„Ich kenne keine Flüchtlinge, ich kenne nur unterschiedliche Menschen“, sagte der Würzburger Studentenpfarrer Burkhard Hose bei seinem Vortrag im Kolping-Bildungszentrum. Der Friedenspreisträger war auf Einladung der Katholischen Erwachsenenbildung und des Bündnisses „Schweinfurt ist bunt“ nach Schweinfurt gekommen, um unter dem Motto „Ja zum friedlichen Zusammenleben der Kulturen – Nein zu Hass und Gewalt!“ von seinen Erlebnissen mit geflüchteten Menschen zu berichten.
Im Publikum fanden sich nur wenige aus den Kreisen derer, die die Fahne des besonderen Engagements im Asylbereich schwenken. Die erschreckend wenigen Zuhörer kamen aber in den Genuss eines interessanten, bewegenden Abends. Hose las Ausschnitte aus seinem Buch „Aufstehen für ein neues WIR“, berichtete von seinen persönlichen Begegnungen mit Bewohnern aus einer unter der Hand „Guantanamo“ genannten Notunterkunft in Würzburg.
Regelmäßig ermöglicht er einigen von lähmendem Warten unter zermürbenden Bedingungen leidenden Menschen Aufenthalte in seiner Privatwohnung. Ebenso wie viele weitere Freiwillige öffnet er seine Türen und versucht ein Stück Normalität zu geben, etwas Ruhe, etwas Privatsphäre. Interessante, überraschende, bereichernde, auch heitere Momente können dabei entstehen, etwa, wenn Vorurteile oder Klischees aufeinandertreffen, oder wenn man feststellt, dass der junge syrische Besucher in seiner Heimat den gleichen Wasserkocher hatte wie der Würzburger Pfarrer.
Hose belässt es jedoch nicht beim Wiedergeben von Erlebnissen oder Anekdoten. Vielmehr nimmt er diese zum Anlass einer persönlichen, politischen und philosophischen Reflexion. Woher kommt die Angst vor dem Teilen bei vielen, fragt er. Hat schon jemand auf etwas verzichten müssen? „Teilen ist einfach!“, sagt Hose; Emotionen und Erfahrungen von Menschen zu teilen, die aus Kriegsgebieten kommen, deren Familien möglicherweise noch dort leben, sei im Sinne von Anteilnahme die eigentliche Herausforderung.
Den Pfarrer treibt um, wenn junge Flüchtlinge Rosen verteilen müssen, um Deutsche davon zu überzeugen, dass sie keine potenziellen Gewalttäter sind. Ihn bewegt, wenn Flüchtlinge auf Grundbedürfnisse reduziert werden und eine Gruppenzugehörigkeit geschaffen wird, sind es doch Menschen vielfältigster Biografien, die zu uns kommen. Und er fordert mehr Wertschätzung für die Arbeit von Ehrenamtlichen: Wertschätzung, die sich allerdings in der Verbesserung der Arbeitsbedingungen manifestieren solle, nicht in prunkvollen Empfängen.
Nicht nur bei ihm habe sich das Nachdenken über christliche Werte intensiviert; auch seine muslimischen Freunde reflektierten ihren Glauben neu. Gebete und Frömmigkeit seien jedoch leere Hülsen, wenn man den Tod von Menschen auf dem Meer in Kauf nehme. Er wünsche sich ein christliches Abendland, das Menschen in Not hilft und nicht danach fragt, ob jemand Christ oder Muslim ist: „Ich pfeife auf ein christliches Europa, das sich abschottet!“, so sein engagiertes Statement.
Die folgende Diskussion beschäftigte sich unter anderem mit der Frage der (Nicht-)Anerkennung von syrischen Kriegsdienstverweigerern als politische Flüchtlinge. Dies nahm Burkhard Hose zum Anlass, die aktuelle Abschiebepraxis nach Afghanistan als wahltaktischen Kniefall zu brandmarken. Schutzbedürftigkeit dürfe nicht automatisch zu Verdächtigkeit führen, das Asylrecht sei vielfach ein Asylverhinderungsrecht.
Von Bündnis-Sprecher Frank Firsching gefragt, ob es christliche Werte gebe oder ob Werte nicht universell seien, stellte Hose fest, dass sich Werte nicht in einem Gottesbild ausdrückten, sondern in einer Ethik des Zusammenlebens. Ein Zuhörer sprach von Anmaßung, wenn eine Religion Werte für sich beanspruche. Auch politisches Engagement wurde gefordert, ein Nachdenken darüber, wo man bei Wahlen sein Kreuz setzt. Hose: „Wir müssen unsere Stimme erheben!“
Und wie geht man mit Menschen um, die unseren Konsens nicht teilen, die sich gegen alles abschotten, fragte der Leiter der Katholischen Erwachsenenbildung, Albrecht Garsky. Hose riet zum Gespräch über negative Erfahrungen und Ängste, auch zur Frage, ob man diese verallgemeinern dürfe. „Gehen Sie auf die Menschen zu, versuchen Sie Momente der Unterbrechung in deren Haltung aufzuspüren und für positive Erfahrungen zu sorgen“, so sein Appell.
Burkhard Hose: Aufstehen für ein neues Wir – adeo-Verlag, ISBN: 9783863341244