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NIEDERWERRN
Bürgerwerkstatt Niederwerrn: Der Altort ist das Sorgenkind
Aufgepeppt per Klebepunkt: Über die künftige Entwicklung Niederwerrns machte sich eine Bürgerwerkstatt Gedanken.
Foto: Uwe Eichler | Aufgepeppt per Klebepunkt: Über die künftige Entwicklung Niederwerrns machte sich eine Bürgerwerkstatt Gedanken.
Von unserem Mitarbeiter Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 11.01.2016 11:37 Uhr

Diskutierende Grüppchen im Ratssaal, Foyer und Nebenzimmer, eine Pinnwand voller Ideen zur künftigen Entwicklung von Niederwerrn – ein Hauch von Basisdemokratie durchweht das Rathaus bei der Bürgerwerkstatt zur Ortsentwicklung.

„Wie möchten wir jetzt und in 15 Jahren in Niederwerrn leben?“ Diese und andere Fragen stellten sich über 30 Besucher zusammen mit Architekt Dag Schröder, der sich derzeit mit einem Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzept (ISEK) für den Ortsteil befasst. Das Bayreuther Büro GEO-PLAN steuert eine Analyse zur Einzelhandelsentwicklung bei.

„Das einzig Beständige ist der Wandel“, zitiert Schröder den antiken Philosophen Heraklit, was Stadtplanerin Julia Trapp mit Karten und Grafiken am Beispiel der Ortsentwicklung veranschaulicht. War Niederwerrn um 1800 noch ein 1000-Einwohner-Dorf, breitete es sich rasant entlang der Schweinfurter Straße aus. Vor allem ab 1925 gab es einen enormen Entwicklungsschub, bevor dann im Norden neueste Siedlungsflächen erschlossen wurden: Erst in den letzten Jahren habe ein Ende des natürlichen Wachstums eingesetzt, stellt die Referentin anhand der Geburts- und Sterbedaten fest – infolge gesellschaftlicher Alterung: „Das Wachstum steht in Zukunft in Frage.“

Bürgermeister Peter Seifert sieht das relativ: Das neue Pflegeheim beeinflusse mit seinen Sterbefällen schon die Statistik, ebenso die US-Armee.

Viele Leerstände

Geograf Tobias Hofmann stellte die Ergebnisse einer Fragebogenaktion vor, mit Antworten von Betrieben und Haushalten. Der Altort ist das Sorgenkind in puncto Einzelhandel und drohender Verödung. In der Sprache der Stadtplaner heißt das: „geringe Nutzungsdichte“, „schwache Handelsfunktion.“ Nur 1,3 Prozent der befragten Haushalte kauften im Altort ein, es fehle ein Zentrum und Gastronomie, auch bei Leerständen gebe es einen „gewissen Handlungsbedarf“.

Der große Neuort verfügt wiederum über zwei Lebensmittelmärkte und weiteren Einzelhandel im benachbarten Stadtteil Hainig. Über 93 Prozent betrachten die Grundversorgung als ausreichend, auch wenn sich das Marktgebiet letztlich auf die eigene Gemeinde beschränkt, 87 Prozent kaufen hier mindestens einmal wöchentlich ein. Aufhorchen lässt das lokale Umsatzpotenzial von 42 Millionen Euro, von denen immerhin 30 Prozent vor Ort verbleiben.

Marginal sei der Anteil der US-Armee am Einzelhandel, so Hofmann: 2,6 Prozent. Alles in allem sieht er Niederwerrn als „Standort mit hoher Lagegunst“, guter Nahversorgung und Infrastruktur – allein der Altort bedürfe der Stärkung.

Drei Workshops beschäftigen sich damit, mit Einzelhandel sowie dem Leben in den Siedlungsgebieten, es wird durchgewechselt. Hinterher wird zusammengefasst und mit Klebepunkten auf den Karten gewichtet, was die Bürger als „Experten des Alltags“ beizutragen haben: Der Altort hat historischen Reiz, berichtet Schröder, droht bei der Aufenthaltsqualität aber abgehängt zu werden. Mehrgenerationenhaus, Rundweg, Museum und die Sanierung etwa des „Judenhofs“ könnten Impulse geben.

Zweischneidig sei die Nähe zur Stadt, fasst Trapp die Eindrücke zu den Siedlungen zusammen. Ob der starken, auch beruflichen Ausrichtung auf das Oberzentrum komme der Bezug zur Gemeinde oft zu kurz, Wohnblocks und Einfamilienhäuser sind ebenfalls untereinander getrennt. Ein eigenes „Nordringfest“ zur Integration, verbesserte Busanbindung an die Stadt (vor allem zum Bahnhof) oder eine verkehrsberuhigte Hainleinstraße stehen hier auf der Agenda.

Einzelhandelstechnisch fühlen sich die Niederwerrner gut versorgt, fasst Tobias Hofmann zusammen. Unklar ist allerdings die Betriebsnachfolge bei Bäckern oder Metzgern, sind künftige Leerstände und medizinische Versorgung. Vielen fehlt die klassische Dorfwirtschaft, auch Freiluftgastronomie wird nachgefragt, ein Seniorenheim oder Brauereisee, eine Marktplatz-Belebung, ebenso ein Übergang zwischen Alt- und Neuort im Umfeld der Bibliothek.

Die gesammelten Vorschläge sollen als Entscheidungsgrundlage für den (neuen) Gemeinderat dienen, sagt Bürgermeister Seifert. Bis Jahresende soll das ISEK stehen.

 
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