
Die Theaterprobe beginnt mit klassischen Aufwärmübungen. "Sich locker machen" nennt es Michael Gröger vom Regieteam der Bürgerbühne Wipfeld. Dehnen, gähnen und ausklopfen lautet das Motto. Mit weiteren Artikulations-, Konzentrations- und Reaktionsübungen stimmen sich Stefan Baumgärtner, Trevor Coleman, Conny Fritz-Fischer, Jule Halbig und Sandra Weppert auf die Schauspielprobe ein. Aus dem Bauch heraus soll es kommen, fordert Gröger, um alle Nerven zu sensibilisieren.
Mit "Warten auf Tränengas" steht das neuste Theaterprojekt der Bürgerbühne Wipfeld auf dem Programm – ein zeitgenössisches Stück von Andreas Sauter und Bernhard Studlar mit gesellschaftspolitischer Sprengkraft, wie schon die erste Szene zeigt, die gerade geprobt wird.
Am Samstag, 23. November, ist Premiere, zwei weitere Aufführungen folgen, diesmal nicht auf der vereinseigenen Bühne hoch oben am Kirchberg, sondern im neu entstehenden "Werk Ost", das die Wipfelder Firma Elektro Schneider der Bürgerbühne für die neuste Inszenierung überlassen hat – mit erweitertem Platzangebot für jeweils knapp 100 Theaterbegeisterte.
Die Proben laufen seit Anfang September. Nach einer längeren Pause steht mal wieder die Eröffnungsszene auf dem Plan und das Regieteam – neben Gröger sind das Martina Scheuring und Bernd Schneider – zeigt sich bei einer ersten kritischen Unterbrechung begeistert von der "tollen Textsicherheit" der fünf Schauspielenden.
Regieanweisungen werden sofort umgesetzt
Kritisiert wird übrigens nach der "Sandwichmethode", wie Martina Scheuring augenzwinkernd verrät: zwischen zwei Lobe wird eine Kritik verpackt. Die trifft diesmal den fiktiven Präsidenten (Trevor Colemann), der sich etwas anders platzieren soll. Colemann setzt die Anmerkung sofort um, schließlich, stellt er fest, sind dafür die Regisseure ja da.
Chefdramaturg und künstlerischer Kopf ist Stefan Volkmuth, der etwas später zur Probe kommt. Bei der Auswahl des Stückes standen wohl auch eine Komödie und Schirachs "Terror" zur Diskussion, doch die Entscheidung fiel schließlich auf "Warten auf Tränengas" und damit auf ein Stück, das wieder auf eindringliche Weise dem Anspruch der Bürgerbühne Wipfeld gerecht wird.
Die hat es sich ja seit 2018 zur Aufgabe gemacht, dem Publikum im ländlichen Raum mit zeitgenössischen Inszenierungen zu gesellschaftsrelevanten Themen ein intensives Erlebnis zu bescheren. Und das gelingt auch diesmal: Die Handlung des etwa zweistündigen Stückes ist krass und zeigt auf dramatische Weise, wie sich die Gesellschaft in Krisenzeiten auch in einem demokratischen Land rasant und radikal verändern kann.
Zum Auftakt der Probe stehen die vier Schauspielenden mitten im Raum, aus dem Off ertönt die Stimme Conny Fritz-Fischers. Recht schnell wird bereits im Verlauf der ersten Szene klar, wer welche Haltung innerhalb der Gesellschaft vertritt.
Viele Helfer auch hinter der Bühne
Die Stimmung ist gut, die Probe läuft bestens; ab und an unterbricht ein "Stopp" der Regisseure die Szene, dann wieder kommt bei einem der wenigen Texthänger Souffleuse Petra Schneider zum Einsatz. Etwa 35 Wipfelderinnen und Wipfelder sind für die neuste Inszenierung auf, vor und hinter der Wipfelder Bürgerbühne aktiv. Neben Schauspielenden und Regie gibt es noch eine Stimmtruppe, die das Geschehen von außen kommentiert, dazu eine Kostümgruppe, Bühnenbildner, Techniker und Produktionsverantwortliche.

Das Regieteam ist neu, besteht jedoch aus erfahrenen, Theater erprobten Schauspielakteuren der Bürgerbühne, die nun das Agieren "auf der anderen Seite", wie es Martina Scheuring umschreibt, als spannend, aber doch auch ungewohnt und "manchmal schwieriger als gedacht" erfahren.
Mit Jule Halbig, Sandra Weppert und Trevor Colemann stehen dazu drei Neulinge auf der Bühne – für die Verantwortlichen ein schönes Zeichen, dass "die Bürgerbühne wächst und die Menschen begeistert". Alle haben sich dem sogenannten Casting gestellt und ihre Rolle bekommen. Eine tolle Erfahrung, die aber auch mit der fortschreitenden Probenintensivierung ihren Tribut fordert, wie sie feststellen: im Privatleben, der Arbeit, bei Kindern und den Partnern, die allerdings alle hinter den schauspielerischen Ambitionen stehen – die Bürgerbühne, sind sich alle einig, ist eine schöne Gemeinschaftsleistung.
Die Premiere von "Warten auf Tränengas" findet am Samstag, 23. November, im neu entstehenden "Werk Ost" der Firma Elektro Schneider (Lindenstraße 5, vormals Schreinerei Eduard Schneider) statt, weitere Aufführungen folgen am 27. und 30. November. Tickets und Reservierungen ab sofort unter www.buehne-wipfeld.de