"Ich, und wohl viele meiner Campingfreunde, sehen die Arbeit der Jäger seit heute wohl mit ganz anderen Augen. Nicht nur das Jagen, das Hegen und Pflegen ist ihnen wichtig, sondern auch die Sorge um das Tierwohl vor allem von Rehkitzen, die es präventiv vor dem Mähtod zu retten gilt." Beeindruckt und voller Respekt bedankte sich Gerhard Schmidt, Vorsitzender des Campingclubs Schweinfurt und Umgebung, bei Claudia Fella, die den Campern einen interessanten Einblick in die Rettung von Rehkitzen mit Hilfe einer Drohne vermittelte.
Unternahm der Campingclub in der Vergangenheit schon zahlreiche europaweite Fahrten wie etwa nach Polen, Bosnien, Sizilien oder Schottland, so war jetzt zur Coronazeit für fünf Tage der Zeltplatz in Wülfershausen das Ziel. Dort erläuterte die 45-jährige Claudia Fella den Campern ihre Motivation zur Rettung von Rehkitzen und berichtete über die erfreuliche und auch erfolgreiche Arbeit in diesem Jahr.
Nachdem sie Zeugin eines Wildunfalls geworden war und aus ihrem Auto heraus eine trauernde Rehmutter auf offener Flur beobachtet hatte, stand für sie fest, etwas zur Rettung von Rehkitzen zu unternehmen. Auf der Homepage des Jagdverbandes Marktheidenfeld stieß sie auf den Einsatz einer Drohne mit Wärmebildkamera. Ihr Interesse an Tier- und Pflanzenwelt veranlasste sie sogar, den Jagdschein zu erwerben. Mit viel Engagement konnte sie die Wülfershäuser Jagdgenossen von ihren Plänen überzeugen, die für den Ankauf einer Drohne im April 5000 Euro bereit stellten.
Tatkräftige ehrenamtliche Helfer
Eine Riesenüberraschung und eine ungeheure Bestätigung für ihr Vorhaben waren die nächsten Wochen: Im Mai hatten sich bereits 27 Personen bereit erklärt, bei den Rettungsversuchen mitzuhelfen und dabei ehrenamtlich – ohne die vorbereitenden Übungsstunden - insgesamt 440 Stunden abgeleistet. Das ist nicht selbstverständlich, denn die Suche nach den Jungtieren erfolgt immer in der Zeit von vier bis acht Uhr morgens. Zu dieser Zeit kann die Wärmebildkamera eingesetzt werden, da die Körpertemperatur der Tiere noch über der der Umgebung liegt.
Rehe "setzen" ihre Jungen meist in Wiesen und einige Meter von Waldrändern entfernt ab und suchen sie nur alle paar Stunden auf, um sie zu versorgen oder einen neuen Liegeplatz aufzusuchen. Da die Kitze in den ersten Tagen keinen eigenen Körpergeruch aussenden, gut getarnt sind und sich bei Gefahr abducken, sind sie vor Fressfeinden wie Fuchs oder Luchs, aber auch vor Hunden gut geschützt – nicht aber vor den Mähfahrzeugen, denn auch da verharren sie in ihrem Nest und werden dann meist stark verstümmelt oder sofort getötet.
"Piloten, Späher und Läufer" sind am frühen Morgen im Einsatz
Läuft dagegen alles nach Plan, können die Kitze gerettet werden. Landwirte melden dazu zwei Tage vor dem Mähen ihre Absicht an. Beim Absuchen der Wiesenfläche bedient ein "Pilot" die Drohne und versucht die Fläche möglichst lückenlos abzufliegen. Dazu, so Thomas Mützel, einer der "Piloten", fliege die Drohne in einer Höhe von etwa 15 Metern, von wo aus die Wärmebildkamera eine Fläche mit einem Radius von 15 Metern abbilden könne.
Gleichzeitig ist die volle Konzentration und das geschulte Auge zweier "Späher" gefragt, die, wenn sie auf dem Tablet ein entsprechendes Wärmebild entdecken, vier bis sechs "Läufer" per Handsprechgeräten an die entsprechenden Stellen lotsen. Falls ein Kitz gefunden wird, wird dieses vorsichtig mit Einweghandschuhen, die mit Grasbüscheln eingerieben werden, damit das Tier keinen menschlichen Geruch annimmt, mit einer Kiste außerhalb der Wiese abgesetzt. Dabei kommt es häufig vor, dass das Muttertier schon in der Nähe auftaucht und aufgeregt das ganze Geschehen beobachtet. Solch gelungene Rettungsaktionen seien, so Fella, wieder Ansporn und Motivation für kommende Einsätze, für die man auch das frühe Aufstehen gerne in Kauf nehme.
Begrenzende Kapazitäten verhindern mehr Kontrollflüge
Auf diese Weise konnten im Mai bereits 20 Jungtiere gerettet werden. Erfreulich für Claudia Fella ist die positive Resonanz, auch aus umliegenden Ortschaften, auf ihre Arbeit und die ihrer Helfer. So seien schon Anfragen für das Abmähen von 30 Hektar an einem Tag vorgelegen, doch das sei nicht zu stemmen, da sie am Tag nur etwa vier Hektar absuchen könnten, mit dem traurigen Ergebnis, dass wegen fehlender Kapazitäten vier Kitze bei Mäharbeiten getötet wurden. Deshalb ihr Ziel: Eine zweite Drohne anschaffen oder eine leistungsstärkere, mit der größere Flächen schneller abzufliegen sind. Zudem hofft sie, dass sich auch in anderen Orten, Natur- und Tierliebhaber zusammentun könnten, um dem Beispiel der Wülfershäuser zu folgen.
Die Camper überreichten Claudia Fella zu deren Überraschung eine Geldspende für den Verein "Rehkitzrettung Unterfranken e.V.", bei der sie als Vorsitzende agiert, mit dem Wunsch, dass vielleicht noch mehr Spenden auf dem Vereinskonto eingehen mögen, um deren sinnvolle Arbeit zu unterstützen.