Zum Artikel "Ist die alte Gartenstadt bald Geschichte?" vom 23. März erreichte die Redaktion folgende Zuschrift:
Als „alter Gartenstädter“ bin ich entsetzt über die Pläne des Bauvereins, das gesamte bauliche Ensemble zwischen der Galgenleite und der Fritz-Soldmann-Straße abzureißen und durch „zeitgemäße und moderne“ Wohngebäude zu ersetzen.
Wie diese neuen Gebäude aussehen werden, kann man sich in den Neubaugebieten an der Eselshöhe und Askren Manor anschauen: kubische neue Sachlichkeit mit Flachdach - in Neubaugebieten durchaus angebracht und gestalterisch akzeptabel, aber nicht in einem über hundert Jahre gewachsenen Stadtteil. Der Charme unserer Gartenstadt besteht gerade in der Kleinteiligkeit mit Doppelhäusern, Reihenhäusern und bezahlbaren Mietwohnungen aus dem sozialen Wohnungsbau sowie großzügigen Gärten und Grünflächen.
Durch den Generationswechsel ziehen zunehmend junge Familien in die Gartenstadt, weil hier noch bezahlbare Häuser angeboten werden, die mit viel Eigeninitiative zeitgemäß umgebaut und energetisch saniert werden. Noch vor wenigen Jahren wurde zum 100-jährigen Jubiläum des Bauvereins gerade dieses Quartier, das nach der städtebaulichen Planung von Theodor Fischer entstand, als zur damaligen Zeit herausragendes Beispiel städtebaulicher Entwicklung gefeiert.
Wie das Landesamt für Denkmalpflege dieses Ensemble einschätzt, ist leider nicht bekannt. Auffallend ist jedoch, dass in den letzten Jahrzehnten offenbar bewusst und mit Hinblick auf einen möglichen Abbruch praktisch nichts mehr in die Bausubstanz investiert wurde und die Gebäude in Zeiten prekärer Wohnungsnot praktisch entmietet wurden. Architekt Stefan Schlicht hat erst vor kurzem in einem Interview dieser Zeitung Klartext geredet, Zitat: "Warum wir uns es nicht mehr leisten können, alles abzureißen". Der Wert vorhandener Bausubstanz sowie die erheblich gestiegenen Kosten für den Abbruch und die Entsorgung von Bauschutt werden bei der Wirtschaftlichkeit von Sanierungsmaßnahmen praktisch nicht berücksichtigt.
Der Bauverein vertut hier die Chance, unter Berücksichtigung ökologischer und sozialer Gesichtspunkte, eine mustergültige Sanierung umzusetzen und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Durch den Abbruch der Gebäude in der Gartenstadtstraße und in der Fritz-Soldmann-Straße wurden ohne städtebauliches Gesamtkonzept Fakten geschaffen, die leider nicht mehr rückgängig zu machen sind.
Günter Tempel
97424 Schweinfurt