„Die Stadt ist ohne Reize, eine zerstörte Häßlichkeit, in der durch ruhige Aufräumarbeiten eine äußere Ordnung gelassen wird. Nur das Rathaus, ein reiner Renaissancebau, der etwas Schneckenhaushaftes hat und mit seinem über die Straße auf den Platz vorspringenden Teil die sonst so öde Spitalstraße malerisch abschließt, bietet einen das Auge erfreuenden Anblick.“ Wenig Schmeichelhaftes bringt Carl Friedrich Wilhelm Behl, erster Präsident des Landgerichts, am 6. Mai 1947 über seine neue Wirkungsstätte Schweinfurt zu Papier.
Acht Jahre, von 1946 bis 1954, stand Behl dem Landgericht vor – ein feinsinniger Jurist, ganz ohne braune Flecken auf der Weste. Geboren in Berlin, aber mit fränkischen Wurzeln väterlicherseits, spricht Behl von sich schon mal als „Spreefranke“. Studiert hat er in Berlin und München nicht nur Rechtswissenschaft, sondern auch Literatur- und Kunstwissenschaft.
Sein Auskommen hatte Behl meist als Jurist – seine Liebe galt der Literatur und dem Theater. Mit dem Dichter Gerhard Hauptmann verbindet Behl Bewunderung und Freundschaft. Über ihn verfasst er zahlreiche Werke. Von 1935 bis 1945 war er fast durchgängig aus juristischen Ämtern gedrängt. Er arbeitet für und über Gerhard Hauptmann.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gehört C.F.W. Behl zu den wenigen Juristen ohne braune Vergangenheit und NSDAP-Verstrickung. Er ist gänzlich unbelastet. Im Herbst 1945 wird er von den Amerikanern als Leiter des Amtsgerichts Kemnath eingesetzt. Zum 1. September 1946 wird er Landgerichtspräsident in Schweinfurt. Aus seinen Tagebucheinträgen geht schnörkellos hervor, wie wenig ihm die Stadt gefällt. „Ohne Reize“ sei sie. Und: „Der leicht ansteigende Marktplatz selbst mit dem plumpen Rückertdenkmal gähnt einen an wie dieser ganze Ort, an dem man vielen häßlichen Menschen begegnet, nur keiner Regung gepflegter Kultur. Es gibt kein Theater. Das Gebäude, das sehr häßlich gewesen sein soll, haben die Fliegerbomben des Hitlerkrieges zerstört. In dem scheußlichen Riesenkantinensaal der Kugelfischerfabrik werden belanglose Lustspiele dilettantisch gespielt und älteste Operetten serviert. Im Winter saß man da in Reisedecken gehüllt und kämpfte gegen das Erfrieren.“
Unverblümte Abneigung
Der „Landschaft um den Mainbogen und mit dem Weinhügelrücken, der sich nach dem idyllischen Mainberg mit seiner malerischen Burg hinschwingt“, attestiert er einige Reize, „wäre nicht der Main mit seinem lebendigen Vorbeiströmen, es wäre nicht zu ertragen.“ Das städtische Kulturleben war ihm aber keineswegs völlig gleichgültig. Er wird Bestandteil desselben – und 1. Vorsitzender des Kulturvereins. Der damalige Oberbürgermeister Ignaz Schön soll sich einige Mühe gegeben haben, ihn hier einzubeziehen.
Über den ersten Nachkriegs-Präsidenten des Landgerichts Schweinfurt wird der Celtis-Gymnasiallehrer Martin Krebs in der Woche der Justiz am 19. Mai einen musikalisch umrahmten Vortrag halten – und dem Publikum Behls unverblümte Abneigung gegen die Arbeiterstadt am Main nicht vorenthalten.
Als der Dichterjurist Ende 1954 in den Ruhestand entlassen wird, äußert er rückblickend etwas versöhnlicher über Schweinfurt: „An einem grauen, feuchten Septembervormittag war es kein froher Einzug gewesen, als ich das schwer angeschlagene Schweinfurt zum ersten Mal betrat: Häuserruinen, Trümmerhaufen, rostiges Blech, im Winde scheppernd, Bombentrichter und zerbröckelndes Gemäuer, die Straßen von Schienen für die Schuttloren durchschnitten. Ich tröstete mich damals mit dem Gedanken, wie erhebend es doch sein müsse, einen Wiederaufbau mitzuerleben. Und ich hatte mich nicht getäuscht. Was Bürgersinn, Arbeiterfleiß, die Initiative einer von sozialem Geist erfüllten Industrie und die Kunstfertigkeit des Handwerks vermochten, hier ist es in ungewöhnlichem Ausmaße gemeistert worden. Wer das miterleben durfte, der hat Heimatrecht erworben auch in dieser Stadt, die er zuvor nicht betreten hatte.“
Kostenlose Eintrittskarten für den Vortrag über Carl Friedrich Wilhelm Behl am 19. Mai, 19 Uhr, im Schwurgerichtssaal, gibt es im Justizgebäude in der Rüfferstraße an der Pforte.