Ein Haus aus Hanf bauen? Für Herbert Krückel und seine Lebensgefährtin Sabine Feddersen war das keine Frage. Denn die hervorragenden Eigenschaften dieser uralten Nutzpflanze, ein schnell nachwachsender Rohstoff, der als Baustoff gleichzeitig noch dämmt, überzeugten das Öko-Landwirtspaar. Auch wenn das Bauen mit diesem Material ziemlich spannend ist.
Es ist staubig rund um die Hanfspritzmaschine. Aus dem Schlauch sprüht ein Gemisch aus Hanfschäben, Naturkalk und Wasser in das Gefache der Holzständerwand. Über einen mitgeführten Wasserschlauch kann der Arbeiter die Mischung des Hanfkalks nachregulieren. "Die Rezeptur ist diffizil, da darf auch nicht zu viel Wasser dazu", erklärt Stuckateurmeister Alexander Heß. Die grauen, noch unebenen Wände schneidet er anschließend gerade, der Rest an Hanfschäben wird per Hand wieder in die Mischmaschine befördert.
Hauptbestandteile der Mischung sind die Schäben, die gebrochenen, holzigen Innenteile der Kernröhre des Faserhanfstängels, die als Abfallprodukt bei der Fasererzeugung übrig bleiben und vor allem als Tiereinstreu verwendet werden. Ihre Besonderheit: Zusammen mit dem Kalk versteinern sie, die Masse wird fest wie Beton, aber wiegt nur ein Sechstel davon.
Heß, der im mittelfränkischen Heilsbronn ein Stuckateurgeschäft betreibt, hat die in Frankreich konstruierte Maschine kürzlich gekauft, um stärker in den Bau von Hanfhäusern einzusteigen. Denn in Frankreich oder Rumänien, den Hauptanbaugebieten, ist der Hanf als Baustoff längst angekommen. Heß hat sein eigenes Wohnhaus auch aus diesem Material erstellt. Weil er, wie Krückel, vollends davon überzeugt ist.
85 Prozent des Hauses sind nachwachsende Rohstoffe
"Das ist nachhaltiges Bauen", unterstreicht der Schleeriether Bio-Landwirt. Denn Hanfkalkstein speichert rund 90 Prozent mehr CO2 als bei seiner Herstellung freigesetzt wird. Mit dem Bau seines Hanfhauses werden also mehrere Tonnen Kohlendioxid gespart. Allerdings fallen beim Transport der Schäben noch Emissionen an, und auf eine Betonbodenplatte konnte Krückel auch nicht verzichten. Trotzdem: Als CO2-neutral kann das Schleeriether Hanfhaus durchaus bezeichnet werden.
"Für dieses Haus brauchen wir hundert Kubikmeter Hanfschäben", rechnet Heß vor. "Dafür müssen etwa 1,5 Hektar Hanf wachsen." Zusammen mit dem Holz des Holzständerbaues stammen 85 Prozent des Gebäudes aus nachwachsenden Rohstoffen.
Bio-Bauer Krückel beschäftigt sich schon länger mit Hanf, den er – allerdings als Körnerhanf – auch seit drei Jahren selbst auf seinen Feldern anbaut, für Bio-Hanföl. Nötige Genehmigungen bei dieser auch Cannabis genannten Pflanze erleichtern hierzulande allerdings den Anbau der vielseitigen Nutzpflanze nicht gerade.
Welche Vorteile das Material Hanf noch hat
Über lange Zeit spukte die Idee des Hanfhauses in den Köpfen von Herbert Krückel und seiner Partnerin. Denn ihnen war auch das besondere Raumklima bei der Hausbesichtigung beim deutschen "Hanf-Pionier" Bernd Frank aufgefallen. Die natürliche Feuchtigkeitsregulierung des Materials sorgt dafür, dass sich kein Wasser auf der Oberfläche ansammeln kann, was auch die Bildung von Schimmel verhindert. Zudem lässt sich damit einiges an Energie sparen und Hanf gilt auch als besserer Schallschutz als herkömmliches Dämmmaterial.
Vor allem ist der Hanfkalk oder –beton ein idealer Temperaturspeicher: Die Wände können die Wärme speichern und sich selbst kühlen. "Das wird künftig immer wichtiger", unterstreicht Sabine Feddersen mit Blick auf den Klimawandel. Weitere Eigenschaften sind schwere Entflammbarkeit und Resistenz gegen Schädlinge.
Bauen und Wohnen neben dem Bio-Hühnerstall
Nach drei Jahren der Planung hatte das Paar die Baugenehmigung. Mit dem Wohnhaus inklusive landwirtschaftlicher Verarbeitungsräume siedelt der Landwirt seinen Betrieb endgültig aus der Enge des Dorfes aus; seinen Hof dort hat er verkauft. Denn seit elf Jahren steht neben dem Baugelände an dem leichten Hang außerhalb von Schleerieth bereits sein Bio-Hühnerstall mit 3000 Legehennen und großem Auslauf. Unterhalb des neuen Hauses hat er in diesem Jahr auch eine Maschinenhalle errichtet.
Für die Weiterverarbeitung der Eier zu Nudeln und anderen Produkten brauchte Sabine Feddersen nicht nur mehr Platz, sondern auch eine bessere Ablauf- und Organisationsstruktur. Im Untergeschoss ihres neuen Hauses hat sie in den künftigen Produktionsräumen die Voraussetzungen dafür geschaffen.
Etwa zehn Arbeitstage benötigen Alexander Heß und seine beiden Mitarbeiter, um die Gebäudehülle – die Außenwände der Holzständer sowie das Dach – mit einer 30 Zentimeter dicken Hanfkalkschicht zu umkleiden. Zusätzlich haben die Bauherren zehn Zentimeter dicke Holzfaserplatten außen vorgeblendet.
"Für mich war auch wichtig, dass es eine Bauweise ohne Fugen ist", sagt die Bauherrin. "Und Hanf ist ein langlebiges Material, das man auch leicht wieder entsorgen kann", ergänzt ihr Lebenspartner. An Kosten fallen für das Hanfhaus "etwas weniger als ein Massivholzhaus an", meint Heß. Für Bio-Landwirt Krückel ist Hanf eine Pflanze mit großer Vergangenheit und Zukunft. Jetzt brauche es damit in Deutschland noch mehr Erfahrung. "Andere Länder sind da schon viel weiter".