Wer in diesen Tagen der Kunsthalle Schweinfurt einen Besuch abstattet, kann inmitten der zahlreichen zeitgenössischen Kunstwerke eine ungewöhnliche Entdeckung machen: In einer Vitrine im Nordflügel präsentieren sich noch bis November verspielte Accessoires zu einer Frauenfesttagstracht aus dem Ochsenfurter Gau aus dem frühen 20. Jahrhundert. Das „Zeuch“, wie die Tracht hier auch genannt wird, hat sich keineswegs im Museum geirrt, die Objekte sind im Rahmen der Tauschausstellung „Kunst geht fremd“ als temporäre Gäste aus der Barockscheune Volkach nach Schweinfurt gelangt.
Mit dem heute weit verbreiteten „Oktoberfest-Dirndl“ haben die regionaltypischen Objekte wenig gemeinsam. Alter, sozialer Stand und Religion der Trägerin bestimmten Material, Schnitt, Farbigkeit und Auszier. Nicht zuletzt wegen ihrer identitätsstiftenden Wirkung wurden Trachten auch vom bayerischen Königshaus besonders gefördert. Spezialschneidereien fertigten die Trachten an, meist jüdische Kaufleute vertrieben sie, oft von Haus zu Haus oder auf Märkten. Eine verspielte Note bekamen die funktional-repräsentativen Trachten durch Bänder, Borten, Litzen, Knöpfe, Fransen, Perlen und Pailletten, die v. a. das Zubehör schmückten und modisch-neckische Akzente setzten.
Hier in Unterfranken entwickelte sich ab 1800 im Ackerbürgertum eine regionale Trachtenmode, die an vielen Stellen, wie etwa im Ochsenfurter oder auch im Schweinfurter Gau, eigene lokale Akzente setzte. Bis heute wird die Tradition der Trachten in Vereinen und Verbänden lebendig gehalten und in vielen Familien wird das „Zeuch“ von Generation zu Generation weitervererbt.
Nach einem harten Bruch mit der Tradition strebten die „jungen Wilden“ im Nordflügel der Kunsthalle, in deren Mitte die historischen Trachtenaccessoires auffällig kontrastieren. Die aufbegehrenden jungen Künstlergruppen suchten, anders als die Trachtenträgerinnen, in ihren Prinzipien eine Abkehr von der Vorgängergeneration. Dabei ergab sich ein spannungsvolles Nebeneinander von gemeinsamen Gruppenmerkmalen und individueller Formensprache. Interessanterweise verbindet eben dieses widersprüchliche Streben nach Gemeinschaft auf der einen und Individualität auf der anderen Seite die Kunst mit der Trachtenmode.