Liebe als Luxusproblem: Zwei Stenze, die gerade nichts Besseres zu tun haben, wetten mit einem Zyniker, dass ihre Geliebten ihnen unter allen Umständen treu bleiben werden. Und inszenieren ein aberwitziges Verführungskomplott, das erfolgreich endet – mit einer Niederlage der Stenze und einem Triumph des Zynikers. Und zum Schluss liegen sich dann doch alle wieder in den Armen.
„Cosi fan tutte“ lebt vom Spiel mit dem Was-wäre-wenn. Im Figaro und im Don Giovanni, den ersten beiden Opern, die Mozart zu Libretti von Lorenzo da Ponte geschrieben hat, werden existenzielle Konflikte verhandelt, in Cosi, Teil drei der Trilogie, bewegen sich die Figuren in einer glitzernden Scheinwelt.
Beverly Blankenship arbeitet genau das heraus in ihrer Cosi-Inszenierung für die Kammeroper Schönbrunn, die am Mittwoch und Donnerstag im Theater zu sehen war. Nach zwei Tagen Figaro – schlicht, schlüssig und witzig inszeniert von Michael Temme (Kulturteil vom 25. November) – nun also ein opulentes Sechs-Personen-Stück über eine maximal dekadente Wohlstandsgesellschaft.
Darstellerische Risikobereitschaft
Die Kammeroper kooperiert mit dem Institut für Gesang und Musiktheater der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, weswegen auf der Bühne junge Darsteller auf der Schwelle zur Profikarriere stehen – durchweg wunderbare Stimmen, kombiniert mit großartiger darstellerischer Risikobereitschaft. Guido Mancusi leitet das kammermusikalisch besetzte und pointiert aufspielende Schloss Schönbrunn Festival Orchester mit pantomimischer Intensität und lockerer Präzision.
Don Alfonso, der Zyniker, steuert die Intrige per Laptop, den Stenzen Guglielmo und Ferrando ist vor allem der Sitz ihrer Frisuren wichtig, und ihre Angebeteten, die Schwestern Fiordiligi und Dorabella, haben nur Augen für ihre Smartphonedisplays. Die Bühne ist eine Kistenlandschaft, deren Klappen sich mal als Minibar, mal als Badezimmer (inklusive Seifenblasen), mal als Landesgrenze öffnen lassen, durch die Guglielmo und Ferrando als türkische Soldaten verkleidet die Bühne betreten.
Anfangs sind alle in unschuldiges Weiß gekleidet (die Schwestern allerdings ziemlich sexy in Strümpfen und Korsage). Als Türken tragen die Jungs – sichtlich mit Genuss – dann aber ein extrem albernes schwarzes Outfit aus Spitzenumhang, Korsage und Lederstiefeln bis übers Knie.
Massenhaft witzige Details
Die Regisseurin streut massenhaft witzige Details ein, die eine absurde Atmosphäre schaffen, in der der groteske Mummenschanz richtig plausibel wirkt. Mal drückt jemand während eines Rezitativs die Vorspul-Taste, mal bewegen sich alle in Zeitlupe. Mal trösten sich die Damen mit Smarties und Nutella, mal lässt sich Don Alfonso mit einem Eimer Popcorn nieder, um das Spektakel zu genießen, das die enttäuschten Liebenden vom Zaun brechen.
Die Wiederbelebung der vorgeblichen Selbstmörder, bei Mozart schon eine Parodie auf den Wiener Arzt Franz Anton Mesmer, Erfinder des Mesmerismus, findet hier zu Holzbläsertrillern per Defibrillator statt.
Der Bariton Daniel Foki und der Tenor Maximilian Mayer sind zwei wunderbar großmäulige Stenze, die – wie alle im Ensemble – noch in den wildesten Verrenkungen makellos singen. Fiordiligi Jerica Steklasa (Sopran) und Dorabella Mareike Jankowski (Mezzo) ergänzen einander perfekt, wobei Jerica Steklasa mit Fiordiligis Seelenpein für den anrührendsten Moment sorgt. Izumi Shibatas Despina ist eine freche Soubrette mit reichlich Eigeninitiative.
Aber es ist Michael Nagl als Don Alfonso, der mit glasklarem Bass und galligem Witz den Anker in die Realität bildet. Er, der selbst leer ausgeht, führt am Ende die Liebenden wieder zusammen. Vielleicht haben sie ja doch was gelernt.