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Schweinfurt
Büttenpredigt: Wie Breitenbach das Lachen in die Kirche brachte
Schon in der Bibel haben die Menschen gelacht. Und das ist gut so, sagt Pfarrer Roland Breitenbach. Er hat die Büttenpredigt in Schweinfurt etabliert – oft mit Gegenwind.
Pfarrer Roland Breitenbach bei seiner Büttenpredigt im vergangenen Jahr. Seit er 1974 die Pfarrstelle in St. Michael angenommen hat, holt Breitenbach zu Fasching die Narrenkappe heraus.
Foto: Anand Anders | Pfarrer Roland Breitenbach bei seiner Büttenpredigt im vergangenen Jahr. Seit er 1974 die Pfarrstelle in St. Michael angenommen hat, holt Breitenbach zu Fasching die Narrenkappe heraus.
Ursula Lux
Ursula Lux
 |  aktualisiert: 25.02.2020 02:10 Uhr

Christen leben aus der Frohen Botschaft heraus, allerdings warf ihnen schon der Philosoph Friedrich Nietzsche vor, sie müssten "erlöster aussehen". Das Lachen hat in den christlichen Kirchen viele Jahrhunderte lang ein Schattendasein geführt, obwohl schon in der Bibel gelacht wird. Pfarrer Roland Breitenbach ist einer, der das Lachen in der Kirche wieder hoffähig machte. Er weiß: "Humor und Lachen, das kann auch Lebenshilfe sein."

Als Breitenbach 1974 die Pfarrstelle in St. Michael annahm, begann er am Faschingssonntag Büttenpredigten zu halten. Denn "nicht nur die Wahrheit macht frei, sondern auch die Narrheit", erklärt Breitenbach. Gleich nach seiner ersten Büttenpredigt, in der er immer schon die Unzulänglichkeiten der Kirche und ihrer Vertreter auf die Schippe nahm, kam ein Mann auf ihn zu und empfahl ihm, er solle "aus der Kirche austreten". Damals ist der Satz entstanden, der Breitenbachs seelsorgerliches Wirken bis heute bestimmt: "Auftreten statt austreten".

Auch für viele seiner Kollegen waren die Büttenpredigten problematisch. "Zu viel Kritik, wenig Aufbauendes", warfen sie ihm vor. Ein Kurskollege fand das Ganze gar "zum Kotzen". Der Bischof selbst habe ihn nie auf die Faschingsgottesdienste angesprochen, erzählt Breitenbach, er hat nur noch den einen bischöflichen Satz im Ohr: "Breitenbach, einer genügt uns."

Seine Texte verschickt Breitenbach an Kollegen in ganz Deutschland

Damals war Breitenbach wohl der deutschlandweit der einzige Geistliche, der Büttenpredigten hielt, "weil sich die anderen nicht getraut haben", meint er. Es habe gut zehn Jahre gedauert, bis sich die ersten Nachahmer fanden. Breitenbach selbst hatte innerhalb kürzester Zeit seinen Fanclub. Bereits die erste Predigt wurde tausendfach angefordert. "Ich bin gar nicht mehr mit dem Liefern nachgekommen", erinnert sich der Priester. Inzwischen verschickt er die Büttenpredigt schon Wochen vorher an Kollegen, die sie dann in ihren Gottesdiensten halten. "Ich komm da gut auf 300 Predigten, die ich im Vorfeld verschicke", erklärt er.

Und weil viele anständig genug sind, den Autor der Predigt zu nennen, bekomme er auch aus allen Richtungen Rückmeldungen, "Überwiegend positive", betont er. Die Menschen spürten halt, dass man nur auf so humorvolle Weise Kritik an der Kirche üben könne, meint er.  Besonders gefreut hat ihn die Reaktion von Anselm Grün auf seine letzte Faschingsansprache. Der schrieb: "Mit deinen Büttenpredigten bist du jung geblieben, wie immer."

Bis ins 19. Jahrhundert gab es das Ostergelächter

Breitenbach weiß seinen Humor auch durchaus biblisch und kirchlich gedeckt. Schließlich heißt einer der Erzväter Israels  Isaak, "Gott hat gelacht". Diesen Namen hat ihm seine Mutter Sarah gegeben, weil Gott ihr mit 90 Jahren und ihrem Mann Abraham, der stolze 100 gezählt haben soll, noch einen Sohn verheißen hat – und Sarah lachte.

Auch in die christliche Liturgie hatte das Lachen insbesondere im Spätmittelalter Einzug gehalten. Vor allem in Bayern wurde von 14. bis zum 19. Jahrhundert der Brauch des Ostergelächters gepflegt. An Ostern erzählte die Pfarrer von der Kanzel herab Witze und lustige Geschichten, um die Gottesdienstbesucher zum Lachen zu bringen. So sollte die Osterfreude hörbar und der Sieg des Lebens über den Tod symbolisiert werden. Und schon damals war das Osterlachen nicht selten Anlass, humorvolle Kritik an der weltlichen oder kirchlichen Obrigkeit zu üben.

Von Halleluja zum ersten Helau auf dem Domplatz von Köln

Und noch etwas fällt Breitenbach zum Thema Lachen in der Kirche ein. Er weiß, dass es den Rosenmontag erst seit 1823 gibt und dass dieser auf dem Domplatz in Köln erfunden wurde.  Sofort entstand dort aus dem christlichen Halleluja, was so viel heißt wie "Gott sei Lob und Dank",  der Faschingsruf Helau, der sich schnell über das ganze Land verbreitete. Der Dompfarrer, der sich wegen des Missbrauchs des heiligen Platzes vor der großen Kirche verteidigen musste, soll damals von der Kanzel herunter gesagt haben: "Von einem sauertöpfischen Frommen wird die Frohe Botschaft Gottes niemals kommen." Das würde auch Breitenbach sofort unterschreiben. Er weiß, dass es keine leichte Sache ist, die Zuhörer zum Lachen zu bringen. Auch wenn die Wirklichkeit in Kirche und Welt nicht selten lachhaft sei. Aber seit 45 Jahren gibt Breitenbach nicht auf: Er will den Menschen ein Lachen ins Herz legen, den sauertöpfische Typen gebe es wahrlich schon genug und sie könnten die christliche Lebensfreude nicht repräsentieren, sagt er.

Und so gibt es auch heuer am Faschingssonntag wieder eine Büttenpredigt, die diesmal unter dem Titel "Nicht lachen in der Kirche? – Lachhaft!", steht. Der Gottesdienst beginnt um 10 Uhr und wird musikalisch von der Gemeindeband Funtasy begleitet. Die Kinder sind wieder eingeladen, im Kostüm zu kommen. Auch dies ist eine Tradition von Anfang an.

 
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Kommentare
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  • jutta.noether@web.de
    Hoffentlich wird Pfarrer Breitenbach 150 Jahre alt...
    Danke für diesen Mann!
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