
Wer von den Mitarbeitern des Jobcenters betreut wird, ist normalerweise nicht erst seit gestern arbeitslos. Ein Jahr Arbeitslosengeld, dann kommt Hartz IV. Wer selbstständig ist, würde gleich in die Grundsicherung rutschen. Klar eigentlich, dass im Jobcenter die Folgen der Corona-Krise noch nicht wirklich angekommen sind. Wer jetzt arbeitslos wird, um den kümmert sich zunächst die Agentur für Arbeit. Und noch, so die neue Leiterin des Schweinfurter Jobcenters, Andrea Schranner, in ihrem Zwischenbericht vor dem Sozialausschuss des Stadtrates, fängt das Hilfspaket des Bundes vieles auf: Kurzarbeitergeld, Sofort- und Übergangshilfen.
Von 11 000 Unternehmen in der Region Main-Rhön hätten 4400 für ihre knapp 60 000 Mitarbeiter Kurzarbeitergeld beantragt. Im besten Fall werde das Entlassungen verhindern, im schlimmsten Fall könnte es zu einer Kündigungswelle kommen, wenn das Kurzarbeitergeld ausläuft. Die Folgen einer solchen Welle würden sich frühestens 2022/2023 bis auf das Jobcenter durchwirken. Weil dann die Menschen beraten und begleitet werden wollen, denen die Krise den Job gekostet hat und sich so schnell auch keiner finden ließ. Andrea Schranner hofft, dass es soweit nicht kommen wird, dass weitere gravierende Maßnahmen, die negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben, ausbleiben. Auch wenn sich die Krise schon jetzt bemerkbar mache, wenn auch nicht so schlimm wie erwartet.
Zwar sank die Nachfrage an Arbeitskräften und damit die Vermittlung durch das Jobcenter vor allem im ersten Quartal des Jahres, doch die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das Jobcenter betreut, ging nicht so stark nach oben wie befürchtet. Betreute das Jobcenter 2019 insgesamt 3158 Leistungsberechtigte, waren es im August diesen Jahres 3211. Leicht gestiegen ist die Zahl der Kinder, deren Eltern Sozialgeld beziehen. Sie lag im August 2020 bei 1400.
Doppelt so viele Selbstständige wie bisher
Die Zahl der Anträge auf den Bezug von Hartz IV ging ebenfalls nach oben – monatlich um 130 Anträge, von denen aber viele auch zurückgenommen worden sind, wie Schranner erklärte. Manche, vor allem Soloselbstständige, hätten sicher auch andere Hilfen genutzt oder den Antrag vorsorglich gestellt. Trotzdem hat sich die Zahl der Selbstständigen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, erhöht. Aktuell sind es 75, doppelt so viele wie bisher. Was Schranner für die Zukunft hoffen lässt, sind die vielen offenen Stellen auf dem Ausbildungsmarkt und die Tatsache, dass 2021 in Bayern 164 000 Arbeitende in Rente gehen werde. Das schaffe eventuell etwas Luft, "vielleicht auch für unsere Klientel".
Zu tun bleibt dennoch viel. Die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt ist weiter schwierig, die Arbeitsbelastung hoch. Schon jetzt hat jeder Fallmanager am Jobcenter 140 Fälle zu betreuen, zehn mehr als im bayernweiten Durchschnitt. Personell ist es eng, sagt Schranner. Stellen sind bereits ausgeschrieben, ergänzte Sozialreferent Jürgen Montag. Doch qualifiziertes Personal zu finden, sei schwierig. Wie viel Stellen man neu besetzen will, diese Antwort blieb der Sozialreferent dem Linken-Stadtrat Sinan Öztürk schuldig. Auch wenn gerade die personelle Ausstattung der Schlüssel zu dem ist, auf was das Jobcenter laut Schranner immer verstärkter setzen will: Einzelcoaching. Ein Viertel der Bundesmittel würden hier nicht abgerufen, hieß es in Schranners Bericht. Für Öztürk "skandalös".
Beschränkte Öffnungszeiten, dafür mehr Zeit für Beratung
Immer mehr Einzelcoaching statt gemeinsamer Schulungen für Langzeitarbeitslose – auch das hat Corona bewirkt. Der Lockdown, der persönliche Kontakte erst unmöglich machte und dann einschränkte, hat einiges verändert. Und gezeigt, dass weniger Maßnahmen für alle und dafür mehr persönliche Betreuung effektiver sind. Die auf acht Wochenstunden beschränkten Öffnungszeiten bleiben, da sie ausreichen und die Kunden so zufrieden sind wie "noch nie", so Schranner. Termine gibt es nach Vereinbarung und natürlich telefonische Beratung. Weiter ausgebaut werden soll auch die Digitalisierung im Amt.
Weiterführen will man das Projekt Cura zur "ganzheitlichen Betreuung von Langzeitarbeitslosen", bei dem ursprünglich zwei Mitarbeiter Familien und Alleinerziehende unterstützen. Das Ziel: verhindern, dass sich Arbeitslosigkeit vererbt. Da die staatliche Förderung ausläuft und das Jugendamt aus dem Projekt ausstieg, eine Mitarbeiterin wegfiel, soll das Projekt über ein Förderprogramm weitergeführt werden. Wie genau und vor allem mit welchem Personal, das ließ Montag allerdings auch auf Nachhaken von Kathi Petersen (SPD) offen.