"Deutschland, Deine Rentner. Solange sie noch atmen, können sie auch arbeiten" – Die "IG Bauen-Agrar-Umwelt" mischt derzeit im Wahlkampf mit. Im ironischen Youtube-Wahlaufruf "...iXen gehen!" muss ein graumelierter "Marathon-Schufter" noch mit 78 Jahren Zementsäcke schleppen. Die Mitglieder sollen ihr Kreuzchen entsprechend an der richtigen Stelle setzen. Gleichzeitig läuft die fünfte Verhandlungsrunde im Tarifkonflikt mit den Arbeitgebern, mit deutschlandweiten Kundgebungen, auch in Schweinfurt.
Rund 170 Demonstranten hatte die IG Bau Franken am Donnerstag im künftigen Wohngebiet "Bellevue", ehemals "Askren Manors", zusammengetrommelt. Dort, wo die Kräne und Betonmischer derzeit nicht still stehen. Sollten die Verhandlungen für bundesweit 890 000 Beschäftigte und die Schlichtung scheitern, ist im Herbst Streik möglich. Auch in Franken droht der heiße Herbst.
Auf der Schweinfurter Großbaustelle zeigt man sich entschlossen und lässt grimmige Arbeiterkampflieder erklingen. Hans Beer, Regionalleiter der fränkischen IG Bau, erinnert am Amerika-Platz an den weiterhin herrschenden Bauboom nach "acht goldenen Jahren" in der Branche. 5,3 Prozent mehr Lohn fordern die Facharbeiter "als Anerkennung ihrer enormen Leistung". Aber auch Wegezeit-Entschädigung: "Bei jedem Installateur und Techniker steht die Anfahrt auf der Rechnung drauf." 64 Kilometer lege ein Bauarbeiter im Schnitt am Tag zurück. Ebenso wolle man eine Angleichung der Ost- an die Westlöhne. Aber nicht etwa die Westeinkünfte auf das Lohnniveau der ostdeutschen Bundesländer bringen, wie Gewerkschaftssekretär Michael Langer eingangs süffisant feststellte.
Die Schweinfurter Betriebe, wo das Baugewerbe einen starken Stand hat, sind bei der Demo gut vertreten.
Jeder Baubeschäftigte arbeitet im Schnitt 1440 Stunden im Jahr
Auf ein "Spitzen-Arbeitspensum" im Landkreis Schweinfurt hatte die Gewerkschaft schon in ihrer Pressemitteilung hingewiesen: Hier arbeitete jeder Baubeschäftigte im Schnitt 1440 Stunden im Jahr. Das seien durchschnittlich 153 Stunden oder 11,9 Prozent mehr als bei anderen Beschäftigten, quer durch alle Berufe. Die IG Bau Mainfranken beruft sich dabei auf den Arbeitsmarkt-Monitor des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung für 2019, dem Jahr vor Corona.
"Der Bau gehört demnach zu den Branchen mit einem Spitzenpensum bei der Arbeitszeit", teilt Bezirksvorsitzender Michael Groha mit. Vermutlich habe sich die Stundenzahl in den letzten zwei Jahren noch erhöht: "In der Pandemie hat es einen enormen Auftragsstau im Baugewerbe gegeben." Den Halbtags-Maurer gebe es nicht, die körperliche Belastung sei gewaltig, ebenso die Zahl der Überstunden. Entsprechend müssten Bauarbeiter im Schnitt vor dem 59. Geburtstag in Rente gehen, lange vor dem 67. Lebensjahr, mit Abstrichen bei den Rentenzahlungen, aber auch der Lebenserwartung, so Groha. Ein Beamter habe statistisch gesehen 5,6 Jahre mehr von seiner Pension. Entsprechend fordert die Bundesgewerkschaft eine grundlegende Rentenreform. Notwendig sei eine Rentenkasse, in die alle einzahlen, der Polier genauso wie die Professorin und der Politiker.
Auch die Gewerkschaftsjugend hatte auf der Demo klare Forderungen: Enteignung des Wohnkonzerns "Deutsche Wohnen", die 30-Stunden Woche, Tarifbindung, Löhne, die bei der Produktivitäts-Steigerung mithalten, sowie einen aktiven Kampf gegen die Klimakrise.