„Arbeit – sicher und fair“ fordert das Transparent, das zwei Mercedes-Mitarbeiter hochhalten. Sie sind Teil der Menschenkette, die rund 60 Beschäftigte der Schweinfurter Niederlassung am Montagmorgen in der Franz-Schubert-Straße eine Viertelstunde vor der Zufahrt bilden. Sie protestieren gegen Pläne zum Verkauf von Vertriebsstandorten, von denen sie nichts Gutes erwarten. Ob sie selbst auch betroffen sind, darüber lässt sie die Konzernspitze im Ungewissen.
Laut IG-Metall-Gewerkschaftssekretär Thomas Höhn hat die Daimler-Spitze am 28. April einen massiven Umbau des eigenen Vertriebsnetzes beschlossen. Mit dem Konzept „Own Retail – Neuausrichtung der Niederlassungen“ sollten nach Plänen der Unternehmensleitung Niederlassungen fusioniert oder verkauft werden.
Inzwischen habe das Management dem Gesamtbetriebsrat ein Paket vorgelegt, das – wie von der Interessensvertretung gefordert – alle Pläne offenlege. Auf einer Verkaufsliste stünden nicht namentlich genannte Niederlassungen mit über 50 Mitarbeitern. Das sei deutlich mehr als anfänglich angekündigt.
Für Betriebsrat und Gewerkschaft ist bei dieser Ausgangslage auch ein Verkauf oder eine Ausgliederung des Daimler-Centers in der Franz-Schubert-Straße nicht mehr ausgeschlossen. 120 Mitarbeiter wären davon betroffen, und was ein Verkauf der Niederlassung für sie bedeuten würde, darüber machen sie sich keine Illusionen: Nach der Einjahresfrist eines möglichen Betriebsübergangs auf einen freien Vertriebs-„Partner“ des Konzerns wären das erhebliche Gehaltseinbußen, mittel- und längerfristig vielleicht auch ein völlig tarifloser Zustand.
„Hier geht's um unsere Arbeitsplätze“, sagt Michael Seßner (37), Betriebsrat. „Seit fast 20 Jahren bin ich im Unternehmen, wir alle kämpfen um jeden Kunden, um Geld zu erwirtschaften, wir geben alles für den Stern – und jetzt sollen wir so abgespeist werden.“ Nur scheibchenweise rücke die Konzernspitze mit der Wahrheit heraus. Weder Zahl noch Namen der Niederlassungen, die vom Umbau betroffen sind, seien bisher bekannt. „Wir wissen nicht, wie es weitergeht.“ So sieht es auch sine Kollegin Sibylle Haupt, seit 25 Jahren im Unternehmen beschäftigt. Beide haben gebaut – und bangen jetzt um die Zukunft. „Am schlimmsten ist die Ungewissheit“, sagt Sibylle Haupt.
Ob Verkauf oder Ausgliederung des Daimler-Centers Mainfranken mit seinen vier Standorten in Würzburg, Schweinfurt und Gerolzhofen – laut Thomas Höhn wären die Folgen weitreichend. „Die Erfahrung zeigt, dass es bei einem solchen Schritt in der Regel an die Personalkosten geht. Konkret ist zu befürchten, dass die Entgelte abgesenkt, die Arbeitszeit angehoben und Personal abgebaut werden sollen.“
Die Niederlassungen seien im Unterschied zu anderen Autohäusern bisher integraler Bestandteil der Daimler AG in Stuttgart – und eine Stärke des Konzerns: „Bei einer solchen Struktur steht ein möglichst effizienter Vertrieb und nicht das nackte Ergebnis im Vordergrund. Von diesem Weg profitieren sowohl Kunden, als auch die Mitarbeiter.“ Die Daimler-Pläne seien mit Blick auf die jüngsten Erfolge des Konzerns „völlig unverständlich“.
Mit der 15-minütigen Menschenkette vor der Zufahrt begleitete etwa die Hälfte der in Schweinfurt Beschäftigten die zeitgleich laufende Verhandlungsrunde zwischen Konzernspitze und Arbeitnehmervertretung zu den Ausgliederungs- beziehungsweise Fusionsplänen. Seitens der Schweinfurter Niederlassung ist der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Werner Münch an den Verhandlungen beteiligt.
Der DGB-Regionsgeschäftsführer Frank Firsching und IG-Metall-Chef Peter Kippes unterstützten die Aktion der Daimler-Mitarbeiter vor Ort. „Die Kollegen sind tarifvertraglich ganz anders verankert als Beschäftigte in freien Werkstätten“, so Firsching im Gespräch mit dieser Zeitung, „jetzt sollen die Arbeitnehmer das Gewinnstreben des Großkonzerns ausbaden.“
Laut Höhn gilt derzeit noch eine Zukunftssicherung für den Standort bis 2018. Seine Befürchtung: Durch Ausgliederung des Vertriebsnetzes und Vergabe an freie Partner sollten Kosten gespart werden – und zwar ausschließlich beim Personal.