Was auch immer Rang und Namen hat in der bundesdeutschen Nachkriegspolitik – die Alitzheimer haben sie alle an diesem Abend: Helmut Kohl, Gerhard Schröder, Hans-Dietrich Genscher, Norbert Blüm, Horst Seehofer, Edmund Stoiber, Franz-Josef Strauß . . .
Moment: Franz-Josef Strauß? Ist der nicht schon lange tot? Freilich, schon über ein Vierteljahrhundert. Doch mit ein wenig Beschwörung aller guter bajuwarisch-christsozialen Geister geht alles. Dann verrät der längst Verblichene sogar, dass er noch kurz vor seinem Tod zur SPD übergetreten ist: „Wenn schon einer stirbt, dann einer von denen.“
Nun hat das alles natürlich nichts mit Gläserrücken, Séancen oder sonst irgendeinem Hokuspokus zu tun. Ganz im Gegenteil. Die Präsenz von Franz-Josef Strauß hat durchaus irdische Hintergründe: Bernd Händel ist zu Gast in der DJK-Halle. Und an wem die alljährlichen Live-Übertragungen der „Fastnacht in Franken“ aus Veitshöchheim nicht gänzlich spurlos vorübergegangen sind, der kennt den waschechten Nürnberger und sein Talent, die Größen aus Politik, Sport und Showbusiness – etwa 30 an der Zahl – trefflich zu parodieren.
„Stimmen, Stars und schräge Typen“ ist sein Programm überschrieben, mit dem er in Alitzheim Station macht. Der erste Teil der Show ist den Stimmen und Stars vorbehalten. „Lieber 'ne erregte Bekannte als 'nen bekannten Erreger“, legt er etwa dem Womanizer-Kanzler Gerhard Schröder in den Mund, und lässt dessen oft persiflierte Lache folgen. Schließt man da die Augen, man würde sofort glauben, der Genosse der Bosse stünde höchstpersönlich dort droben auf der Bühne.
Edmund, der Zer-Stoiber
Gleiches gilt für Kohl, Strauß, Genscher und Blüm, die Händel nicht nur vom Tonfall, sondern auch von der Mimik richtig gut drauf hat. Wie auch Edmund, „den Zer-Stoiber“. Händel empfiehlt dessen neues Buch, rät aber jedem zur Normalausgabe: „Die hat 300 Seiten. Die gestotterte 6000.“ Doch nicht nur die hohe Politik gibt sich ein Stelldichein. Bei einer „Live-Schaltung ins Grundig-Stadion“ lässt der Karnevalist den Sportmoderator Gerd Rubenbauer Michael Roth interviewen, den Ehrenpräsidenten des 1. FC Nürnberg.
„Wenn der Club verliert, zerbeißt mir mein Hund die Sofakissen und macht einen Riesenhaufen auf den Aro-Teppich“, erzählt dann Roth. Rubenbauer fragt nach: „Und was macht er, wenn der Club gewinnt?“ Roth darauf schulterzuckend: „Weiß ich nicht, ich habe ihn erst ein Dreiviertel Jahr.“ Da müssen sogar die eingefleischtesten Club-Fans in der Halle lachen.
Franz Beckenbauer lässt Händel „Gute Freunde“ schmettern, und Boris Becker stellt er folgendermaßen vor: „Früher war er der König von Wimbledon, heute ist er der Zeugwart aller Besenkammern.“ Die Comedy-Größen Harald Schmidt und Michael Mittermeier treffen sich bei Ottfried Fischer („Ich steh' jeden Tag um fünf Uhr auf, egal wie spät es ist“) im Schlachthof.
Peter Maffay kündet musikalisch von seinen ersten Liebeserfahrungen („Frau Dr. Sommer“), und in der Klopapierabteilung des Kaufhauses lässt Händel Roland Kaisers „Ich glaub' es geht schon wieder los“ aus dem Lautsprecher rieseln.
Im Tonfall Herbert Hisels
Den zweiten Teil der Show hat Händel den „schrägen Typen“ gewidmet. Das ist zunächst Herbert Hisel, der unvergessene Nürnberger Komiker der 60-er und 70-er Jahre. In dessen typischem Tonfall erzählt er dann etwa von den Geldautomaten neuester Generation mit Gesichtserkennung: „Die Claudia Schiffer ist ungeschminkt an so einen Automaten gegangen, da hat's das Konto von Angela Merkel belastet.“
Dann legt Händel die Hisel-Melone ab und kommt mit dunkler Sonnenbrille und Maschinenpistolen-Attrappe zurück. Bühne frei für Silvester Capone, seine Paraderolle auf dem närrischen Parkett. Freiweg plaudert der „Bodyguard der Prominenz“ aus seinem Berufsleben. Von einem Besuch mit Reiner Calmund etwa in der Trattoria, wo Calli „Tiramisu Salmonella Speciale“ verdrückt hat. Oder von dem Terroristen, der so dumm war, eine Briefbombe per E-Mail zu schicken: „Ich habe den Computer trotzdem erschossen. Zur Vorsicht.“ Auch an dem Deutschtest, den er hier absolvieren musste, lässt er die Zuhörer teilhaben. „Welches Tempus ist es, wenn ich sage: Du hättest nie geboren werden sollen“, hat der Prüfer gefragt. Für Capone eine leichte Übung: „Präservativ defekt“.
In Bella Napoli bleiben Kontakte zur Mafia („Wie sagt ihr hier in Deutschland dazu? Finanzamt?“) natürlich nicht aus. Und so kam es zwangsläufig dazu, dass der gute Silvester eine Zeit lang die deutsche Luft nur durch das Gittersieb schnuppern durfte. Die Gesellschaft indes war ziemlich illuster: „In der Zelle neben mir saß der erste Friseur von Angela Merkel. Der brummt noch immer. Und ihr Schneider kommt nächste Woche.“ Und dabei wäre Capone doch selbst beinahe ein Promi geworden. „Ich hätte in Las Vegas für 70 000 Dollar auftreten können“, erzählt er, um kleinlaut fortzufahren: „Ich habe leider das Geld nicht zusammenbekommen.“
„Ommmmmmmmm“
Dieses Problem hat Händel selbst nicht. Die Leute zahlen sogar, um ihn zu sehen. In Alitzheim sind es rund 250. Und die bekommen dann noch eine längere Zugabe. Mit einem meditativen „Ommmmmmmmm“ lässt er sein Publikum sich einstimmen zu einer unterhaltsamen Reise in die Welt der Astrologie. Er verrät, dass Zwillinge geneigt sind, einfach alles genau wissen zu wollen. Etwa: „In welcher Farbe läuft ein Schlumpf an, wenn man ihn würgt?“ Oder: „Was macht eine Synchronschwimmerin, wenn die andere ertrinkt?“
Widder hingegen seien extrem ungeduldig. Lothar Matthäus sei da ein gutes Beispiel: „Er kann immer den zwölften Geburtstag seiner neuen Freundin kaum erwarten.“ Und wenn ein Krebsgeborener sagt: „Ich bin Hummer“, dann wisse man genau: „Aha, ein Neureicher“.
Ein wenig Lokalkolorit gibt es dann auch noch. Augenscheinlich tiefenentspannt nach so viel „Ommm“ und Astrologie wagt Händel noch den Blick in die Kristallkugel. „Ich weiß, wann der Berliner Flughafen fertig wird“, orakelt er, und in die steigende Spannung in der Halle hinein verkündet er: „Zeitgleich mit ihrer Kläranlage hier.“
Keine Frage, es war ein sehr kurzweiliger Abend, zugegeben mit manch einem etwas flacheren Kalauer. Und so manch einer, hatte man den Eindruck, hätte sich wohl im zweiten Teil auch noch ein wenig mehr „Stimmen und Stars“ und dafür ein bisschen weniger „schräge Typen“ gewünscht. Auch wenn Silvester Capone natürlich Kult ist.