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SCHWEINFURT
„Bist'n armes Dichterschwein!“
Hanns Peter Zwißlers neuer Roman „Rogolettos Hut” ist eine gelungene Satire auf den Literaturbetrieb
Foto: Elke Tober-Vogt | Hanns Peter Zwißlers neuer Roman „Rogolettos Hut” ist eine gelungene Satire auf den Literaturbetrieb
Elke Tober-Vogt
 |  aktualisiert: 11.04.2018 02:30 Uhr

Frau Sorge kümmert sich. Um Examenskandidaten. In jeder Hinsicht, denn: Als Sachbearbeiterin im Universitätsprüfungsamt vernascht sie genüsslich zu jedem Prüfungstermin einen der wackeren Studiosi – ein wahrer Jungbrunnen für die gepflegte Endvierzigerin!

Akribisch beschreibt der Schweinfurter Autor Hanns Peter Zwißler das nächtliche Geschehen im Schlafzimmer der Dame, das fein sortierte Frühstücksbuffet danach als Belohnung und zur Wiedererlangung der Kräfte, eingenommen im hauchzarten Negligé.

In Zwißlers neuem Roman „Rigolettos Hut“, vorgestellt in der Buchhandlung Vogel, ist diese Episode nur eine von vielen. Sie gehört zur realen Erzählebene, auf der sich der Student und Lyriker Vinzent Bülow an der Aufgabe abarbeitet, innerhalb eines Jahres einen 500-seitigen Roman zu verfassen.

Wie gelähmt fühlt sich Vinzent angesichts dieser hohen Anforderung. Morgens, beim Aufwachen, sind ihm nur Fantasiereisen möglich: Hätte er einen trivialen Inhalt wählen sollen? Eine klischeehafte Unterhaltungshandlung, zusammengefügt aus den Versatzstücken eines in der Welt des Groschenromans verhafteten Schreibbusiness, mit Schauplätzen wie Alpenlandhotel, Kreuzfahrtschiff, Schloss, gepaart mit absolut vorhersehbaren Beziehungsdramen und Katastrophen?

Mit spitzer Feder und viel Gespür spießt Zwißler die Banalitäten und Auswüchse des Literaturbetriebs auch auf, wenn er den jungen Literaten an der Fiktion seines eigenen Romans spinnen lässt: Beim Leser sollen die Tränen fließen, aufheulen sollen sie, und natürlich muss es ein Happy End geben. Hierfür dienen Bülow ein Finanzhai, der sogar vor dem Erwerb eines Weltkulturerbes nicht zurückschrecken würde, eine Ehefrau, die ein weitgehend sinnloses leeres Leben führt, eine Geliebte.

Hanns Peter Zwißler lässt den Bülow Handlungsstränge konzipieren und wieder verwerfen. Personen aus dessen persönlichen Umfeld werden nach ihrer Eignung dafür, ins Geschehen hineingezogen zu werden, bewertet. Bülow fantasiert von weltpolitischen Zusammenhängen und kriminellen Machenschaften, ergeht sich in sozialkritischen Betrachtungen. Im Fokus steht jedoch der wirtschaftliche Aspekt: Welcher Handlungsstrang liefert Stoff für viele Seiten und garantiert Verkaufserfolg?

„Bist'n armes Dichterschwein!“, so der Kommentar eines lebenserfahrenen Dichtergenossen im Literaturcafé. Seine Ratschläge gehen in Richtung Porno an angesagten Schauplätzen („Mallorca ist das Weiber-Who-is-who Europas“), Rhön-Krimi oder Fernsehdrehbuch – das bringt Kohle!

Auch in diesem Roman bedient sich Hanns Peter Zwißler wieder einer sehr direkten, deftigen und prallen Ausdrucksweise. Die Dichte, Lebendigkeit, Derbheit, die vielen Fantasieauswüchse mögen mitunter die Grenze zur Übertreibung ausreizen, etwa wenn die sagenhaften Entschuldigen der Kommilitonen fürs Nichteinhalten der Anmeldefrist zur Prüfung aufgereiht werden.

Doch gerade dadurch stellt der Autor die Aberwitzigkeit und Absurdität mancher Bereiche des literarischen Zeitgeists deutlich an den Pranger. Neugierig geworden ist man am Ende der kurzweiligen Lesung, neugierig darauf, die weiten Bereiche der Wortkunst in „Rigolettos Hut“ zu erkunden, Zwißlers eigene und die seiner Hauptfigur Vinzent Bülow.

Hanns Peter Zwißler:

Rigolettos Hut

Königshausen & Neumann, Würzburg

ISBN 978-3-8260-6404-3

 
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