Abschiedsstimmung herrschte am vergangenen Sonntag bei der Eucharistiefeier in der St. Aegidius-Kirche: Zum letzten Mal hatten die Glocken zum Gottesdienst gerufen. Für die Gottesdienstbesucher verbinden sich viele Erinnerungen mit den Glocken: Schon von frühester Kindheit an war ihnen ihr Klang vertraut, sie riefen zu den Gebetszeiten im Tagesverlauf. Zu Taufen, Hochzeiten, den Sonntagen im Jahreskreis und zu den Hochfesten luden sie die Gläubigen ein. Ihr Klang erwies den Verstorbenen die letzte Ehre, nach dem Ableben, zu Rosenkranz und Beerdigung. All diese Erinnerungen mögen den Besuchern des Gottesdienstes wohl in diesen Augenblicken in den Sinn gekommen sein, so dass manche mit den Tränen kämpfen mussten.
Schon im Jahr 1908 hatte die Gernacher Kirchengemeinde vier neue Bronzeglocken angeschafft – damals unter großen Opfern. Drei der vier Glocken wurden im Krieg abgenommen und zu Kriegszwecken eingeschmolzen. Im Jahr 1949 wurden drei neue Glocken aus Gussstahl beschafft, ebenfalls mit großzügiger Unterstützung vieler Gernacher Bürger und Vereine.
Das Gutachten der Glockensachverständigen besiegelte nun das Aus für diese Glocken; auch der Glockenstuhl wies bedeutsame Mängel auf, sodass auch er erneuert werden muss. Für die Kirchengemeinde St. Aegidius bedeutet das, dass für die Abnahme der alten Glocken, den Guss der drei neuen Glocken, den neuen Glockenstuhl und die Montage der neuen Glocken etwa 85 000 Euro zu stemmen sind.
Einmal im Leben
Am Mittwoch begann dann die Firma "Turmuhren und Glocken Willing" aus Gräfenhain bei Gotha mit der Demontage des Glockenstuhls und der Glocken. In Zusammenarbeit mit der Firma Markewitsch aus Schweinfurt, die am Freitag früh mit einem großen Kran nach Gernach gekommen war, wurden zunächst die großen Balken des alten Glockenstuhls zu Boden gebracht. Dann wurde es spannend, Millimeterarbeit war gefragt: Per Funk verständigten sich Kranführer und die Arbeiter auf dem Turm. Unter den Augen einer ganzen Anzahl Gernacher Bürgerinnen und Bürger wurden die vier Glocken vom Turm auf den Boden befördert. Viele hielten mit ihren Smartphones diese historischen Augenblicke fest. "Ich denke, so etwas werden wir nicht mehr erleben", sprach Kirchenpfleger Michael Werner die Gefühle wohl aller Anwesenden aus.
Die drei Stahlglocken bleiben auf jeden Fall in Gernach. Wo genau sie endgültig ihren Platz finden, darüber sind Kirchenverwaltung und die örtlichen Mitglieder des Pfarrgemeinderats noch im Gespräch. Die kleinste Glocke, St. Josef und der Heiligen Familie geweiht, bekommt einen neuen Klöppel, wird gründlich gereinigt und wird dann wieder ihren Platz hoch oben im Kirchturm finden. Für die Gernacher Kirche wird ein neuer Glockenstuhl aus abgelagertem Eichenholz angefertigt, "kernfrei", wie Kirchenpfleger Michael Werner mitteilt.
Weihe am Kirchweihfest
Die drei neuen Glocken werden voraussichtlich am Sonntag, 24. November, zum Kirchweihfest geweiht. Der Termin ist noch unsicher, weil der Glockensachverständige Sigurd Kopp erst bestätigen muss, ob der Guss der drei neuen Glocken auch gelungen ist. Wenn er grünes Licht gibt, wird Bischof emeritus Friedhelm Hofmann die Glocken weihen. Vorausgesetzt, alles läuft, wie geplant, wird er um 14.30 Uhr am Ortseingang von Gernach empfangen. Mit musikalischer Begleitung durch die Gernacher Musikkapelle Gernach ziehen die Gläubigen dann mit ihm zur Kirche, wo die Glockenweihe vorgenommen wird, an die sich die Eucharistiefeier anschließt.
Geplant ist, dass am Montag, 2. Dezember die drei neuen Glocken und die restaurierte alte Glocke ihren Platz hoch oben im Kirchturm der St. Aegidius-Kirche finden. Es ist zu wünschen, dass sie noch lange Zeit in Frieden und Freiheit läuten können. Zumindest vom Material her bestehen da gute Aussichten, denn "Bronzeglocken halten ewig", versprach Hans-Martin-Rincker, der Chef der Firma, die die Gernacher Glocken gegossen hat.