Mit dem Gospel „Just a closer walk with Thee“ ziehen die fünf Musiker von „Canadian Brass“ auf der Mainbühne ein. Ein Güterzug donnert vorbei. Chuck Daellenbach, Tubist und Gründungschef der Gruppe, kommentiert trocken: „Das war Original-Musik für Blechbläser und Eisenbahn“. Schon haben die fünf Musikanten das gut gelaunte Wochenendpublikum auf ihrer Seite, das sie und ihr virtuoses, abwechslungsreiches Spiel von Titel zu Titel begeisterter feiert.
Der englische Trompeter Philip Jones aus dem Royal Opera House Orchestra gab schon 1951 mit seiner Gruppe den Startschuss für die inzwischen zahlreichen hochstehenden Blechbläser-Ensembles. Im Schweinfurter Theater gastierten zuletzt die „BlechHarmoniker Köln“ und die „Munich Brass Connection“, am 26. September wird „Mnozil Brass Wien“ seine Referenz an Richard Wagner präsentieren. Der Wettbewerb erstklassiger Solisten aus Opern- und Sinfonieorchestern ist also groß, Vergleiche drängen sich auf. Und da lassen sich gewisse intonatorische Schwierigkeiten von „Canadian Brass“ einfach nicht unterschlagen.
Doch das machen Caleb Hudson und Chris Coletti (Trompeten), Eric Reed (Horn), Achilles Liarmakopoulos (Posaune) und Maestro Daellenbach mit ihrer Spielfreude, ihrem musikalischen Können und den originellen Arrangements mehr als wett. Schon ihre mit feinster Dynamik vorgetragene Gaillarde „Muy Linda“ und „Come again, sweet love“ von John Dowland verströmen den Zauber früher englischer Musik aus dem elisabethanischen Zeitalter. Auch die Imitationen der „Kleinen Fuge in g-Moll“ geraten im Wechselspiel der Bläser zu einem filigranen Meisterwerk des Thomaskantors. Beifallsstürme.
Robert Schumann hat mit seinem Klavierzyklus „Carnaval“ seiner Ex-Verlobten Ernestine ein Denkmal gesetzt. „Paganini“ mit seinen Stakkato-Sechzehnteln, das melancholische „Arlequin“, das bravouröse „Chopin“ mit dem brillanten Tubisten Daellenbach und das Prestissimo „Papillon“ zeigen die Klasse der Musiker und lassen das Publikum staunen. Mit Virtuosität pur glänzt der junge Caleb Hudson auf seiner Piccolo-Trompete, mit der er dem Beatles-Song „Penny Lane“ funkelnde Glanzlichter aufsetzt.
Nach W.C.Handys „Beale Street Blues“ und „Amazing Grace“ folgt George Gershwins „It ain't necessary so“, das der Posaunist in rhapsodischer Form und mit Improvisationen gestaltet, „A woman is a sometime thing“ gehört dem Hornisten Eric Reed und Daellenbach an der Tuba. Aus ihrem Carmen-Zusammenschnitt machen die Musiker eine umwerfende Performance: Don José, Escamillo, Carmen und Micaela spielen ihre wilde Story, ausgerechnet der Senior Daellenbach muss sich im Stierkostüm zu Fall bringen lassen - Carmen hilft ihm galant wieder auf die Beine. Der Beifall will nicht enden, Zugaben müssen her. Den zungenbrecherischen „Flight of the Bumblebee“, den Hummelflug, schaffen die fünf in 80 Sekunden und mit einer geschickten Verschmelzung von „When the saints“ und Händels „Hallelujah“ verabschieden sich die Gäste aus Kanada im Dixieschritt von der Mainbühne.