„Ein Mann, Mitte dreißig, nämlich ich“ stand am Donnerstagabend auf der Bühne der mit rund 120 Besuchern voll besetzen Gemeindebibliothek. Seine einzige Requisite: ein Kontrabass. Das „Trumm“ von einem Instrument ist Titelgeber des Solostücks des Münchner Autors Patrick Süskind. Den Musiker spielte Franz Josef Strohmeier, lange Jahre Ensemble-Mitglied am Staatstheater Kassel.
Mit sehr viel Empathie und Überzeugungskraft spielte er den mäßig begabten Musiker auf der Hinterbank des Staatsorchesters. Dabei monologisierte er mit schwarzem Humor über Musik, die Welt und seine nicht ausgelebten Triebe. Einziger Gesprächspartner des verbeamteten Musikers, der nie ein Solo gespielt hat und solo in einem schalldicht isolierten Zimmer lebt, ist der Kontrabass. Auf den projizierte er seine Gefühle, seine Wut, sein Selbstmitleid und seine wirren erotischen Fantasien.
Er ließ seinen Hass auf den Kontrabass und seinen Beruf als Musiker raus. Das Einzige, was ihn hielt, und weshalb er nicht ganz in seiner Depression versank, war eine Sängerin, Sarah. Die liebte der Musiker, ohne mit ihr je ein Wort gewechselt zu haben, ohne je von ihr beachtet worden zu sein, ohne eine Chance, je in eine Beziehung mit ihr eintreten zu können. Auch wenn er sich noch so spektakuläre Auftritte ausdachte, wie beispielsweise: Was wohl geschähe, wenn er unmittelbar vor seinem Einsatz im Orchester während eines Konzerts laut den Namen „Sarah“ schreien würde.
Zu wirklichen Erkenntnissen kam der Musiker nicht, ging zur Probe, machte einfach weiter und fügte sich brav seinem Schicksal. Der Kontrabassist, in Wirklichkeit ist er bieder und selbstgerecht, ziemlich verbittert, haderte mit seinem Leben und offenbarte Denkschablonen, die einem im wirklichen Leben immer wieder begegnen. Und natürlich waren seine Eltern an der ganzen Misere schuld.
Strohmeier hatte den ursprünglich knapp zweistündigen „Kontrabass“ auf gut eine Stunde Spielzeit gekürzt. So bekamen die wunderbaren musikalischen Einsprengsel (von der Sound-Anlage und am Kontrabass) einen ganz anderen Stellenwert, wurden zu wichtigen dramaturgischen Momenten und setzten einen Kontrapunkt zu dem vor Selbstmitleid triefenden, egozentrischen Musiker.
Für Strohmeier ist dieser mehr als ein armes Würstchen. Sein Kontrabassist ist eine tragisch-komische Figur, einsam und bindungsunfähig – sicherer Job hin oder her. Dazu hatte ihn nicht irgendein obskures Schicksal verdonnert, sondern er hatte nie gelernt, Teil der Gesellschaft zu sein. So wurde aus dem Süskind-Werk von 1981 eine Parabel auf die heutige hedonistische Ich-Gesellschaft.
Strohmeier verstand es ganz ausgezeichnet, sein Publikum in der Bibliothek in den Bann zu ziehen. Seine variantenreiche Stimme, seine gelungene Mimik, sein charakterliches Spektrum – der Schauspieler offenbarte in Bergrheinfeld sein Talent, seine schauspielerische Erfahrung und professionelle Ausbildung. Schön, dass sich solche Künstler bereit erklären, auch auf kleinen Bühnen aufzutreten.