-Imame“ aus der Türkei: „Ich kann mit keinem Imam auf Deutsch reden, im Wahlkreis“. Darüber habe die Union schon geredet, da sei die AfD noch beim Thema Griechenland gewesen: „Mir san zwar liberal, aber blöd san mer ned“, zitiert Spahn Franz Josef Strauß.
Stichwort Reisefreiheit
Die heutige Reisefreiheit in Europa sei ein hohes Gut, aber die Außengrenzen in Ägäis und Mittelmeer müssten gesichert werden. Stichwort Türkei: „Herr Erdogan wäre niemand, mit dem ich gerne ein Bierchen trinken würde“, sagt Spahn überm Bierkrug, in seiner ersten Rede mit „Prosit“. Allerdings könne man sich seine Nachbarn nicht aussuchen, verteidigte der Politiker den EU-Türkei-Flüchtlingsdeal. Nur: „Nichts im Leben ist alternativlos.“
Mit der CSU müsse die CDU zu einer gemeinsamen Sprache kommen, um sich im Wahlkampfjahr 2017 endlich wieder Rot-Grün zuwenden zu können, sagte Spahn. Die Gemeinsamkeit überwiege.
Drei Schläge brauchte der Norddeutsche, um das Fass anzuzapfen, in schwarzer Schürze – am nächsten Tag ging's tiefer hinein in die Höhle des bayerischen Löwen, zum Münchner Oktoberfest.
Dann gehörte die Bühne in Grafenrheinfeld dem unpolitischen Kräftemessen: einem zünftigen Gaudi-Dreikampf zwischen FU-Girls, Junger Union, den „Chippendales“ sowie Christsozialen aus Gochsheim, Donnersdorf und Werneck-Zeuzleben.
Es werden Maßkrüge gestemmt und Messer gezückt, zum Apfelwettschälen: Die längste Schale bringt es auf 72 Zentimeter. Zuletzt folgt eine Nagelprobe, auf hartem Holz. Am Ende gewann das Team der Großgemeinde Werneck. Mit Anja Weisgerber fahren die Sieger nach Berlin, Innenstaatssekretär Gerhard Eck hat eine München-Fahrt gesponsert, Vizelandrätin Christine Bender lädt zum Rosenabend, FU-Vize Edeltraud Baumgartl zur Bierprobe, CSU-Kreischef Stefan Funk steuert Hallenzuschuss und Essen bei.
Jens Spahn war da schon weitergezogen, mit einem Achtungserfolg zwischen Schäufele, Wurstsalat und Gerupftem. Auf die Zeitungsfrage nach einer möglichen Merkel-Nachfolge hatte der Unions-Vertreter zuletzt Asterix zitiert: „Das Einzige, was ich dazu zu sagen habe: Die spinnen, die Briten.“