Wer in den Schätzen der Ortsgeschichtlichen Sammlungen stöbert, stößt darin auf so manches Juwel der Zeitgeschichte. So zum Beispiel auf ein kleines Büchlein aus dem Jahr 1888, das der Ehrenvorsitzende Günther Birkle einst für die Ortsgeschichtlichen Sammlungen geschenkt bekam.
Der „Wegweiser zum häuslichen Glück für Mädchen“ war zu seiner Zeit für 25 Pfennig zu haben und ein Bestseller. Allein im Jahr 1889 wurden davon 44 000 Exemplare verkauft. Der Vorgängerband, der sich an verheiratete Frauen wandte, erschien sogar jährlich in einer Auflage von 25 000 Stück und erreichte bis 1922 stolze 30 Auflagen.
Ein bisschen ramponiert ist nicht nur der äußere Anschein des Werks. Auch die darin enthaltenen Anweisungen zur Lebensführung von Frauen sind inzwischen altbacken. Dennoch wirft das Buch ein beredtes Bild auf die Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, deren Nachwirkungen noch heute zu spüren sind.
Das Wachsen der Arbeiterklasse
Die Industrialisierung schritt unaufhörlich fort, die Arbeiterklasse wuchs an, soziale Spannungen blieben nicht aus. Gleichzeitig entstehen überall Frauenvereine, Frauen streben nach Bildung und Emanzipation. In diese Zeit hinein gibt die Kommission des Verbandes „Arbeiterwohl“ diese „kurze Belehrung über Haus- und Handarbeit und Kochen, Gesundheits- und Krankenpflege“ heraus.
Darin finden sich durchaus noch heute gültige praktische Anweisungen, so beispielsweise: „Man kaufe nie etwas, ohne vorher zu überlegen, ob es wirklich notwendig ist.“ Allerdings geht es in dem Büchlein vor allem um die moralische Lebensführung der Frauen und Mädchen, denn allein sie sind für das „häusliche Glück“ zuständig.
Mangelhafte Ausbildung im Hauswesen
„Arbeiterwohl“, ein „Verband katholischer Industrieller und Arbeiterfreunde“, benennt das Problem gleich im Vorwort: „Die mangelhafte Ausbildung im Hauswesen“ sei Ursache „für viele soziale Missstände“, ist dort zu lesen.
„Allein die Notwendigkeit, schon in früher Jugend ihren Lebensunterhalt außer dem Hause durch Arbeit in den verschiedensten Industrien erwerben zu müssen, benimmt den meisten Mädchen nicht bloß die Zeit, sondern auch die Lust, sich mit Hausarbeiten zu befassen.“
So analysieren die Herren vom „Arbeiterwohl“ die Lage in den Arbeiterfamilien und antworten darauf mit Unterweisungen zur Haushaltsführung. Spätestens damit wird das Fundament für die Doppelbelastung der Frauen durch Arbeit und Familie gelegt, die bis heute nachwirkt.
Geschlechterrollen und das Frauenbild des Buches stülpen der Arbeiterfrau das Ideal der bürgerlich-christlichen Familie über, ohne ihre ganz andere Realität zu berücksichtigen. Und so beschreibt Teil eins des Büchleins die „Vorbedingungen zum häuslichen Glück“. Diese sind gar nicht so von der Hand zu weisen: „Wer wirklich zufrieden ist mit seiner Lage und seinen Verhältnissen, der ist glücklich zu nennen.“ Allerdings keimt beim Weiterlesen der Verdacht auf, dass Mädchen und Frauen gefälligst zufrieden sein sollten und nichts an ihrer Lage ändern möchten.
„Bleibe fromm und gottesfürchtig“
Das „Testament einer Mutter“ ist dem praktischen Teil vorangestellt. Es ermahnt die jungen Frauen: „Bleibe fromm und gottesfürchtig – Bewahre deine Unschuld – Sei genügsam und bescheiden – Hüte dich vor Vergnügungssucht – Werde sanftmütig und geduldig – Sei aufrichtig und treu – Arbeite stets mit Fleiß und Besonnenheit.“ Nach all diesen Belehrungen schließt die sterbende Mutter: „Und nun tritt mutig ein in ein arbeitsvolles, fleißiges, fröhliches Jugendleben.“
Es gibt Anweisungen von der „Reinigung der Wohnräume“ über die „Besorgung der Nahrung“ und deren Zubereitung bis hin zur „Gesundheits- und Krankenpflege gegen die Gefahren von Armut und Krankheit“.
Allerlei Praktisches ist da zu finden. Petroleum, um Wanzen hervorzulocken, Alaun, um Fliegen fernzuhalten, und Benzin gegen Motten wird empfohlen. Anleitungen zum Stricken, Stopfen von Strümpfen und zum Nähen werden gegeben und alles, was es rund um die Nahrung zu beachten gibt. Abwechslungsreich sollen sich die Lebensmittel nach dem Familieneinkommen und der Art der Beschäftigung richten. Dazu gibt es einen Wochenessensplan mit Nährwerttabelle und Preisen.
Bei all dem Praktischen wird betont: „Das Mädchen soll sein Glück im Hause suchen, im Schaffen für die Familie, auch wenn es sein Brot auswärts verdienen muss.“