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SCHWEINFURT
Bernd Fabritius wünscht sich mehr Rentengerechtigkeit
Bernd Fabritius, der Vorsitzendes des Bundes der Vertriebenen, sprach bei einer  CSU-Veranstaltung in Schweinfurt.
Foto: Martina Müller | Bernd Fabritius, der Vorsitzendes des Bundes der Vertriebenen, sprach bei einer CSU-Veranstaltung in Schweinfurt.
Susanne Wiedemann
 |  aktualisiert: 06.08.2017 02:55 Uhr

In erster Linie geht es um spezielle Anliegen und Probleme von Spätaussiedlern beim Besuch von Bernd Fabritius, Präsident des Bundes der Vertriebenen, im Pfarrsaal St. Peter und Paul am Hochfeld. Bernd Fabritius spricht über Altersarmut und Ungleichbehandlungen der Menschen, die er als Präsident vertritt. Anja Weisgerber hat Fabritius nach Schweinfurt geholt, er ist wie sie 2013 für die CSU in den Bundestag gewählt worden.

Aber es geht auch um die Frage, kann man Parallelen ziehen zwischen den Flüchtlingen heute und den Vertriebenen damals? Antwort: Man kann vergleichen, aber nicht gleichsetzen. „Das Traumaempfinden ist gleich, dann erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten.“ Es sei wichtig, Leuten zu helfen, die ihre Heimat verloren haben, die Probleme der Welt ließen sich aber nicht durch Zuzug nach Deutschland lösen.

Willkommenskultur ist neu

Fabritius findet es schön, dass die Flüchtlinge jetzt auf eine Willkommenkultur getroffen sind. Sudetendeutsche habe keiner nach dem Krieg mit Blumen und Teddybär begrüßt. Als Landplage galten die Vertriebenen in der Nachkriegszeit. Daran erinnern sich noch viele im Saal.

Und warum tun sich so viele schwer mit den Forderungen der Heimatvertriebenen nach Gerechtigkeit – und überhaupt mit dem Anerkennen ihres Schicksals? Darauf gibt es keine klare Antwort. Fabritius glaubt, dass viele den Vertriebenen vorwerfen, doch selbst schuld an ihrem Schicksal zu sein. Das findet er problematisch. „Schuld ist genauso individuell wie Unschuld.“

Dankbar für Gedenktag

Fabritius ist allerdings dankbar, dass sich einiges getan hat. Es gibt seit 2015 einen nationalen Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung. Lange habe man dafür gekämpft. Am 20. Juni, das ist auch der Weltflüchtlingstag. Auch für deutsche Zwangsarbeiter gibt es jetzt eine Entschädigung. „Eine viel zu späte Geste“, sagt Fabritius. Dies sei die letzte große Gruppe, die nicht entschädigt worden sei.

Fabritius geht mit der SPD hart ins Gericht. Heimatvertreibung – diesen Teil der deutschen Geschichte wolle die SPD nicht haben. Oskar Lafontaine wirft er vor, als Finanzminister eine Neiddebatte zu Lasten der Vertriebenen/Aussiedler-Renten gestartet zu haben. Dass unter einer schwarz-gelb Regierung später eine Deckelung und pauschale Reduzierung der Rente für eben diesen Kreis kam, habe er erst nicht verstanden. Jetzt sei klar: Man habe einen Kompromiss schließen müssen, um Schlimmeres zu verhindern.

Abkommen schließen

Wie kann die Situation besser werden? Die Rente aus dem Herkunftsland sollte nicht wie bisher abgezogen werden. Außerdem sollte die Bundesregierung sozialversicherungsrechtliche Abkommen mit Staaten schließen, die jetzt noch keine Renten nach Deutschland überweisen. Kasachstan und die Ukraine, zum Bespiel.

Fabritius geht aber auch hart mit der AfD ins Gericht, die seiner Beobachtung nach auf Sympathie bei Vertriebenen/Aussiedlern stößt. Diese Partei wolle die Deutschen in zwei Klassen einteilen: Die, die hier geboren sind, und die, die woanders auf die Welt kamen. Diese Menschen wolle die AfD abschieben, wenn sie straffällig werden. „Wenn ich in einen Unfall verwickelt bin, wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt werde – soll ich dann nach Rumänien abgeschoben werden?“, fragt Fabritius. „Das ist so verrückt, dass ich mich frage, wieso Deutsche aus Rußland so eine Partei unterstützen.“

Gegen Leute, die Sachen als Tatsachen weitergeben, die sie von jemandem gehört haben, hat er auch was. Beispiel: Schweinfurter Kindergärten sollen geschlossen werden, weil Flüchtlinge wichtiger sind, wie jemand im Saal meint. „Prüfen Sie genau, wer das gesagt hat“, so sein Appell.

Und eines rät er: „Gehen Sie zur Wahl!“. Was jetzt gebraucht werde, sei Stabilität, Augenmaß und Sicherheit. „Wenn wir nicht aufpassen, zerbröselt Europa“. Insofern sei das AfD-Plakat „Wer CSU wählt, bekommt Merkel“, sehr treffend. Denn wer AfD wähle, bekomme Wagenknecht und Hofreiter, so Fabritius. Und eine falsche Wahlperiode könne die Anliegen der Vertriebenen und Aussiedler auf Jahrzehnte verbauen.

Klaus Ernst: Ich bin kein Grüß-Gott-August       -  Wahrscheinlich gibt es keine zwei Fotos, auf denen Klaus Ernst gleich schaut. Ernst ist ein emotionaler, ein leidenschaftlicher Redner. Er wirft sich regelrecht in Diskussionen und Gespräche. Wer auf der Gegenseite mit Fakten und Argumenten punkten will, hat es da schwer.  Ernst weiß das, setzt auch auf die Emotions-Karte, wenn er kein Heimspiel hat. Und redet auch schon mal weitaus länger, als er eigentlich sollte. Wenn er im Fluss ist, lässt er sich nicht stoppen. Wer ihn einmal erlebt hat, wird sich zwei Sätze von ihm auf jeden Fall merken: Unter Kohl war der Spitzensteuersatz höher. Und: Wer arbeitet denn noch, wenn er älter ist als 65 – der Papst und der Bundespräsident!  „Ich meine das, so wie ich es sage“, ist Ernsts Credo. Vor 15 Jahren ist er, geprägt von Gewerkschaftsarbeit, in die Politik gegangen, um etwas zu bewegen, zu verändern. „Ich habe meinen Zorn und meine Wut über die Verhältnisse zu meinem Beruf gemacht.“ Er sieht es schon als Auszeichnung, dass ihm ein Unternehmer jüngst bei einer Veranstaltung eine rote Sau überreicht hat, weil die so gut zu ihm passen würde.  Und er hat kein Problem damit, dass, wer ihn googelt, gleich darauf stößt, dass er einen Porsche fährt. „Wir Linken müssen doch nicht lustfeindlich sein“, sagt er. Ernst ist seit 2005 im Bundestag. Am Wochenende im Wahlkreis auf Veranstaltungen gehen, Grußworte sprechen – das ist nicht sein Ding. „Ich bin kein Grüß-Gott-August“, sagt er. „Aber ich kümmere mich um die wichtigen Themen.“ Das sind für ihn vor allem soziale Gerechtigkeit und Renten, von denen die Leute auch leben können.  Beim Thema Rente und Mindestlohn wird er richtig leidenschaftlich. Und auch selbstkritisch. Seit 2005 sitzt er für Die Linke im Bundestag. 1974 war er in die SPD eingetreten, 2004 haben ihn die Genossen ausgeschlossen aus der Partei, nachdem er 2004 dazu aufgerufen hat, eine wählbare soziale Alternative zur SPD zu gründen.  Über Umwege wurde das Die Linke.   Warum Selbstkritik? Vieles hat zu lange gedauert, sagt er. Die Einführung des Mindestlohns zum Beispiel. Aber immerhin, es gibt einen. Die Lehre daraus? „Ich gebe nicht auf.“ Auch wenn er ein bisschen desillusioniert ist, als Gewerkschafter war er andere Prozesse gewöhnt. Man setzt sich zusammen, verhandelt, es gibt zeitnah ein Ergebnis. Berliner Mühlen mahlen im Gegensatz dazu langsamer.  Ernst ist stolz darauf, dass es für jemanden wie ihn, der sich nach der Ausbildung als Elektromechaniker weiterqualifiziert hat, möglich ist, sich politisch zu engagieren, in den Bundestag zu kommen. Trotzdem hadert er mit manchem in Berlin. Dass es nicht um inhaltliche Auseinandersetzung im Parlament geht, sondern eher um das Verteidigen von Positionen, zum Beispiel. Kommt was von den Linken, wird es nicht ernst genommen  von den Regierungsparteien. Aber wenn jemand anders eine Linke-Idee aufgreift, ist das plötzlich was. Das ärgert ihn. Auch, weil er die Oppositions-Rolle ernst nimmt und für wichtig hält. „Wir brauchen eine  starke Opposition“, sagt er. Die spannende Frage bei der Wahl ist für ihn deshalb: „Wieviel Prozent bekommt die Linke?“ Ziel: Über zehn im Bund, über fünf in Bayern.  Was er auch nicht mag– „auch bei unseren Leuten“ – wenn bei Reden zu sehr auf Show gemacht wird. Jemand schwierige Verhältnisse anprangert und beifallsheischend in die Runde lächelt. Warum gehen viele Leute, darunter wohl auch klassische Linke-Klientel – nicht zum Wählen? Auch ein Thema, bei dem Ernst sehr leidenschaftlich wird. „Die Haltung ist falsch, aber ich verstehe sie.“ Diese Menschen haben das Gefühl, die Politik kümmere sich nicht um sie. Es werde geredet, oft dann was anderes gemacht, als gesagt. „Die Lage der Leute ändert sich nicht, dann haben sie die Nase voll von der Politik.“  Wer Klaus Ernst mal so richtig emotional erleben möchte, muss ihn nur auf ein Thema ansprechen: Gerhard Schröder und die Agenda 2010. Bestimmt kommt dann ein weiterer Markenzeichen-Satz: „Wo SPD drauf steht, kann keine soziale Gerechtigkeit drin sein.“
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