
Es ist ziemlich Dampf unter dem Deckel: Ferkelkastration, Kupierverbot, Antibiotikameldepflicht, Haltungskompass. Die Bauern machten bei der gemeinsamen Winterversammlung der Nordbayerischen Vermarktungsgesellschaft (NVG)-Bovex GmbH mit der Viehvermarktungsgenossenschaft (VVG) Nordbayern in der Alten Amtsvogtei in Grafenrheinfeld ihrem Ärger über "immer mehr Verbote und Restriktionen" Luft. Zu allem Übel droht nun auch noch der Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest mit schweren Folgen für die Hausschweinebestände und damit für die landwirtschaftliche Produktion. Und seit Montag ist gewiss: Ein neuerlicher Ausbruchsfall der Blauzungenkrankheit in Baden-Württemberg an der Grenze zu Bayern hat zur Ausweitung der Restriktionszone bis nach Unterfranken in Stadt und Landkreis Würzburg geführt. "Wir warten darauf, dass ganz Deutschland Sperrgebiet wird", überbrachte Dr. Anja Heinelt vom Veterinäramt Schweinfurt den Bauern diese Hiobsbotschaft.
Um solche gewichtigen Themen verdauen zu können, durften sich die rund 30 anwesenden Landwirte vorab erst einmal an dem von der Genossenschaft spendierten Buffet stärken. NVG-Geschäftsführer Sebastian Hill informierte danach über die aktuelle Entwicklungen auf dem Fleischmarkt. Hier zeigt sich: Die großen Produzenten wie China und USA steigern ihre Absätze, während in der EU die Produktion stagniert, in Deutschland sogar rückläufig ist. Allerdings droht auch dem "größten Player auf dem Schweinemarkt" ein Einbruch. Laut Hill mussten wegen der Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest in China zahlreiche Betriebe aufgeben. Er prognostizierte einen Rückgang von zehn bis 20 Prozent in der chinesischen Schweinefleischproduktion.
NVG zieht positive Jahresbilanz
Für die NVG zieht Hill insgesamt eine positive Jahresbilanz 2018: Bei den Großviehschlachtungen gab es eine Steigerung um 2500 auf 56 000 Tiere, bei den Schweineschlachtungen liegt man mit 239 000 Tieren auf Vorjahresniveau. Nur bei den Lämmern ist ein Rückgang zu verzeichnen. Durchwegs positive Zahlen vermeldete er für den Nutzviehbereich. So wurden 2018 rund 13 000 Tiere mehr gehandelt als 2017.
Aktuell ist der Haltungskompass bei der NVG ein großes Thema. Viele Discounter kennzeichnen auf Fleischverpackungen mittlerweile, wie ein Tier zu Lebzeiten gehalten wurde, um dem Verbraucher mehr Transparenz zu bieten. Die NVG bietet Landwirten an, ihre Halterdaten zu sammeln und digital zu verarbeiten, um Tiere so gezielter vermarkten zu können. "Wir könnten damit eine Vorreiterrolle einnehmen", warb Hill dafür, sich dem Trend nach tiergerechteren Haltungsformen nicht zu verschließen.
Betäubungslose Kastration um zwei Jahre verschoben
Diskussionsstoff bot der Vortrag von Amtstierärztin Dr. Anja Heinelt über Tierarzneimittel-Datenbank, Ferkelkastration, Afrikanische Schweinepest, Kupierverbot und Blauzungenkrankheit. Vor allem die Ferkelkastration ist bei den Bauern ein unliebsames Thema. Die Regierung hat das zum 1. Januar 2019 greifende Verbot der betäubungslosen Kastrationum zwei Jahre verschoben, um Ferkelerzeugern noch mal mehr Zeit zur Umstellung ihrer Betriebe zu geben. Der Bauernverband hätte es am liebsten, wenn Bauern die Ferkel vor dem Herausschneiden der Hoden nur lokal betäuben dürften. Das Bundeslandwirtschaftsministerium setzt auf drei andere Alternativen. Entweder die Immunokastration, bei der ein Mittel gespritzt wird, das die Hoden funktionsuntüchtig macht. Oder zweitens die Ebermast, auch hier blieben die Hoden erhalten. Oder drittens die chirurgische Kastration unter Betäubung.
Heinelt hält alle vier Methoden für praktikabel, nannte aber auch Kritikpunkte. Die Immunokastration ist teuer, die Betäubung der Ferkel durch Tierärzte ebenfalls, die Ebermast aufwendig und bei der von den Bauern favorisierten Lokalanästhesie die Schmerzausschaltung nicht gewährleistet. "Wir hoffen, dass die zwei Jahre genutzt werden und eine gute Lösung gefunden wird", formulierte Heinelt die Forderungen des Veterinäramtes nach einem für Tiere und Landwirte tragbaren Weg. Die im Saal Anwesenden sind sicher, dass der "vierte Weg" kommen wird, die vom Bauernverband favorisierte Lokalanästhesie. In Schweden und Dänemark sei dies längst kein Thema mehr. "Und eine hundertprozentige Schmerzausschaltung gibt es bei keiner Methode", meinte ein Landwirt.
Bauern fordern schärfere Kontrollen auf Rasthöfen
Heftig diskutiert wurde auch das ab 1. Juli 2019 geltende Kupierverbot bei Schweinen. "Wir haben Schwanzbeißer wie noch nie in der Fläche", kritisierte ein Bauer den hohen bürokratischen Aufwand für eine betriebliche Risiko-Analyse, die künftig für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für das Schwanzabschneiden nötig sein wird. Und dann noch die Sorgen um den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest. "Sie ist links und rechts von uns, sie wird uns über kurz und lang auch treffen", prognostizierte NVG-Geschäftsführer Hill. Und sobald sie hier auftritt, "wird es vielfältige Einschränkungen geben", machte Amtstierärztin Heinelt deutlich.
So zum Beispiel ein Verbot der Freilandhaltung, die vollständige Abschottung des Ausbruchgebietes oder die Leinenpflicht für Hunde. Eine engmaschige Kontrolle von Fernfahrern aus dem Osten forderte ein Landwirt, weil auf diesem Weg das Virus eingeschleppt werden könne. Hier sei das Veterinäramt bereits tätig geworden und habe alle Speditionen mit entsprechendem Informationsmaterial ausgestattet. Das ist manchen Bauern nicht genug. Sie verlangen schärfere Kontrollen auf Rasthöfen. "Wir werden gegängelt und niedergemacht und die Landwirtschaft per se schlecht gemacht, wenn sie nicht ökologisch ist", brachte einer auch noch das Volksbegehren zum Artenschutz aufs Tapet.
Da hatte es die letzte Referentin nicht leicht, den Bogen zur Imagekampagne des Vereins "Unsere Bayerischen Bauern" zu schlagen. Doch Geschäftsführerin Eva-Maria Haas gelang es mit ihrer schwungvollen Präsentation, doch noch den Eindruck von ein Stückchen heiler Landwirtschaft zu vermitteln.
NVG Bovex GmbH
Die 2006 gegründete NVG Bovex GmbH ist eine gemeinsame Tochter der Viehzentrale Südwest GmbH und der Viehvermarktungsgenossenschaft Nordbayern. Das genossenschaftlich orientierte Unternehmen ist als Vermarktungsorganisation für Vieherzeuger im Auftrag der VVG Nordbayern in Unter-, Mittel- und Oberfranken sowie der Oberpfalz tätig. Die VVG Nordbayern hat ihren Sitz in Kitzingen, die Viehzentrale Südwest in Stuttgart.