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SCHWEINFURT
Brustkrebs: Eine Betroffene erzählt
Wegen ihrer Kinder möchte Angelika B. anonym bleiben. Auf dem Foto trägt sie ihre Perücke. Am zehnten Tag der ersten Chemotherapie waren ihr die Haare ausgefallen. Die wachsen nach, bei vielen schöner als vorher, hat man ihr gesagt.
Foto: FOTO Katharina Winterhalter | Wegen ihrer Kinder möchte Angelika B. anonym bleiben. Auf dem Foto trägt sie ihre Perücke. Am zehnten Tag der ersten Chemotherapie waren ihr die Haare ausgefallen.
Von unserem Redaktionsmitglied Katharina Winterhalter
 |  aktualisiert: 22.10.2007 03:07 Uhr

Eigentlich hätte Angelika B. kein Problem damit, ihren Namen zu nennen. Wegen ihrer Kinder hat sie sich dagegen entschieden. Sie möchte nicht, dass die beiden im Dorf oder in der Schule auf die Krankheit ihrer Mutter angesprochen werden. Obwohl sie natürlich Bescheid wissen. Kurz nach der Operation hat der Vater erzählt, dass die Mama am Brustkrebs operiert wurde und für ein halbes Jahr behandelt wird.

Vorsorglich, wie Angelika B. betont. „Ich bin nicht krank“, sagt sie im Lauf des Gespräches immer wieder. Der Tumor wurde total entfernt, die Lymphknoten sind frei, es gibt keine Metastasen. Schon kurz nach der Entlassung aus dem Krankenhaus hat sie sich entschieden, mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. Um anderen Frauen zu sagen, wie gut sie im Leopoldina behandelt wurde. „Ich wusste auch erst einmal nicht wohin“, sagt Angelika B. Ihr Hausarzt empfahl das Brustzentrum am Leopoldina.

Übelkeit und Schwäche

Das Gespräch findet eine Woche nach der zweiten Chemotherapie statt. Angelika B. fühlt sich noch ein wenig schwach, aber damit hat sie gerechnet. Nach der ersten Chemo, hat man ihr gesagt, ist einem schrecklich übel, nach der zweiten fühlt man sich schlapp, nach der dritten kann man Bäume ausreißen. Naja, vielleicht Bäumchen, schränkt sie ein und erzählt, wie alles angefangen hat, vor gut drei Monaten.

Ende Juni geht die 43-Jährige zum Frauenarzt, wegen Schmerzen im Unterleib. Der entdeckt eine Zyste und bestellt seine Patientin drei Wochen später zur Kontrolle. Er macht die Krebsvorsorge und ertastet in der linken Brust einen Knoten. Das könne auch eine Gewebsveränderung aufgrund hormoneller Schwankungen sein, sagt er und empfiehlt zur Abklärung eine Mammographie. Was der Facharzt dabei sieht, gefällt ihm nicht, erinnert sich die 43-Jährige. Er empfiehlt eine Gewebeprobe, Stanzbiopsie genannt und macht gleich einen Termin im Leopoldina aus. Zehn lange Tage muss Angelika B. auf diesen Termin warten. Tage, in denen ihr eigentlich schon klar ist, dass sie einen Tumor in der Brust hat.

Wie im falschen Film

Unter örtlicher Betäubung werden ihr fünf Gewebeproben entnommen. Noch während sie auf der Liege liegt, sprechen die Ärzte mit ihr über die verschiedenen Möglichkeiten der Therapie. Entweder erst Chemo und dann OP oder umgekehrt. Das Wort Brustkrebs fällt an diesem Tag nicht, das Ergebnis der Gewebeuntersuchung liegt erst Tage später vor. Aber offensichtlich ist alles klar. Angelika B. fühlt sich wie im falschen Film. Sie hört zu, sie gibt Antwort, aber zwischendurch fragt sie sich: von wem reden die da?

Die Operation wird auf Donnerstag, 2. August festgelegt. In den Tagen vorher spricht ihr Mann mit den Kindern, erzählt, was bei der Operation passiert und dass der Mama nach der Chemotherapie die Haare ausfallen. Die beiden, neun und elf Jahre alt, haben Angst, weil ihr Opa an Krebs gestorben ist.

Suche nach den Wächterknoten

Drei Tage vor der OP geht Angelika B. mit ihrem Mann zur Besprechung. Alle sind freundlich, die Ärzte antworten auf jede Frage, nehmen ihre Ängste ernst. „Ich hab' mich als Mensch gefühlt“, sagt sie. Trotz ihrer Ängste fühlt sie sich gut vorbereitet. Einen Tag vor der OP stehen etliche Untersuchungen an, vor allem die wichtige nach den Wächterknoten. Für jedes Areal in der Brust ist eine bestimmte Gruppe Lymphknoten unter der Achsel zuständig. Mit Hilfe von radioaktivem Material, das in das betroffene Brustgebiet gespritzt wird und sich in den entsprechenden Knoten anreichert, lassen sich diese finden. Im Gegensatz zu früher, wo vorsorglich alle Lymphknoten entfernt wurden, müssen so nur die „zuständigen“ entfernt werden. Bei Angelika B. hat der Arzt große Mühe, sie zu entdecken und bittet sie am nächsten Morgen noch einmal zur Untersuchung. Er findet die Wächterknoten. Als Angelika B. aus der OP erwacht, tastet sie als erstes nach ihrer Brust. Erleichterung, sie ist noch da. Einen Tag später hat sie das Ergebnis: der Knoten hatte drei Zentimeter Durchmesser, die Lymphknoten sind nicht befallen. „Das ist wie ein zweiter Geburtstag“, sagt die 43-Jährige. Die Ärzte raten ihr zu einer kombinierten Behandlung: sechs mal Chemotherapie im Rahmen einer Studie, die zwei wirksame Therapien miteinander vergleicht. Dafür lässt sie sich einen so genannten Port unter die Haut setzen, über den die Infusionen gegeben werden. Anschließend folgen 30 Bestrahlungen und Hormontherapie für fünf Jahre.

Die erste Chemotherapie muss verschoben werden, weil Angelika B. starken Husten hat. Dann ist es soweit, sie wird an die Infusion angeschlossen. Nach wenigen Stunden wird ihr schrecklich übel, sie muss die ganze Nacht erbrechen. Die Schwestern kümmern sich liebevoll. Am nächsten Tag kann Angelika B. nach Hause, sie muss sich schonen. Von Tag zu Tag wird die Übelkeit weniger. Sie lernt, Hilfe anzunehmen. Mann und Kinder putzen, die Schwiegermutter kocht und macht die Wäsche.

Zehn Tage nach der OP fallen ihre Haare aus. Ihr Mann hat Geburtstag, sie sitzen am Tisch. Angelika langt sich in die langen Haare und hat plötzlich Büschel in den Hand. Ein Schock, obwohl sie darauf vorbereitet ist. Sie fährt zur Friseurin im Leo, lässt sich die restlichen Haare ganz kurz schneiden und sucht sich eine Perücke aus. Das Rezept gab es gleich nach der OP. Die Perücke sieht gut aus, aber an das Gefühl auf dem Kopf muss sie sich erst gewöhnen und die Kinder an den Anblick ihrer Mutter. Inzwischen setzt Angelika B. die Perücke nur auf, wenn sie aus dem Haus geht. Zuhause trägt sie Tücher.

Heftige Panikattacke

Auch bei der zweiten Chemo will Angelika B. die Nacht im Leo verbringen. Wie schlecht es ihr gehen wird, ahnt sie im Voraus nicht. Sie bekommt eine heftige Panikattacke. Jetzt, eine Woche später, weiß sie, die Belastung war einfach zu groß. Sie hat sich vorgenommen, die Hilfe der Psychologin im Brustzentrum in Anspruch zu nehmen. Und später vielleicht in eine Selbsthilfegruppe zu gehen. Aber erst kommt noch viermal Chemo, Bestrahlung, Reha. „Alles vorsorglich“, sagt sie, „ich bin ja nicht krank“.

Daten & Fakten

Jede elfte Frau in Deutschland erkrankt an Brustkrebs. 40 Prozent sind unter 60 Jahre alt. Vor 20 Jahren bedeutete diese Diagnose noch in jedem Fall Brustamputation. Die Zeiten haben sich geändert, vor allem seit es in Deutschland die zertifizierten Brustzentren gibt. Eines davon besteht am Leopoldina-Krankenhaus: das Brustzentrum Schweinfurt-Mainfranken. Weitere Infos: brustzentrum@leopoldina.de. Die Brustsprechstunde findet montags und donnerstags ab 13 Uhr statt, nach Voranmeldung, TEL (0 97 21) 72 0 21 34.

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