Es ist für viele Winzer im Landkreis Schweinfurt ein erster Schritt in Richtung Normalität: Analog zur Gastronomie dürfen sie seit vergangener Woche mit einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 Kunden wieder Wein zum Verkosten ausschenken. Dies bestätigt auf Nachfrage Stephan Schmidt vom Fränkischen Weinbauverband in Würzburg. Zwar gelten für die Weinverkostung ebenfalls Hygieneregeln und der Wein darf nur im Freien getrunken werden, doch die Freude darüber war bei den Kunden sofort spürbar gewesen, berichtet Winzerin Katja Ruppenstein aus Oberschwarzach. Und auch sie als Winzer schöpften Hoffnung: "Das fühlt sich an wie Heimkommen."
Monatelang war die Weinverköstigung während des Lockdowns untersagt gewesen. Weingüter durften wie Getränkehändler mit Masken- und Abstandspflicht zwar weiter Wein vor Ort verkaufen, sagt Alexander Dahms vom gleichnamigen Schweinfurter Weingut. Doch Kunden die guten Tropfen testen lassen, das ging nicht. Dies trug laut Dahms zusätzlich dazu bei, dass Kunden die richtige Stimmung zum Weinkauf fehlte: "Der stationäre Weinverkauf war bei uns stark rückläufig." Dahms bezeichnet den Umsatzrückgang gar als "wirklich grenzwertig". Das Weingut, das hauptsächlich Gastronomie und Veranstalter beliefert, habe sich "von Monat zu Monat gehangelt".
Frost-Schäden in den Weinbergen
Dabei war das Weingut an der Schweinfurter Peterstirn vergangenes Jahr nicht nur von Corona hart getroffen. Die Spätfröste im Mai 2020 hatten für Ernteausfälle von 85 Prozent gesorgt. Auf etwa 50 Prozent beziffert auch das Weingut Ruppenstein in Oberschwarzach die frostbedingten Ernteausfälle, die zusammen mit der Trockenheit im Jahr 2019 dafür gesorgt haben, dass die Vorräte in den Weinkellern merklich geschrumpft sind.
Dass der Weinverkauf auf dem eigenen Hof in den zurückliegenden Monaten im Vergleich zu den Vorjahren zäh bis schleppend lief, bestätigten alle befragten Winzer. Ebenso klar kommt jedoch heraus: Die Weinbestellungen übers Internet haben während der Corona-Zeit deutlich zugenommen. Bisweilen konnten Winzer übers Online-Geschäft die anderweitigen Verluste im Weinverkauf sogar wettmachen. Für das Weingut Krüger in Donnersdorf etwa hat sich dessen seit über zehn Jahren bestehender Online-Shop ausgezahlt. Das Weingut konnte seine Verluste im Hofverkauf dadurch ausgleichen, berichtet Dorothea Krüger. Sie seien "sehr zufrieden", wie sie bisher durch die Corona-Zeit gekommen sind.
Online-Geschäft beschert etliche Neukunden
Michael Scheller vom Bocksbeutelweingut in Stammheim hat seit Frühjahr 2020 eigenen Angaben nach "extrem viele Neukunden" für den angebotenen Online-Versand registriert. Etliche von diesen wohnten weit weg, etwa in Norddeutschland. Bewährt hat sich nach Ansicht Schellers, dass er gleich zu Beginn der Corona-Pandemie das Limit für den Online-Gratisversand auf 18 Flaschen gesenkt hat, was Kunden den Einstieg erleichtert habe. Er hat beobachtet: Viele haben sich zunächst eine lose Anzahl unterschiedlicher Sorten Wein bestellt und dann gezielt eine zweite Bestellung für den Wein aufgegeben, der ihnen wohl am besten geschmeckt hat. Für Scheller bedeutet der erfreulich gut laufende Online-Versand aber auch mehr Aufwand für das Verpacken und den Versand. 350 Flaschen Wein für ein Fest zu liefern, meint er, sei natürlich deutlich einfacher.
Apropos Feste: Dass diese seit Beginn der Corona-Pandemie weitgehend ausgefallen sind, oder höchstens in stark abgespeckter Version stattfinden, hat fast allen Winzer von fest eingeplanten Einnahmequellen abgeschnitten. Dasselbe gilt für die Ausfälle bei der Belieferung der lange Zeit geschlossenen Gastronomie. Diese Verluste konnte Winzer Sebastian Lother aus Wipfeld trotz angezogenem Online-Verkaufs – der immerhin den Rückgang beim Hofverkauf ausgebügelt hat – nicht ausgleichen.
Wipfelder Winzer hofft auf mehr Touristen
Lother setzt darauf, dass in den kommenden Wochen die Zahl der Touristen, die bei ihm vorbeischauen, weiter zunimmt. Auch für diese ist es eine Erleichterung, dass sie jetzt wieder Wein vor Ort verkosten dürfen. Bisher habe die Lösung darin bestanden, dass Lother ihnen eine Flasche Wein zum Probieren verkauft hat und die Kunden dann am folgenden Tag nochmals kommen mussten, wenn ihnen der Wein geschmeckt hat.
Der Zeilitzheimer Winzer Martin Mößlein hat die jüngsten Corona-Lockerungen genutzt, um in der vergangenen Woche eine erste Planwagenfahrt in diesem Jahr durch die Weinberge anzubieten. Diese möchte er, wie im vergangenen Jahr, unter Einhaltung aller Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften jetzt wieder für Gruppen mit bis zu 48 Teilnehmern anbieten. Seit zwei Wochen, sagt er, nehmen bei ihnen die Nachfragen für solche Veranstaltungen ständig zu – "davor gab es quasi nichts, höchstens Stornierungen".
Online-Weinproben haben sich bewährt
Was nach Mößleins Aussage "super" gelaufen ist, waren die während der Corona-Zeit erstmals angebotenen Online-Weinproben. Als Alternative zu den Vor-Ort-Weinproben, beispielsweise für Firmen oder Familien, die weit auseinander entfernt leben, möchte der Zeilitzheimer Winzer die Online-Veranstaltungen auf jeden Fall weiter anbieten, vor allem im Januar und Februar, wenn sonst wenig Veranstaltungen geboten sind.
Auch Michael Scheller aus Stammheim wird von ihm moderierte Online-Weinproben wohl weiter anbieten, wobei diese seiner Ansicht nach nie die Emotionen ersetzen können, die Weinproben auf seinem Weingut vermitteln, inklusive Besuch in den Weinbergen.
"Weingarten" auf der Peterstirn geplant
Das Schweinfurter Weingut Dahms hofft, dass es auch dieses Jahr Ende Juli, Anfang August wie im Vorjahr als Ersatz für die erneut abgesagten Weinfeste auf der Peterstirn an zwei Abenden wieder einen "Weingarten" anbieten kann, mit festen Plätzen und vorausgegangenem Ticketverkauf. Vergangenes Jahr kamen zu beiden Abenden jeweils 400 Gäste.
Was alle Weinliebhaber freuen dürfte: Trotz Corona-Erschwernissen und Frostschäden hat keiner der befragten Winzer von deutlichen Preissteigerungen im vergangenen oder laufenden Jahr berichtet. Diese fielen den Angaben nach moderat aus und lagen im Rahmen der ohnehin üblichen Teuerungsraten. Alexander Dahms spricht etwa von 10 bis 20 Cent, die sie pro Flasche mehr verlangen – und das, obwohl kaufmännisch betrachtet mehr geboten gewesen wäre. Auch Martin Mößlein wollte seinen Kunden bewusst keinen größeren Preisanstieg zumuten. Das Weingut Ruppenstein in Oberschwarzach beließ es sogar bei den Vor-Corona-Preisen, auch, um die zuletzt ohnehin belasteten Geldbeutel der Menschen zu schonen.