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SCHWEINFURT
Bleiläuse und Schweizer Degen
„Die Erfindung der Buchdruckerkunst ist das größte Ereignis der Geschichte.“ Werner Enke hatte die Idee zur Drucker- und Setzer-Werkstatt im Zeughaus und einem Treffen der Jünger Gutenbergs, besagtem Erfinder, dem Victor Hugo die obigen Zeilen widmete.
Drucker-, Setzer- und Buchbindertreffen im Zeughaus – links die noch bei der Mediengruppe tätigen Alfons Stahl, Elmar Ortloff und Roland Ludwig, rechts die Ehemaligen Karlheinz Niebel, Peter Helferich und Heinz Gleichmann zwischen Setzkästen und Druck-Tigeln.
Foto: FOTO Hannes Helferich | Drucker-, Setzer- und Buchbindertreffen im Zeughaus – links die noch bei der Mediengruppe tätigen Alfons Stahl, Elmar Ortloff und Roland Ludwig, rechts die Ehemaligen Karlheinz Niebel, Peter Helferich und Heinz ...
Von unserem Redaktionsmitglied hannes Helferich
 |  aktualisiert: 15.12.2020 13:16 Uhr

Neun Tage lang war die Druckwerkstatt täglich drei Stunden geöffnet, besetzt von Druckern und Setzern, die längst nicht mehr am Heidelberger Zylinder drucken oder mit der Hand setzen. Bestückt war die Werkstatt in der Zeughaus-„Kegelbahn“ mit Boston-Tigeln, Rundstereos, Matern und Setzkästen aus der „Setzerwerkstatt“ des Gochsheimers Willi Denzer, dem „Werkdruck“ Enkes in der Disharmonie und Material aus dem Archiv dieser Zeitung. Rund 500 neugierige Besucher zählte die Werkstatt. Eine noch erhältliche Bierdeckelserie, bedruckte Stoffbeutel oder ein Abzug des Rathauses fanden reißenden Absatz. Jeder durfte seinen Namen in der Schrift „Trajanus“ selbst setzen, eine Renaissanceschrift, passend zum Rathaus, einem Renaissancebau. Und wer wollte, durfte die Vorlage auch selbst einschwärzen und auf der Hohner Abziehpresse drucken.

Typische Laufbahnen

Geduldig beantworteten die Setzer und Drucker alle Fragen: „Ja, der Setzer liest Spiegelschrift wie der Normalverbraucher die Zeitung“, antwortete Denzer täglich. Was ein Satzschiff und eine Mater ist, wie eine Linotype funktioniert, wie der Boston-Tigel gehandhabt wird. Wer die Werkstatt besucht hat, kennt das alles jetzt und auch die Anordnung der Buchstaben in einem Setzkasten: die oft gebräuchlichen Buchstaben in Reichweite, die Versalien oben.

Beim Treffen der Ehemaligen kamen so viele, die bei einer der vielen Druckereien in und um Schweinfurt die Berufe Setzer, Drucker oder Buchbinder erlernt hatten. Die „Alten“ trafen auf noch tätige, aber umgeschulte „Junge“, wie Roland Ludwig, dessen Laufbahn typisch ist. Der heute 56-Jährige lernte bei Denzer Gochsheim das Druckerhandwerk, arbeitete bei der Mainpresse in der Buchdeckenverarbeitung, wurde zum Korrektor umgeschult, und heute sitzt er am Computer und setzt Anzeigen.

Dieter Grebner, einst Druckereichef bei Weppert, traf auf die ehemaligen Kollegen Werner Brüggemann und Winfried Reß. Die beiden Stifte der einstigen Buchdruckerei Helferich, die Brüder Heinz (Drucker) und Lothar (Setzer) Gleichmann, arbeitten später beim Tagblatt, tauschten sich mit früheren Kollegen aus. Jahre hatte man sich nicht gesehen.

An jeder Ecke gab es diese Begegnungen, diesen Austausch mit Erinnerungen an die gute, alte Zeit und den gekonnten Griff in den Setzkasten. Berthold Hopf lernte beim Volksblatt Würzburg Drucker und reiste aus Würzburg an, „weil ich mich als Schwarzer Künstler angesprochen gefühlt habe“. Erwin Schuller, ein Ex-Tagblattler, erkannte die im Zeughaus aufgestellte Setzmaschine voll Freude als „meine Linotype“ wieder. Der 80-jährige Erich Dietrich berichtete, dass er mit dem inzwischen verstorbenen Tagblatt-Verlagsleiter Heinz Helferich zum Setzer ausgebildet wurde.

Kein ganz kleiner Franzose

Horst Scipio, Schrift-Lithograf, lernte bei Weppert, wirkte später bei Kugelfischer in der Werbeabteilung. Als er auf einem Blechschild den alten Schriftzug „Schweinfurter Tagblatt“ entdeckte, wusste er, dass der damalige Berufsschuldirektor Ernst Bendele ihn kreiert hatte. Tagblatt-Druckereimeister Max Henkelmann, mit 86 Jahren der Senior, erhielt viel Beifall, weil auch er sich aufgemacht hatte ins Zeughaus.

Dazwischen huschten Besucher durch die Werkstatt. Von den Setzern, Druckern und Schweizer Degen (haben beide Handwerke erlernt) erfuhren sie, dass ein Viertelpetit kein ganz kleiner Franzose ist, und was es mit der Bleilaus auf sich hat. Enke hatte zum Ende nämlich bemerkt, dass im Zeughaus „wieder Bleiläuse da waren“. Nur Drucker und Setzer können diese Tierchen sehen.

 
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