"Plätzchen backen statt Koffer packen" lautet seit neuestem die Devise am Gochsheimer Plan. Das Reisebüro "Interesand Reisen" von Sabine Mattenheimer hat in der Coronakrise kurzfristig umgesattelt, von der Urlaubsvermittlung zur Weihnachtsbäckerei. Im Schaufenster stehen nun fantasievolle Lebkuchenhäusli: In der Südsee planschen Fische aus buntem Zuckerguss, im "Hippopool" räkeln sich Nilpferde und Krokodile, eine Bisonherde wandert durch den Wilden Westen.
Bis zum 18. Dezember werden die kreativen Knusperhäuschen im Internet versteigert, der Erlös soll dem Wildpark an den Eichen zu Gute kommen: zu dessen Hauptsponsoren "Interesand" seit vielen Jahren zählt. Mindestgebot sind 30 Euro, das Doppelte der Materialkosten. Es wurden auch schon 120 Euro fürs Traumhaus geboten, das telefonisch bestellt werden kann. Fernziel sind 2500 Euro für den guten Zweck. Dafür müssten etwa 50 Häuschen über den Tresen gehen. Jeweils eine Woche ab Erstgebot kann auf der Internetseite (https://interesandreisen.de/aktionen/223-backen-statt-packen) mitgeboten werden, bevor der Hammer fällt.
Eintritt im Wildpark soll auch künftig frei sein
"Wir wollen dazu beitragen, dass der Eintritt im Wildpark auch künftig frei ist", sagt Sabine Mattenheimer, eine gelernte Konditormeisterin, die sich 2003 mit einem eigenen Reisebüro selbstständig gemacht hat. Das Lebkuchenhaus-Projekt hat sich spontan entwickelt, nachdem sie und ihr Team 2020 vor allem damit beschäftigt waren, Buchungen zu stornieren. "Ich hab mir gedacht, heuer hast du mal Zeit für Plätzchen. Oder ein Lebkuchenhaus?"
Los ging es mit einem Afrikahäuschen. Die Idee wurde rasch zum Selbstläufer und erstmal der Bekanntenkreis mit knusprigen Kreationen versorgt. Für den Schweinfurter Australien-Stammtisch gab es das "Modell Känguruh", für einen Südamerika-Fan eine Hacienda mit Alpakas. Daraus entwickelte sich dann die Spendenaktion der safarierprobten Tierfreunde Werner und Sabine Mattenheimer. "Märchenwald", "Vive la France", "Elchhaus", "Ein Schiff wird kommen", "Bauernhof" oder "Haus in der Rhön" nennen sich die Kunstwerke, die in einem Joint Venture mit Sebastian Heinrich entstehen. Der "MainBäcker" aus Wipfeld liefert den Lebkuchen-Teig für die "Rohbauten".
Derzeit arbeitet die Künstlerin an einer Landschaft im Eismeer, mit Iglu. Individuelle Schriftzüge sind ebenfalls möglich, vom Geburtstags- oder Weihnachtsgruß bis hin zum Heiratsantrag. Streng lebensmittelrechtlich sind die Knusperhäuschen nur "Musterexemplare" und nicht zum Verzehr geeignet. Was der Besitzer damit anfängt, bleibt – Knusper, Knusper, Knäuschen – aber letztlich ihm selbst überlassen.
Sabine Mattenheimer will ihren Kunden den Lockdown versüßen
Im Haus der Mattenheimers lernt man, dass "Plätzchenausstechen" eine Welt für sich ist: Die Chefin hat einen ganzen Schrank voller Utensilien. Die Schubladen sind fein sortiert nach Fahrzeugen, Schiffen, Wald, Tieren, Hund, Katze, Maus, Dinosaurier und so weiter. "Gefühlt an die 500 Formen" hat die Häuslebauerin schon gesammelt. Nein, nicht im Internet: Vieles stamme von Weihnachtsmärkten, aber damit sehe es heuer ja mau aus. Leipzig gilt als Ausstecher-Hochburg, vieles wurde von den Urlausbreisen mitgebracht: Grizzlys aus dem Yellowstone Nationalpark etwa oder isländische Papageientaucher.
Das Ganze soll natürlich auch Image-Werbung für den derzeit arg gebeutelten Berufsstand sein. Auf eine Italienfahrt, bei der Konditorin Mattenheimer die Leitung übernommen hatte, folgte seinerzeit die Umschulung zur Reiseverkehrskauffrau – ihr Reisebüro auf dem Land hat sich dann, trotz Terrorängsten nach dem 11. September, gut entwickelt. Der endgültige Durchbruch kam, als die Gochsheimerin dem Kreuzfahrtschiff "AIDAdiva" bei einem Wettbewerb den Namen gegeben hat und dem stolzen Cruiser eine Münze unter den Kiel legen durfte, anlässlich des Stapellaufs.
"Wir haben soviel Pleiten in der Branche überstanden, Air Berlin, Thomas Cook, das hier schaffen wir auch noch", sagt Sabine Mattenheimer. Wenn ihre Kunden momentan schon nicht aufbrechen könnten, zu den Top-Hotels und Traumstränden dieser Welt. Dann sollen sie sich den Lockdown wenigstens in den eigenen vier Wänden versüßen: "Ich möchte den Leuten ein Lächeln ins Gesicht zaubern, wenn sie ihr Häuschen abholen."