
Zur späten Freitagnacht steht der Zähler bereits weit über "2350", am Eingang des Horch-amal-Blasmusikfestivals, in der idyllischen Sport- und Freizeitanlage Sennfeld. Vermutlich drängen sich insgesamt 2500 Besucherinnen und Besucher vor der Bühne, bei lauschigem Hochsommerwetter, das im Juli 2024 ja nicht so ganz selbstverständlich ist. Pastellfarben leuchtet der Sonnenuntergang hinter dem Wolkenmeer und macht jedem Alpenglühen Konkurrenz: ein böhmischer Traum in den Mainauen.
Die "Jungen Sennfelder" und der Trachtenverein haben eingeladen, zum Dreitagesevent. Vorbei die Zeiten, als ein Ernst Mosch oder Slavko Avsenik vor allem Oma und Opa hinter dem Kachelofen hervorgelockt haben: Die Jugend ist eindeutig in der Überzahl, mit Strohhut, Dirndl, Leuchthaargummi, Hosenträgern und Krachlederner. Junggesellen aus dem Schwarzwald sind ebenso vor Ort wie ausdauernde Camper aus Südbayern, auch mutmaßlich chinesischen Besuchern scheint es zu gefallen.
Die besondere Faszination rockiger Blechklänge
"Es ist alles so gechillt", erklärt eine Rannungerin die besondere Faszination rockiger Blechklänge – und denkt da vor allem an das "Woodstock der Blasmusik", das gleich über der grünen bayerischen Grenze, im österreichischen Ort stattfindet, als größtes Festival seiner Art in Europa. Ende Juni wurde dort erstmals die 100.000er-Marke bei den Zuhörern gesprengt.

Es geht mal nicht um Heavy Metal und Ausnahmezustand im Schlamm. Brass soll Spaß machen, egal ob Akkordeon und Trompete eher traditionalistisch schnaufen oder moderne Beats, Rap, Dubstep, Folk und Weltmusik untergemischt werden: "Neue Volksmusik" nennt sich das Ganze, ein Kind der völlig grenzenlosen Musikwelt und ein klein bisschen Antiglobalisierung gleichermaßen.
Am Freitagabend haben sich neben den Werntalmusikanten und Brass Brachial auch die Schweizer "Fäaschtbänkler" angekündigt, als Highlight des Wochenendes. Die feschen Buben aus dem Kanton St. Gallen sind keine Bankangestellten. Gemeint ist eine mitreißende Band, die ihre Fans im Lauf des Abends auf oder unter die Festbänke schicken will. Angeblich soll die Combo schon mal 22 verschiedene Stilrichtungen in fünf Minuten gespielt haben.

Die Songs haben Namen wie "Humpa Humpa", "Kompliment" oder "Eskalation", nur geht es da mal nicht um nervende weltpolitische Krisen: "Wir feiern fette Feten, mit Pauken und Trompeten." Auch die Freuden der Liebe und "Orgasmusik" kommen nicht zu kurz. Mal steht die dynamische Band im Bühnenlicht, mal inmitten der jungen Fans, die mit Smartphone und Lederhosen gleichermaßen bewandert sind.
Etwas ruhiger geht es auf der Veranda zu, als "VIP-Lounge" unterm Blätterdach: Die Geldersheimer Trachtler sind an diesem Abend gut vertreten, ebenso der Nordbayerische Musikbund, und manch Bürgermeisterkollege von Rathauschef Oliver Schulze.
Kerniger österreichischer Charme
Am Samstag ist dann bei sieben Bands vor allem Ausdauer gefragt, 1800 Karten sind hier über die Theke gegangen. "Viera Blech" etwa steuert am Abend kernigen österreichischen Charme bei, "FÄTTES BLECH" rotzigen Alpinrap. "Ein bisschen anders" sind zur späten Stunde kerwaselige böse Buben aus Bamberg drauf: Bei "Kellerkommando" wird ebenfalls eine wilde Mischung aus dem Zylinder geholt, irgendwo zwischen sinistrer Romantik a la ETA Hoffmann und dem Musikantenstadl auf Speed: Chapeau.
Richtig aufgedreht wird zwischendurch von den "Eurumer Banditen", die als "Pausenfüller" zu bezeichnen der tollen Stimmung unten auf dem Rasen nicht ganz gerecht werden würde: Die Lokalgewächse aus dem Raum Grettstadt sorgen für ein (Stand-)Konzert im Konzert, mit spontanen Tänzli des Publikums, Teufelsgeige und Tuba, mit "Schwarzer Natascha" und "Fürstenfeld".
Am Sonntag durften die Fans dann mit weiteren heimischen Bands, aus Schonungen oder Hergolshausen, so langsam in den Landeanflug übergehen und dazu Weißwurst zuzeln: Es muss nicht immer Heavy Metal sein.