Diese Banane ist definitiv krank. Ihre untere Hälfte scheint tiefrot entzündet zu sein. Dazu kommen schimmelgrüne Pünktchen und eine Art Amöbenfüßchen: Auswüchse, die an die Zacken in der Krone einer 2020 viral gegangenen Pandemie-Mikrobe erinnern.
Doch wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch, in Form einer Impfspritze, die schräg oben in der Pelle steckt. "Impfbanane – Kunst heilt" nennt sich die aktuelle Street-Art-Aktion (und Karlsruher Ausstellung) des prominenten "Bananensprayers" Thomas Baumgärtel. Seit 1986 hat der Kölner Künstler an 4000 Wänden die gelbe Frucht hinterlassen, die bis vor kurzem, wie die heimische Kunst- und Kulturszene, noch gesund aussah.
Unter Schirmherrschaft von OB Sebastian Remelé haben der Schweinfurter Kunstverein und die Kunsthalle den Meister der Sprühdose 2021 (wieder) an den Main gelockt – wo er in den Jahren vor Covid-19 öfters zu Gast war. Vor einigen Wochen wurde das Leopoldina-Krankenhaus mit der Impfbanane verziert, ebenso manch Arztpraxis und Apotheke der Umgebung.
Der "deutsche Bansky"
Die Paradiesfeige, wie "La Banana" mal genannt wurde, sie war Symbol des Wirtschaftswunders (West) wie auch der neuen Freiheit (Ost), als Objekt der Begierde in der Wendezeit 1989/90. Aber auch Namensgeberin für "Bananenrepubliken" oder "Covergirl" bei Andy Warhol und Velvet Underground.
Nun wirbt der "deutsche Banksy" damit fürs Impfen, und zeichnet Orte aus, die sich im Kampf gegen das Coronavirus verdient gemacht haben. Für Institution Nr. 75, das Sankt-Josefs-Krankenhaus mit Krankenpflegeschule, sind zwei Exemplare vorgesehen – die nicht an die Wand gesprüht, sondern etwas dezenter auf Leinwand gesprayed werden.
Als Zivi bei den Ordensschwestern
Im Garten des Krankenhauses, das sich in Obhut der Kongregation der Erlöserschwestern befindet, erinnert sich Baumgärtel daran, dass es genau so mal angefangen hat: im Krankenhaus bei Ordensschwestern am Niederrhein, wo er als Zivi mitarbeitete. Eines Tages fiel ein Kruzifix herunter und der Heiland ab, Baumgärtel nagelte flugs seine Frühstücksbanane an.
Die süße Provokation fruchtete. Der junge Mann, Jahrgang 1960, beschloss, Künstler zu werden. "Sie war das schon von mir gewohnt", sagt der Sprayer zur gelassenen Reaktion der anwesenden Schwester. 20 Jahre später, als er bereits Bananen-Promi war, sei noch mal ein Brief der netten Nonne gekommen. "Man muss schauen, wie weit man gehen kann", lautet Baumgärtels Credo, wenn er krumme Dinger sprayt.
Einmal sei er in München inhaftiert worden, als er nachts das Innenministerium aufhübschen wollte, aber leider eine Polizeistreife aufmerksam wurde. Nun zückt er seine Dose vollkommen legal, damit sich verunsicherte Menschen ihre Impfdosis injizieren lassen: "Der einzige mögliche Weg aus der Pandemie."
Dank an die Pflegekräfte
Die Impfbananen sollen zugleich ein Dankeschön für die Pflegekräfte sein. Die Belegschaft im Haus wurde schon zu fünf Siebteln geimpft, dem knappen Anteil an Vakzinen für Schweinfurt zum Trotz.
Dr. Stefan Muffert und Iris Muffert-König vom Kunstverein sind live dabei, ebenso Jan Soldin für die Kunsthalle, sowie ("Darf ich mal sprayen?") Yvonne Riegel-Then als Personalleiterin des Krankenhauses, Elmar Pfister als Chef der Krankenpflegeschule oder Kathrin Kupka-Hahn, die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig zeichnet. Tatsächlich dürfen die Ehrengäste mitwirken, beim Auftragen der bunten Aerosole.
Nachdem urbane "Pop Art" spontan sein muss, wird am Ende sogar noch eine dritte Banane gesprüht, vors Büro der Personalleiterin: Direktor Norbert Jäger, der ebenfalls vorbeischaut, gefällt die Kunst am Bau.