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Niederwerrn
Biolandwirt aus Niederwerrn setzt ein Zeichen gegen das Küken-Schreddern
Benedikt Böhm hat in Niederwerrn einen neuen Biohof gegründet. Es gibt dort auch Vorwerk-Hühner und freilaufende Cappucinos auf der Hühnerwiese.
Stolzer Biohuhn-Besitzer: Benedikt Böhm aus Niederwerrn.
Foto: Uwe Eichler | Stolzer Biohuhn-Besitzer: Benedikt Böhm aus Niederwerrn.
Uwe Eichler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:10 Uhr

"Was du tust, macht einen Unterschied, und du musst entscheiden, welche Art von Unterschied du machen willst." Mit diesem Zitat von Jane Goodall rührt Biolandwirt Benedikt Böhm die Werbetrommel auf der Crowdfunding-Plattform "startnext", um einen Unverpacktladen auf dem eigenen Hof zu finanzieren, mit regionalem, saisonalem und möglichst abfallfreiem Angebot.

Die britische Tierrechtsaktivistin Goodall hat sich bislang vor allem für Menschenaffen eingesetzt. Im Februar gab es nun eine Petition von ihr und 140 weiteren Wissenschaftlern an die EU, millionenfache Käfighaltung von "Nutztieren" zu beenden. Nicht nur Gorillas oder Schimpansen, auch Hühner sind für die Umweltschützerin fühlende Wesen. Am Nordwestrand von Niederwerrrn ist der anonyme Geflügelknast bereits Geschichte und auf dem Siebenäckerhof Klasse statt Masse angesagt, wenn es um Brathähndl oder Ei geht.

Neueinsteiger will der ländlichen Lebensart gerecht werden

Ein bisschen möchte Neueinsteiger Böhm aber auch wieder der ländlichen Lebensart gerecht werden, die das obere Werntal geprägt hat. Felder und Wiesen sind für ihn Orte der Freiheit, jenseits von Konsum- und Marktzwängen, zumindest im Promo-Video für den künftigen Biohofladen. Die Drohnenkamera folgt dem Traktor, auf dem Weg zum frisch eröffneten Bauernhof in der Hellmuthstraße 19.

"Ohne7" nennt sich das Crowdfunding-Projekt, an dem man sich nur noch bis Samstag beteiligen kann. Verkauft werden sollen unter anderem die Eier glücklicher Vorwerk-Hühner, wo die Nachfrage jetzt schon steigt. 31 Hennen und neun "Brüderhähne" gackern schon länger auf dem Anwesen, teils im Hühnermobil im Vorgarten, teils in der großen Voliere hinterm Hof. Der Name der seltenen Hühnerrasse hat nichts mit Staubsaugern zu tun, auch wenn des Federvieh ebenfalls bodennah unterwegs ist. Um 1900 züchtete der Hamburger Kaufmann Oskar Vorwerk die als besonders gutmütig, zutraulich und einsteigerfreundlich geltenden Hühner, mit prachtvollem braunschwarzen Gefieder.

Treuer Gefährte: Hund Anton gehört ebenfalls zum Siebenäckerhof.
Foto: Uwe Eichler | Treuer Gefährte: Hund Anton gehört ebenfalls zum Siebenäckerhof.

Man muss die jungen Hähne nur herzhaft krähen hören, um das Biogockel-Konzept schätzen zu lernen. Anders als in der Legehennenzucht werden männliche Küken nicht gleich nach dem Schlüpfen als unnütz aussortiert und wie Abfall geschreddert. In der Massentierhaltung ist das Hahnenbaby-Häckseln nach wie vor traurige Realität: Erst Anfang 2022 tritt das Verbot in Kraft.

Die Zweitnutzung als Biobraten macht ökonomisch Sinn

Für immer der Klinge entkommen werden auch die stolzen Vorwerkhähne nicht. Nur durch die Zweitnutzung als Biobraten macht es ökonomisch Sinn, ihnen ein längeres Leben zu gönnen. Ein Leben mit viel Auslauf und frischer Luft, das im Vergleich zur Käfighaltung wie das reine Paradies anmutet.

Chillen mit den Chicks: Die Vorwerkhühner sind eine selten gewordene Rasse.
Foto: Uwe Eichler | Chillen mit den Chicks: Die Vorwerkhühner sind eine selten gewordene Rasse.

Nun sind auch noch 50 Artgenossen der Rassen "Coffee" und "Cream" dazukommen, die mit braunem und weißen Gefieder tatsächlich ausschauen wie freilaufende Cappuccinos oder Milchshakes. Gehalten werden sie nach den Richtlinien des Bioverbands Demeter. Auch die Kaffeehühner unterliegen der Zweinutzung "Ei & Fleisch". Derzeit wird noch ein Bioschlachter in der Nähe gesucht, da eigene Schlachträume zu teuer und aufwändig wären.

Der letzte Landwirt auf dem Hof war Großvater Oscar Gäb, der schon vor vielen Jahren frühzeitig verstorben ist. Die Eltern haben andere Berufe gelernt, der Enkel, der auf dem einstigen Gäbshof aufgewachsen ist, möchte die Tradition nun weiterführen: Obwohl oder gerade weil so viele Nachbarhöfe verschwunden sind, auf denen er als Kind noch gespielt hat. Lebensgefährtin Eva aus Grafenrheinfeld, die eigentlich Lehrerin ist, steht voll hinter dem Hühnerprojekt. Benannt ist der neue Siebenäckerhof nach einem alten Flurnamen.

Böhm: "Man macht, was man gerne macht."

"Ich hab die Arbeit gekannt, ich wusste, was auf mich zukommt", sagt der heute 30-Jährige: "Man macht, was man gerne macht." Im landwirtschaftlichen Bildungszentrum Triesdorf hat der Enthusiast Agrartechniker gelernt, später praktische Erfahrung als Betriebshelfer gesammelt. Im Hauptberuf verkauft er Landmaschinen. Sein Hühnermobil hat Böhm selbst gebaut, aus dem Gefährt eines Schaustellers, ebenso den Unterschlupf für die Junghühner, die dort ihre ersten Lebenswochen verbringen, hinter Drahtgittern, die sie vor Habicht, Fuchs und Co schützen.

Auch ein Vogelgrippen-Lockdown hat den Tieren zu schaffen gemacht, mit mehrwöchiger Quarantäne im Stall. Das fahrbare rote Hühnerhaus soll auf der Wiese stehen und Publikum den Freigängern hinterm Zaun beim Graszupfen oder Würmerscharren zuschauen können. Ziegen im Hühnerschwarm könnten dabei helfen, hungrige Habichte zu vergraulen und Milch für Käse liefern. Als Hütehund steht bereits der junge Australian Shepherd Anton bereit. Auf dem nahen Acker gedeihen Rote Beete, Kürbisse, Kartoffeln, Zwiebeln, Weißkohl, Hafer und Klee.

Der Hofladen soll Ende August öffnen

Die Öffnung des Ladens ist für Ende August oder Anfang September geplant, vielleicht mit einem Hoffest, falls die Inzidenzzahlen es zulassen: sozusagen als kleiner Ersatz für die ausgefallene Kirchweih, wo sich Benedikt und Eva bei den Tanzpaaren engagieren. Die Produkte anderer Öko-Landwirte sollen ebenfalls verkauft werden, von Gut Obbach etwa oder aus Schwebheim. Auch zur Imkerin Katrin Wörner gibt es guten Kontakt, gleich auf der anderen Straßenseite: "Es ist ein junges Netzwerk."

Benedikt Böhm neben seinem selbst gebauten Hühnermobil.
Foto: Uwe Eichler | Benedikt Böhm neben seinem selbst gebauten Hühnermobil.

Immer mehr Erzeuger seien sensibilisiert, für Klimawandel, brennende Regenwälder, wirtschaftliche und globale Zusammenhänge. Aber auch die Kinder müsse man mit ins Boot holen, als nächste Generation. Benedikt Böhm schweben Führungen auf der Bio-Hühnerfarm vor, oder Erlebnisgeburtstage. Protest allein reiche nicht, in Sachen nachhaltiger Landwirtschaft: "Man muss auf die Straße, aber man muss auch den Kunden auf dem Hof haben."

 
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    Alles wunderbar was der H. Böhm macht , nur die Masse der Verbraucher( 85 %) bezahlt es nicht oder kann es nicht bezahlen, wenn der sonstige Lebensstandard nicht sinken soll, der nächste Punkt ist das der H. Böhm von den Scherzen nicht leben kann und seine landwirtschaftlichen Kunden verdienen ihr Geld, nach wie vor, in der Masse auch anders weils der Verbraucher an der Laden kasse es so veranlasst, Umwelt und Tierschutz ist gut, nur der Verbraucher muss tatsächlich akzeptieren, das das eben je nach Produkt 50-90% mehr kostet.
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  • J. S.
    Ich freue mich sehr demnächst in dem Hofladen einkaufen zu können.
    Ein prima Konzept, dass ich gerne unterstütze.
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