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OBERWERRN
Claudia Roth: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“
Claudia Roth war die Festrenderin beim Neujahrsempfang der Grünen von Stadt und Landkreis Schweinfurt.
| Claudia Roth war die Festrenderin beim Neujahrsempfang der Grünen von Stadt und Landkreis Schweinfurt.
Ursula Lux
 |  aktualisiert: 04.02.2016 03:38 Uhr

„Ich schenke denen nicht meine Angst.“ Leidenschaftlich und emotional wetterte die Menschenrechtlerin Claudia Roth beim Neujahrsempfang der Grünen aus Stadt und Landkreis Schweinfurt gegen die Verrohung und Hysterie im Land, die sie so „nie für möglich gehalten hätte“.

Roth weiß, wovon sie spricht, denn „ein rechter Mob im Internet“ greife sie in schöner Regelmäßigkeit an. „Stell sie an die Wand – der muss man Gas geben“, nannte Roth als Beispiel.

Auch in Oberwerrn zeigte die Polizei Präsenz vor Ort, weil es auf einer rechten Hetzseiten einen Mordaufruf gegen Roth gegeben hatte. „Deutschland ist wieder entflammbar geworden“, bedauerte Roth.

Bürgermeisterin Bettina Bärmann freute sich dennoch über den Besuch der „prominenten und profilierten Rednerin“. Man sei durch den Politischen Aschermittwoch zwar Prominenz in Niederwerrn gewohnt, aber die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages sei schon etwas Besonderes. Sie bewunderte Roth für deren Standhaftigkeit, mit der sie an ihren Themen festhalte, und den Mut, mit dem sie für ihre Ziele eintrete.

Landrat Florian Töpper schlug in dieselbe Kerbe wie Roth und forderte, dass sich alle Demokraten „dafür einsetzen, dass diese Verrohung sich nicht festsetzt“. Es gelte, den geistigen Brandstiftern entgegenzutreten, den Boden des Grundgesetzes nicht zu verlassen und jedem Einzelnen Respekt zu zollen, verlangte Töpper.

„Alle Menschen mit Herz und Hirn müssen sich dieser Entgrenzung entgegenstellen“, forderte auch Roth. Jetzt sei „demokratische Zivilcourage“ gefragt. Nach 70 Jahren in einem friedlichen Europa erlebe man jetzt, dass immer mehr nationale Grenzen kontrolliert und abgeriegelt werden. Mit Bildern von Naturkatastrophen rede man über eine humanitäre Notlage, wenn beispielsweise gesagt wird, man werde von Flüchtlingen überschwemmt. Dabei sollte man überdenken, ob nicht die Art zu konsumieren und zu handeln mit zu diesen Krisen beitrage, mahnte die Bundestagsabgeordnete. „Wir müssen es schaffen umzukehren und auf Nachhaltigkeit zu setzen“, so ihre Forderung.

Es ist die Grüne, die das vom Papst ausgerufene Jahr der Barmherzigkeit aufgreift und als Leitwert hinstellt: „Es kann mir nicht gut gehen, wenn es meinem Nachbarn schlecht geht.“

Was im Bundestag beschlossen wurde, sei „im Kern falsch“, bemängelt Roth. Das Aussetzen der Familienzusammenführung verstoße gegen den Schutz der Familie. Man könne doch nicht Menschen auseinanderreißen, die nichts anderes mehr haben als sich selbst.

Das neue Asylrecht sei außerdem ein „Konjunkturprogramm für Schlepper“, machte Roth klar. Noch mehr Frauen und Kinder würden sich jetzt auf den gefährlichen Fluchtweg machen, Tote immer mehr zur Normalität werden. Verwundert zeigte sich Roth auch, dass nicht beschlossen wurde, Frauen und Kinder in Flüchtlingsunterkünften besser zu schützen.

Sie berichtet, was die 84-jährige Überlebende des Holocausts, Ruth Klüger, bewogen hat, nach Deutschland zu kommen und bei der Gedenkfeier an die Opfer des Nationalsozialismus im Bundestag zu sprechen. Es seien die heroischen Worte der Bundeskanzlerin – „Wir schaffen das“ – gewesen, die sie überzeugt haben, dass dieses Deutschland ihr Deutschland ist.

Roth mahnte eine Pflicht zur Wiederaneignung des Grundgesetzes an, wo es in Artikel eins heißt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Jedes Menschen, betont die Vizepräsidentin. Alle stünden jetzt vor der Entscheidung, in welcher Gesellschaft sie leben wollten: einer vielfältigen und offenen oder einer, die sich abschotte und Veränderungen nicht zulassen wolle.

Über 60 Millionen Menschen sind derzeit auf der Flucht, davon 31 Millionen Kinder und Jugendliche, 90 Prozent davon im eigenen Land oder in der Region, zitierte Roth die Statistik. Nur zehn Prozent dieser Flüchtlinge kämen in die reicheren Länder.

„Wie kann es sein, dass die viertgrößte Industrienation der Welt Deutschland nur noch Platz für 200 000 Flüchtlinge haben will?“, fragt Roth. Allein der Libanon mit 4,2 Millionen Einwohnern habe zwei Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Hier gelte es zu unterstützen. Aber die internationalen Hilfsorganisationen seien nicht einmal mehr zu 40 Prozent finanziert, weil die Weltgemeinschaft ihren Zahlungszusagen nicht nachkomme. Für Claudia Roth ist das eine „ignorante Verweigerung humanitärer Schutzverantwortung“.

 
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