Sie sind selten geworden, die inhabergeführten Fachgeschäfte. Immer mehr verschwinden entweder ganz vom Markt, oder gehen auf als weitere Filiale irgendeiner großen Kette. Dies trifft Boutiquen und Schuhgeschäfte genauso wie Optiker. Insoweit ist das Unternehmen Wolf-Jüttner in der Bahnhofstraße in Gerolzhofen eine kleine Seltenheit. Das Brillengeschäft existiert als Familienbetrieb seit mittlerweile 75 Jahren und hat vor fünf Jahren noch eine Filiale in Wiesentheid eröffnet. Es ist das letzte von zuletzt drei inhabergeführten Optiker-Geschäften in Gerolzhofen, das seine Selbstständigkeit bewahrt hat. Und dabei darf es gerne bleiben, sagen die Besitzer, die sieben Angestellte beschäftigen.
Stephan Jüttner (44) und seine Frau Nina Jüttner (40) führen das Stammgeschäft in Gerolzhofen sowie die Filiale in Wiesentheid. Die Mutter des Inhabers, Brunhilde Wolf-Jüttner, hilft noch immer im Laden mit, trotzdem sie mittlerweile 73 Jahre alt ist. Sie war im Jahr 1969 als Augenoptikergesellin in das im Jahr 1947 von ihrem Vater, Uhrmachermeister Philipp Wolf, zusammen mit ihrer Mutter, Zita Wolf, gegründete Unternehmen eingestiegen. Zunächst war es eine Uhrmacherwerkstatt, die bereits 1949 um ein Ladenlokal für Uhren und Schmuck erweitert wurde. Als Brunhilde Wolf-Jüttner 1973 ihre Prüfung zur Augenoptiker-Meisterin bestanden hatte, wurde das Geschäft um eine Augenoptik-Abteilung erweitert. In dieser Konstellation besteht der Laden bis heute.
Auf die Beratung kommt es an
Doch was macht seinen Laden nun im Vergleich zu anderen Optiker-Geschäften aus, was ist dort anders, als in der Zweigstelle einer großen Kette? Denn schließlich sitzen auch dort ausgebildete Optiker. "Wir beraten Kunden ganz anders", sagt Stephan Jüttner, der im Jahr 2005 sein Examen zum Diplom-Ingenieur Augenoptik bestanden hat und im Jahr 2017 zusammen mit seiner Frau in das Familienunternehmen eingestiegen ist. "Wir bieten auch grundsätzlich mehr Service", ergänzt seine Mutter Brunhilde Wolf-Jüttner, die als Senior-Chefin mit am Tisch sitzt. Kleine Reparaturen an Brillen, oder auch das schnelle Auswechseln einer Uhren-Batterie, das mache nicht mehr jeder. Sie schon.
Was das Fachgeschäft in Familienhand ebenfalls von Großunternehmen mit -zig Filialen unterscheidet: Es beteiligt sich nicht an irgendwelchen Rabattschlachten, die Kunden letztlich oft nur hintergehen, wie Stephan Jüttner meint. "Denn wie soll ich einem Kunden verständlich machen, dass eine Brille in dieser Woche soundsoviel kostet, in der folgenden Woche aber zu einem 'Hammerpreis' zu haben ist, der deutlich darunter liegt?"
Schnäppchenjäger sind falsch am Platz
Jüttners Philosophie zufolge könne er als Optiker, der gut und offen berät, nicht mit extremen Preisschwankungen werben. Dies wäre dem Kunden gegenüber nicht ehrlich. "Unsere Preise sind immer fair kalkuliert", sagt er. Und inzwischen verstünden auch wieder mehr Kunden als noch vor einigen Jahren, dass Qualität einfach ihren Preis hat und normalerweise nicht als Schnäppchen zu haben ist.
Überhaupt sollte es in der Beratung der Kunden nicht in erster Linie um die Frage des Preises gehen, sondern vielmehr darum: Was wird benötigt? Und auf dieser Basis könnten dann unterschiedliche Varianten verglichen werden. Denn auch die Lieferanten, die – was den Jüttners wichtig ist – strenge Kriterien zur Nachhaltigkeit und zur Herkunft ihrer Rohstoffe einhalten, haben nicht nur Premiummodelle im Sortiment, sondern auch preisgünstigere, wie Brunhilde Wolf-Jüttner sagt. Und hierzu müssten beispielsweise Brillenfassungen nicht aus Ländern stammen, wo unter fragwürdigen Bedingungen produziert wird. Sie selbst beziehen ihre Ware "fast nur aus Europa", sagt Stephan Jüttner. Deshalb litten sie aktuell, anders als andere, auch nicht unter Lieferengpässen, weil ihre Bestellungen nicht in irgendeinem Überseehafen festhängen.
Brillen unterliegen dem Modegeschmack
Was zur Brillenberatung zwangsläufig dazu gehört, das ist die Frage des individuellen Geschmacks. "Die Brille ist das Erste, was dein Gegenüber an deinem Gesicht wahrnimmt", beschreibt es Stephan Jüttner. Deshalb ist eine Brille immer auch Modetrends unterworfen. Waren bis vor sieben, acht Jahren massive Fassungen aus dunklem Kunststoff stark gefragt, waren es danach eher runde, goldfarbene Fassungen, also eher klassische Modelle, beschreibt der Optiker den Wandel. Aktuell seien wieder Brillenfassungen aller Art gefragt, was ihn persönlich freut, denn da ließe sich sehr individuell beraten.
Mit Blick in Richtung Italien und Frankreich, wo Modetrends oft etwas früher aufschlagen als hierzulande, sieht Jüttner wieder die breite, massive Kunststoff-Fassungen auf dem Vormarsch, allerdings in allen Farben, nicht mehr fast ausschließlich als schwarze Modelle.
Das Teuerste muss nicht das Beste sein
Was in seiner Arbeit als Optiker zunehmend an Bedeutung gewinnt, das sei die Beratung des Sehens, sagt der 44-Jährige. Denn die multimediale Beanspruchung der Augen nehme weiter zu. Und dies erfordere bei der Auswahl der wirklich passenden Sehhilfe nicht nur eine breite Qualifizierung, sondern auch modernste Technik, die sie glücklicherweise auch hätten. "Das macht dann wirklich Freude, hinterher das Ergebnis zu sehen", sagt Nina Jüttner. Ziel sei es für sie immer, für die Kunden nicht das teuerste Produkt auszusuchen, sondern das zu empfehlen, was am besten passt.
Während die Kunden beim Brillenkauf nach der Wahl der passenden Fassung darauf vertrauen müssen, dass der Optiker auch die Gläser so bearbeitet, dass alles passt, sieht es beim Schmuck- und Uhrenverkauf etwas anders aus. Hier, abseits ihres Kerngeschäfts mit Brillen, komme es vor allem darauf an, den Kundengeschmack zu treffen, schildert Stephan Jüttner. Deshalb achte man auch darauf, zumindest ein so großes Sortiment zu haben, dass es eine echte Auswahl gibt. Auch auf Modetrends wird beim angebotenen Schmuck geachtet. Großer Wert wird auch hier auf Qualität sowie die Herkunft gelegt. So stamme beispielsweise das Gold für den Schmuck von Händlern, die das Edelmetall unter nachweislich fairen Arbeitsbedingungen gewinnen.
Ich hoffe, ich habe nicht wieder irgenwelche Verhaltensmerkmale überschritten.