Noch ist die dritte Welle der Corona-Pandemie nicht gebrochen, noch sind die Inzidenzwerte zu hoch. Um die Seuche einzudämmen, sind strikte Kontakt- und Ausgehbeschränkungen erlassen worden. Der zwischenmenschliche Kontakt außerhalb der Familie wurde heruntergefahren, um die Gefahren einer Ansteckung zu verringern. Doch es gibt Ausnahmen: Die Kontaktbeschränkungen gelten nicht für ehrenamtliche Tätigkeiten in Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen ein Zusammenwirken mehrerer Personen zwingend erforderlich ist. In den Stadt- und Gemeinderäten zum Beispiel.
Obwohl man bei den Sitzungen der Gemeindegremien bereits großen Wert darauf legt, Sitzplätze mit ausreichend großem Abstand anzubieten, und gleichzeitig von den Sitzungszimmern der Rathäuser oft schon in größere Hallen ausgewichen ist, um die Aerosol-Belastung zu verringern, bleibt bei vielen Mandatsträgern ein ungutes Gefühl zurück. Auch im Stadtrat von Gerolzhofen, der erst in der Stadthalle und nun in der Turnhalle am Lülsfelder Weg tagt, wurden schon kritische Stimmen laut, dass man als Mitglied des Gremiums fast gezwungen sei, seine Gesundheit aufs Spiel zu setzen.
Oft tagen Ausschüsse
In Gerolzhofen reagierte Bürgermeister Thorsten Wozniak, indem er es zu vermeiden suchte, zu den Sitzungen jeweils das komplette Gremium antreten zu lassen. Am vergangenen Montagabend tagte das Gremium erst zum zweiten Mal in diesem Jahr in kompletter Besetzung. Die Lösung war, jeweils nur die fachlich zuständigen Ausschüsse einzuberufen, wenn es zum Beispiel um Bausachen oder Haushaltsvorberatungen ging.
Gerne wurde statt des Stadtrats auch nur der Ferienausschuss geladen, der eine verkleinerte Form des Stadtrats mit identischen Mehrheitsverhältnissen ist. Doch hier gab es ein rechtliches Problem: Der Ferienausschuss durfte laut Bayerischer Gemeindeordnung bisher nur in einem "Ferienzeitraum" einberufen werden, der maximal sechs Wochen lang war.
"Ferienzeitraum" wurde verdoppelt
Der Bayerische Landtag hat jetzt reagiert und die Gemeindeordnung zum 17. März 2021 unter dem Eindruck der Corona-Pandemie geändert, wobei ein Teil der Änderungen auch rückwirkend in Kraft traten. Die Änderungen im Detail sind nachzulesen im Gesetz- und Verordnungsblatt 2021, Seite 74.
Neu ist jetzt, dass der "Ferienzeitraum" bei Bedarf verdoppelt werden kann, also von bisher sechs Wochen auf jetzt drei Monate beziehungsweise zwölf Wochen. Das Ganze ist rückwirkend zum 1. Januar 2021 möglich. Um den "Ferienzeitraum" zu verlängern, braucht es eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Stadtratsmitglieder. Dies war am Montagabend kein Problem. Der Stadtrat beschloss einstimmig, diese rechtliche Möglichkeit zu ergreifen und zugleich den neu verlängerten "Ferienzeitraum" aufzuteilen, und zwar einmal rückwirkend vom 15. Februar bis zum 31. März 2021 (wo es bereits Sitzungen des Ferienausschusses gab) sowie in den sechs Wochen der Sommerferien.
Finanzausschuss aufgewertet
Daneben gibt es eine weitere Neuerung in der Gemeindeordnung: Außerhalb der nun dreimonatigen "Ferienzeit" können die Entscheidungsbefugnisse des Ferienausschusses mit Zweidrittelmehrheit auf einen anderen, schon bestehenden Ausschuss übertragen werden. Die Übertragung kann für bis zu drei Monate erfolgen, wobei der Zeitraum aber mehrfach verlängert werden kann, längstens jedoch bis zum Jahresende 2021.
Auch von dieser Möglichkeit machte der Gerolzhöfer Stadtrat Gebrauch. Das Gremium beschloss einstimmig, die Entscheidungsbefugnisse des Ferienausschusses auf den Haupt- und Finanzausschuss zu übertragen - und zwar zunächst einmal für den Zeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Juni 2021.
Hybrid-Sitzungen sollen kommen
Schließlich hat die Änderung der Gemeindeordnung noch den Weg frei gemacht für sogenannte Hybrid-Sitzungen, also Präsenz-Sitzungen mit Bürgermeister und Verwaltungsvertreter, wo manche Teilnehmer aus den Reihen des Stadtrats nur online über Ton-Bild-Übertragung teilnehmen. Dabei muss gewährleistet sein, dass sich die Gremiumsmitglieder gegenseitig wahrnehmen können und bei öffentlichen Sitzungen auch von der Öffentlichkeit wahrnehmbar sind. Allerdings fehlen für diese Art von Sitzungen noch die konkreten Anwendungshinweise aus München, sagte Bürgermeister Wozniak. Erst wenn diese vorliegen, soll der Stadtrat über diese neue Form der Sitzung beschließen und sie gegebenenfalls auch einführen.
Im Vorfeld der Abstimmungen hatte Thomas Vizl (Geo-net) betont, die Gleichheit aller Stadtratsmitglieder müsse gewahrt bleiben. Wenn demnächst fast nur der Haupt- und Finanzausschuss tage, dann werde der Rest des gewählten Gremiums von den Entscheidungen ausgeschlossen. Deshalb sollte man so schnell wie möglich die Hybrid-Sitzungen einführen. 2. Bürgermeister Erich Servatius (SPD) sagte, es gebe auch Stadtratsmitglieder, die kämen mit der Online-Technik nicht zurecht. Für sie müsse sichergestellt sein, dass sie zu der Präsenzsitzung erscheinen dürfen.
Selbsttests zu Beginn?
Günter Iff (Freie Wähler) sah die neuen rechtlichen Möglichkeiten der Gemeindeordnung als notwendig an, um auf die hohe Ansteckungsgefahr reagieren zu können. Wenn die Einführung der Hybrid-Sitzung noch länger dauere, könnte man in der Zwischenzeit - ähnlich wie in den Schulen - zu Beginn der Präsenzsitzungen ja auch erst Corona-Selbsttests machen.
Damit möglichst wenige Stadtratsmitglieder in den kommenden Wochen von den Entscheidungen ausgeschlossen sind, sollte man die geltende Stellvertreterregelung in den Fraktionen rege in Anspruch nehmen und einfach durchwechseln, sagte Arnulf Koch (CSU). Gleichwohl müsse man aber auch überlegen, ob angesichts der neuen Entwicklung nicht eine Neubesetzung der Ausschüsse durch die Fraktionen ratsam sei, wenn beispielweise der Finanzausschuss deutlich mehr Entscheidungskompetenz bekomme, dort bislang aber hauptsächlich nur die Finanzexperten sitzen.