„Hinschauen und handeln“. Das ist das Motto von Amnesty International Schweinfurt mit der Nummer „1418“. Dieses Hinschauen und Handeln der Gruppe sind Appelle schreiben, Forderungen stellen, mit Aktionen in der Öffentlichkeit auf Schicksale aufmerksam und damit einen gewissen Druck auf Unrechtsregierungen machen. Viel anderes können die ai-Akteure gar nicht tun, um „ihre Gefangenen“ freizubekommen.
Beim jüngsten Treffen haben die derzeit neun Aktiven ein wenig gefeiert: Vier der von der Schweinfurter Gruppe betreuten Gefangenen sind nämlich auf freien Fuß gekommen. Genau genommen sogar fünf – Letzterer war eine gemeinsame Aktion auch anderer ai-Gruppen.
Mansour Ossanlu. Er hatte 2005 in Teheran eine freie Gewerkschaft gegründet, war deshalb von den iranischen Machthabern schikaniert und mehrfach inhaftiert worden. Nach vier Jahren Haft kam er dank der Aktivitäten von ai Schweinfurt 2011 frei. Das aber zunächst nicht richtig: Die Behörden entließen Ossanlu nur „zur ärztlichen Behandlung“ und warnten, von Freilassung zu sprechen. Die veränderte Lage im Iran erlaube es nun, diese Nachricht vier Jahre später zu veröffentlichen, sagt Sprecher Ulrich Philipp: „Mansour ist frei“.
Ales Bialiatski. Er kam am 21. Juni 2014 auf freien Fuß. Den weißrussischen Menschenrechtsaktivisten hat ai Schweinfurt seit 2011 betreut. Mit zahlreichen öffentlichen Aktionen forderten sie seine Freilassung. Viele hundert Bürger unterzeichneten Petitionen an die Regierung in Belarus. Das alles und auch die mehrfache Berichterstattung dieser Redaktion hätten den öffentlichen Druck auf die Regierung „massiv verstärkt“, sagt Sprecher Philipp und dankt damit für die Unterstützung durch Bürger und diese Zeitung.
Bialiatski war am 4. August 2011 in der Hauptstadt Minsk verhaftet und am 21. November 2011 zu viereinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Wegen „Steuerhinterziehung in großem Umfang“, was konstruiert war. Bei ai hat er sich schriftlich bedankt, „insbesondere für die moralische Unterstützung. Was wirklich einen Unterschied machte, waren die Briefe, die ich von gewöhnlichen Leuten bekam“.
Gleich danach hat die Schweinfurter ai-Gruppe zwei „neue Fälle“ übernommen, an Ständen in der Innenstadt auf die Schicksale von Eduard Lobau und Mykalau Statkevich hingewiesen und wieder Unterschriften gesammelt. Auch sie sind nicht mehr vom weißrussischen Willkür-System inhaftiert. Lobau gehörte der oppositionellen Jugendbewegung „Junge Front“ an, war völlig zu Unrecht zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Statkevich war Präsidentschaftskandidat der sozialdemokratischen Partei, wurde 2010 zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Freigelassen worden ist er vor wenigen Tagen am 22. August 2015.
Schließlich Moses Akatugba. Der junge Nigerianer war gefoltert und zum Tod verurteilt worden, weil er Handys gestohlen haben soll. Amnesty setzte sich im Rahmen der globalen Kampagne „Stop Folter“ für den 16-Jährigen ein. ai Schweinfurt (und Gerolzhofen) machte mit und freut sich jetzt über das Ende des 2005 begonnenen Martyriums. Über 3000 Unterschriften habe man allein in Schweinfurt sammeln können, 141 000 waren es bundesweit, berichtet Mitglied Karsten Hentrich. Im Juni 2015 ist er entlassen worden. Auch der mittlerweile 25-Jährige hat in einem Schreiben für die Unterstützung gedankt und angekündigt, dass er „künftig für die Einhaltung der Menschenrechte kämpfen will“.
Lange dauerte die „Geburtstags“-Feier nicht. Es geht weiter. Welchen zu Unrecht Inhaftierten die Gruppe als nächsten betreut, war beim letzten Treffen noch offen. Dann wird man eine Vita erstellen, eine Petition verfassen und wieder an Infoständen Unterschriften sammeln. Die Freilassungen seien „schöne kleine Erfolge“, zeigten aber vor allem den vielen Bürgern und Unterstützern, dass „das Bohren dicker Bretter auch mal erfolgreich ist“, sagt Ulrich Philipp.
Immer wieder auch sitzen die Aktiven beisammen und formulieren zum Mutmachen persönlich gehaltene Grüße an Gefangene, die mitunter an Familienangehörige gesandt werden, damit der Gefangene von der Aktion zumindest erfährt. Diese Zeichen, „nicht vergessen zu sein“, seien für viele Gefangene „überlebenswichtig“, schildert Ulrich Philipp.
Dass nun in kurzer Folge so viele Gefangene der ai-Gruppe Schweinfurt frei kamen, sei „Motivation weiterzumachen“, sagen Marie Luise Gillert und Inge Hentrich.
Bei der Nacht der offenen Kirchen am 2. Oktober ist auch ai dabei. „Trommeln gegen die Folter“ mit der Percussionsgruppe Stampf, Leber, Fischer und Musikern des Humboldt-Gymnasiums ist ihr Beitrag in St. Anton.
Die Schweinfurter ai-Gruppe sucht vor allem junge Leute. Sie trifft sich jeden dritten Donnerstag eines Monats um 19.30 Uhr im Kultur-Packt-Büro in der Burggasse 2. Kontakt via E-Mail schweinfurt@amnesty-wuerburg.de oder Tel. (0 97 21) 18 73 20.