
Im Mai 1981, also vor vier Jahrzehnten, schloss die weit über die Grenzen von Dingolshausen hinaus bekannte Brauerei Hümmer ihre Pforten. Einer, der dort an der Entstehung von gutem Bier beteiligt war, ist Rudolf Zehner. Er kann sich noch gut an die damalige Zeit erinnern.
Beim Termin mit ihm fängt er sogleich das Erzählen an. "Wir hatten in Spitzenzeiten bis zu 37 Sude pro Woche", erinnert sich der ehemalige Brauer. Er kam im Jahr 1965 nach seiner Ausbildung als Brauer und Mälzer nach Dingolshausen zur Brauerei Hümmer. "Oft ging es schon am Sonntag los", sagte er. "Einige Zeit brauten wir sehr viel Malzgetränke. Diese Malzgetränke unter dem Namen 'Aktiv Malztrunk' sind nach Afrika exportiert werden", so Zehner. Der heute 74-jährige hatte seinerzeit sehr gern das Pils 81 getrunken.
Ältere Menschen schworen oft auf das Märzen, denn "das war nicht so bitter, aber würziger". Junge Menschen tranken lieber Pils, erinnert er sich. Die vergangenen zehn Jahre war Zehner als Biersieder tätig, "im Schichtbetrieb", wie er sagt. Denn: "Es wurde rund um die Uhr Bier gebraut."
Gerücht deutet auf Geldprobleme hin
Im Jahr 1979 ging dann das Gerücht um, dass benötigte Rohstoffe nur noch "gegen bar" angeliefert werden sollten. Nach einem Vier-Augen-Gespräch mit dem Baruerei-Chef blieb Zehner dennoch skeptisch und wechselte im März 1979 zur heute noch bestehenden Brauerei Düll in Krautheim.
Doch das Schicksal der Brauerei Hümmer schien seinerzeit bereits besiegelt. Zum Ende der Brauerei trugen nach Meinung Zehners die weiten Auslieferfahrten bei, die bis nach Hamburg oder Berlin führten, und der damals niedrige Bierpreis.

Einmal traf Zehner noch auf den letzten Brauereibesitzer, Erwin Theodor Hümmer. Im Jahr 2004 besuchte dieser die Brauerei Düll. Dort unterhielten sich Zehner und Hümmer nochmals über die alte Zeit. "Der letzte Besuch war wie ein Abschied aus dem Leben", sagt Zehner. 2005 starb Erwin Theodor Hümmer. Aber auch an dessen Vater, Adolf Hümmer, denkt Zehner gerne zurück:" Er war wie ein Vater zum Personal."
Zeit war noch nicht reif für alkoholfreies Bier
Der Gerolzhöfer Johannes Kram, der heute bei der Brauerei Düll beschäftigt ist, kann sich ebenfalls noch gut an seinen Ausbildungsbetrieb erinnern. "Als ich 1973 meine Lehre als Industriekaufmann begann, war gerade das alkoholfreie Bier seit einem Jahr in der Produktion", sagt er. "Zur damaligen Zeit war das eigentlich eine Sensation, aber für die Akzeptanz in der Bevölkerung eigentlich zehn bis 15 Jahre zu früh", ist sich Kram heute sicher. Was er bewunderte, war die Sortenvielfalt der Brauerei Hümmer. "Helles, Pils, Export, Champagner-Weißbier, um nur einige zu nennen." Auch erwähnt er außergewöhnliche Produkte, wie das Diät-Pils oder auch Diät-Altbier.
Was ihm damals auffiel, war, "dass die Brauerei einen enormen Handel an Fremdbieren tätigte". Auch hier nennt er Produkte, unter anderem die damaligen DDR-Biere Wernesgrüner, Radeberger und Köstritzer. Beachtliche Mengen des alkoholfreien Biers und des Malztrunks wurden damals über Exportfirmen von Hamburg aus nach Saudi Arabien und nach Nigeria vertrieben, berichtet Kram. "Das letzte überzeugende Bier war das Pils 81", findet er.
An einem Bierkrug hängen die Erinnerungen
Gut kann sich Kram noch an eine Erfahrung mit Erwin Theodor Hümmer erinnern. Als er als Lehrling Beifahrer bei einer Auslieferung war und abends spät in die Brauerei kam und dort Hümmer bat, seinen Vater zu verständigen, damit dieser ihn abholen kommt. Da reichte ihm Hümmer einen wunderschönen Krug mit den Worten "da hast'de mal an Krug". Diesen hält Kram wie viele andere Erinnerungsstücke in Ehren. Verantwortlich für das Ende der Brauerei war für Kram der enorme Preisdruck der großen Mitbewerber.
Auch der gebürtige Dingolshäuser Wilfried Zachmann, der heute in Herlheim wohnt, hat viele Erinnerungen an die Brauerei Hümmer, wo er Versandleiter war. Erwin Theodor Hümmer wollte "Umsatz um jeden Preis", sagt Zachmann. Der bereits verstorbene Mundartdichter Alexander Sendner und er hatten Hümmer vorgeschlagen, Bier nur noch in einem Umkreis von bis zu 200 Kilometer zu liefern. "Das lehnte er (Hümmer) ab", erinnert sich Zachmann.
Noch wichtiger als Umsatz ist der Gewinn
Der Bruder von Hermine Hümmer, der bei der Brauerei Egerer in Großköllnbach in Niederbayern arbeitete, hatte seinem Schwager Erwin Theodor Hümmer angeboten, dessen Kunden im gesamten süddeutschen Raum zu beliefern. "Das lehnte Hümmer ebenfalls ab", sagt Zachmann. "Ein Betrieb kann nur vom Gewinn überleben, nicht vom Umsatz", ist er sich sicher. "Im Versand wurde jeden Samstag und Sonntag gearbeitet", sagt Zachmann. Dabei wurden drei bis vier Lastwagen per Stechkarre beladen. "Zu meiner Zeit, von 1970 bis 1980, waren vier Braumeister in der Brauerei", sagt Zachmann.
Am Sportplatz fand jedes Jahr das Hümmer-Pokalturnier statt. Der FV Dingolshausen erhielt dafür laut Zachmann immer zwei Hektoliter Bier. Bei diesen und weiteren Festen wurde das Fassbier – in Eis eingepackt und mit einer Plane abgedeckt – gezapft.
Aushilfsfahrer tritt kräftig aufs Gaspedal
Der frühere Versandleiter hat eine weitere Hümmer-Anekdote parat: Als ein Kunde aus Amorbach am Freitagmittag anrief, dass das Bier leer sei, war kein Fahrer mehr bereit, dorthin zu fahren, also wurde Zachmann gefragt. "Mit dem Opel Blitz samt Ladung fuhr ich dann nach Amorbach." Als er danach in die Stammkneipe der Fahrer beim "Toni" (Gasthaus Büschel) kam, wunderten sich die Fahrer, wie schnell er, der Aushilfsfahrer, gewesen sei.

Zachmann hat an die Dingolshäuser Verantwortlichen abschließend einen Wunsch: "In irgendeiner Form muss das Andenken an die Brauerei hochgehalten werden." Vielleicht trägt dazu ja schon Andreas Heger bei, denn dieser knüpft an die lange Brautradition in Dingolshausen an und braut Bier – wenngleich nur als Hobby.