Zwei Gruppen zu je fünf, sechs Männern stehen in der Autowerkstatt von Stefan Perner am Gerolzhöfer Lohmühlenweg dicht gedrängt um zwei Montagetische. Die meisten von ihnen haben sich dünne Arbeits-Kombis übergestreift, um ihre Bekleidung vor Ölflecken und Schmierfett zu schützen. Sie stecken interessiert die Köpfe zusammen und beobachten mit Argusaugen, wie eine Autotüre zerlegt wird. Wenn man auf die gepflegten Hände der Männer blickt, wird schnell klar, dass sie im normalen Berufsleben eher als Kopfarbeiter tätig sind. „Herzlich willkommen zum Schrauberkurs des Z 1-Clubs“, sagt Rob Vos, ein hoch aufgeschossener Mann mit leicht schütterem, grau meliertem Haar, und begrüßt den Pressevertreter mit einem festen Händedruck.
Beim Stichwort Z1 wissen Autofans natürlich sofort, was gemeint ist: Es handelt sich um den legendären Roadster von BMW, der von 1989 bis Mitte 1991 in einer limitierten Serie von weltweit nur 8000 Stück vom Band lief. Liebhaber dieses Sportwagens haben sich zum Z1-Club zusammengeschlossen. Und Rob Vos ist dessen Präsident. „Wir haben rund 450 Mitglieder“, sagt der Niederländer in akzentfreiem Deutsch, der unweit der deutschen Grenze im Großraum Aachen zuhause ist. Zwei- bis dreimal im Jahr veranstaltet der Club für seine Mitglieder quer durch das Bundesgebiet so genannte „Schrauberkurse“. Hier wird gezeigt, wie man kleinere Reparaturen am Sportwagen selbst erledigen kann, wie man Verschleißteile tauscht und was man bei der Pflege des Roadsters beachten muss.
Einen Z1 zu fahren, das ist für viele Hobby. „Der Z1 ist von Anfang an als reines Spaßauto konzipiert gewesen“, erzählt Rob Vos. Also keine geräumige Familienkutsche für die Arbeitswoche und zum Einkaufen, sondern ein edler Zweisitzer, mit dem man am Wochenende bei sonnigem Wetter genüsslich durch die Landschaft cruist. Neben dem Fahrspaß ist es für die meisten BMW-Fans aber auch wichtiger Bestandteil ihres Hobbys, das Auto technisch zu verstehen, zu wissen, wo und wie man hinlangen muss, um kleinere Wehwehchen des Roadsters zu beheben. Die Schrauberkurse des Clubs sind deshalb fester Bestandteil des Vereinslebens und regelmäßig ausgebucht.
Dass nun einer dieser Kurse in Gerolzhofen stattfand, ist Helmut Wächter zu verdanken. Der ehemalige BMW-Händler aus Rügshofen fährt selbst einen roten Z 1 und hat den Kurs organisiert, der übers Wochenende in den Hallen der Autowerkstatt von Stefan Perner, Wächters ehemaliger Niederlassung, stattfindet. Im Mai 2015 war der Z 1-Klub schon einmal in der Region Gerolzhofen zu Gast gewesen, auch damals hatte Wächter gemeinsam mit seiner Ehefrau ein Wochenende samt Ausfahrt und umfangreichem Rahmenprogramm auf die Beine gestellt. Logisch, dass es auch diesmal für die Schrauber ein Abendprogramm gibt. „Wir lieben Mainfranken“, sagt Rob Vos und schwärmt von den Schoppen, die den Z 1-Fans bei einer Weinprobe kredenzt wurden.
Thematischer Schwerpunkt des Schrauberkurses in Gerolzhofen ist die technische Wartung der Türen des Roadsters. BMW hat den Sportwagen damals so konstruiert, dass beide Türen nicht für die Stabilität der Karosserie gebraucht werden. Dies eröffnet die Möglichkeit für ein bis dato nicht gekanntes Gefühl von Freiheit beim Fahren. Denn bei offenem Verdeck lassen sich, wenn die Seitenscheiben in die Türen eingefahren sind, auch die Türen noch in die Seitenschweller absenken. Man fährt dann quasi mit offenen Seiten. Die Mechanik, die dafür sorgt, dass die Türen elektrisch in den Schwellern verschwinden, ist ein komplexes Meisterwerk deutscher Ingenieurskunst – allerdings mit der Zeit auch anfällig und pflegebedürftig.
Das Problem für die Z1-Besitzer: Es gibt immer weniger Werkstätten, die nach über 25 Jahren, als der letzte Z1 vom Band lief, noch das Fachwissen haben, wie zum Beispiel das Türenversenken beim Roadster funktioniert. „Das Auto ist ja älter als so mancher Mechaniker“, schildert Rob Vos die Schwierigkeiten, die nahezu alle Besitzer von Oldtimern haben. Während die modernen Autos in der Werkstatt heutzutage mit dem Diagnosegerät verbunden und die möglichen Fehler per Laptop ausgelesen werden, braucht ein altes Auto eben noch eine andere Herangehensweise. Ein anderes Händchen. Eben jene Herangehensweise lassen sich spezialisierte Werkstätten inzwischen mit gutem Geld bezahlen. „Pro Türe kostet der Service ab 1500 Euro aufwärts“, sagt Rob Vos. Und dies bei einem reinen Materialeinsatz von vielleicht nur 200 Euro. „Da kann man also gut Geld sparen, wenn man es selbst macht.“ Man muss halt nur wissen, wie es geht.
Einer der weiß, wie es geht, ist Matthias Urban. Der Mann, ausstaffiert mit der original Latzhose eines BMW-Servicemitarbeiters, ist einer der „Vorarbeiter“ beim Schrauberkurs in Gerolzhofen. Schritt für Schritt, Stück für Stück, Schraube für Schraube erklärt er penibel genau jeden Arbeitsschritt, ehe er zum Schraubenschlüssel greift und die nächste Mutter löst. Man fühlt sich fast wie in einem anatomischen Seminar: Der Professor in der Mitte seziert eine Autotüre, während die ihn umringenden Studenten auf jeden Handgriff achten, leise miteinander diskutieren, warum es einleuchtend ist, erst diese Schraube zu lösen und nicht die andere, und zwischendurch – wenn es besonders heikel wird – auch noch schnell ein Foto machen zur besseren Erinnerung. Aufmerksamer Beobachter ist auch Hausherr Stefan Perner, der vorhat, künftig in seiner Werkstatt den Service für den Z1 und andere BMW-Oldtimer anzubieten.
Woher hat Matthias Urban sein umfangreiches Wissen? Ist er BMW-Mitarbeiter? „Nein“, lächelt er, „ich bin Betriebswirt und leite einen eigenen Pflegedienst.“ Das Wissen rund um den Z 1 hat er sich selbst beigebracht. „Vor sieben, acht Jahren wollte ich wissen, wie das Auto funktioniert. Dann habe ich mich einfach reingearbeitet.“ Inzwischen ist der Chef eines Pflegedienstes auch der Technikvorstand des Z 1-Clubs. Und im gewissen Sinne somit auch für die Pflege der Roadster zuständig. Sein Wissen hat er auf einem 200-seitigen Handout zusammengefasst. Jeder Teilnehmer des Schrauberkurses erhält am Ende dieses umfangreiche Werk. Ausgedruckt auf Papier. „Wir Oldtimer-Fans lieben halt Papier“, schmunzelt er, „denn wenn du grad am Auto schraubst und nachblättern musst, kannst du mit einem Laptop nichts anfangen.“
Das Eintauchen in die Tiefen der Z1-Technik hat sogar dazu geführt, dass Urban und weitere Clubmitglieder Eigenentwicklungen erarbeitet haben, um einige im Laufe der Jahre spürbar gewordene Schwachstellen des Z 1 zu kompensieren. Eine Schwachstelle ist beispielsweise die Türschwellerverkleidung, die – wie andere nichttragende Karosserieteile des Sportwagens auch – von BMW aus leichtem, thermoplastischen Kunststoff hergestellt worden ist. Beim Fahren mit höherer Geschwindigkeit verziehen sich diese Türschweller durch den Druck das Fahrtwindes leicht nach innen – mit der Folge, dass sie auf die absenkten Türen im Innern der Schweller scheuern und der Lack der Türen so mit der Zeit Schaden nimmt.
„Wir haben im Club deshalb eine Versteifung konstruiert, die das Verziehen der Schweller künftig verhindert“, berichtet Präsident Rob Vos. Da ist es hilfreich, dass sich unter den Mitgliedern auch Firmenchefs befinden, die in ihren Betrieben die entsprechenden Fertigungsmöglichkeiten haben, um die Eigenentwicklungen für die Vereinsmitglieder herzustellen.
Die vereinsinternen Zulieferer leisten auch wertvolle Dienste, wenn Ersatzteile benötigt werden, die es beim BMW-Konzern inzwischen nicht mehr gibt. „Etwa 95 Prozent aller Teile gibt es noch“, weiß Matthias Urban, „aber meistens brauchst du eines von den fehlenden fünf Prozent.“ Solche Teile werden dann im Auftrag des Vereins nachgefertigt, wobei man gleichzeitig prüft, ob mit der Nachfertigung nicht auch noch eine Verbesserung der ursprünglichen Konstruktion möglich ist. „Wir haben inzwischen viele Eigenentwicklungen, die tatsächlich besser sind als die Originalteile von BMW.“ Man spürt seinen Stolz, wenn Technikvorstand Urban dies sagt.
Nicht nur bei der Schweller-Versteifung haben Matthias Urban und seine Z1-Enthusiasten somit Neuland betreten. Hinunter bis zur kleinsten Schraube und bis zur kleinsten Mutter wurde getüftelt und über Verbesserungen nachgedacht. Die Neuentwicklungen unterscheiden sich auf dem ersten Blick kaum vom BMW-Original, haben aber praktische Vorteile – wie jene Schraubenmutter, die zwar nur unwesentlich größer ist als das Original, sich dadurch aber nicht mehr hinter einer schwer zugänglichen Stelle mitdreht, wenn die Schraube eingezogen wird.
Mit geübten Griffen beginnt Matthias Urban, an der vor ihm liegenden Türe den Antriebsmechanismus zu zerlegen, der dafür sorgt, dass sich die Türe im Schweller versenkt. Ein kleiner Elektromotor ist über einen Zahnriemen mit der Mechanik verbunden, die die Türe auf vier kleinen Schlitten in einem Schienensystem gleiten lässt. Damit hier alles im wahrsten Sinn des Wortes reibungslos läuft, müssen die einzelnen Bestandteile bis auf den Millimeter exakt eingestellt sein. Das ist damals bei der Fertigung im BMW-Werk geschehen.
Damit dies auch nach dem Wiedereinbau so bleibt, zeichnet Urban mit einem Markierstift die Stellen an, wo die Schrauben festgezogen sind. Dann wird – unter ständigem Erklären, Diskutieren, Zuhören – zunächst der Zahnriemen entspannt und als klassisches Verschleißteil entfernt, danach Stück für Stück die komplette Antriebseinheit zerlegt. Es ist ein Wirrwarr aus kleinen Schräubchen, Scheiben, Häkchen. Jedes hat seinen Platz, jedes hat seine Funktion. Damit dies auch nach dem Service so bleibt, legt Urban jedes Teil penibel auf den Tisch zurecht, und zwar genau in der Ausrichtung, wie es in der Tür verbaut war. Verwechseln darf er nichts. Denn: „Entweder wir pfuschen oder wir machen es ordentlich.“ Klar, dass keiner der Umstehenden ihm widerspricht.
Bei dieser Sorgfalt spürt man regelrecht die Zuneigung, welche die Männer ihren Sportwagen entgegenbringen. Von den ursprünglich exakt 8000 Z 1 sind weltweit nur noch etwa 5000 Autos am Leben. Das macht sich auch am Preis bemerkbar. Damals als Neuwagen habe der Roadster um die 30 000 Euro gekostet, berichtet Clubchef Rob Vos. Jetzt werden Kaufpreise im Schnitt um die 50 000 Euro aufgerufen, wobei sich hier natürlich die allgemeine Preisblase im Oldtimergeschäft auch bemerkbar macht. In Niedrigzinsphasen suchen die Leute nach alternativen Anlagemöglichkeiten und investieren auch in alte Autos. „Aber die Preise gehen momentan allmählich wieder zurück“, hat Vos beobachtet.
Die 50 000 Euro sind aber nur ein Mittelwert. Besonders seltene und gut gepflegte Z 1 können annähernd sechsstellige Summen wert sein. Wobei diejenigen Fahrzeuge heutzutage selten sind, die früher keiner haben wollte und deswegen kaum gefertigt wurden. Während die meisten Käufer damals sich ihren Z 1 in der Farbe „toprot“ bestellten, weil – geprägt vom Ferrari-Mythos – ein Sportwagen eben rot sein muss, war die von BMW angebotene Farbe „fungelb“ ein Ladenhüter. „Die wenigen gelben Autos wurden dann auch noch auf rot umlackiert“, erinnert sich Rob Vos. „Heute sind original-gelbe Z 1 besonders teuer.“ So ähnlich verhält es sich auch bei der später von BMW angebotenen Karosseriefarbe „magicviolett“. Keiner wollte damals ein Auto in dieser Farbe. „Wir haben alle über dieses Puff-Lila gelästert“, lacht der Präsident. Heutzutage sind diese wenigen Fahrzeuge gesuchte Sammlerstücke. So ändern sich die Zeiten.
Für die Bastler in ihren Arbeits-Kombis wird sich aber wenig ändern. Für sie bleibt der BMW Z 1 das, was er seit seiner offiziellen Vorstellung auf der IAA im Jahr 1987 ist: Kult.