
Dürfte man wenigstens heutzutage Babypuppen auf eine Torwand schießen, bei einem Privatsender? Wegen dieses Gipfels der Geschmacklosigkeit wurde die „Ingo Appelt Show“ seinerzeit abgesetzt, vor 18 Jahren bei Pro 7. In Zeiten verrohter Wutbürger und ertrinkender Bootsflüchtlinge kommt einem die Aufregung, um einen sinistren Gag zum Thema Beckenbauer-Baby, wie ein Eklat bei Peter Frankenfeld vor, irgendwo in der grauen Vorzeit der Fernsehunterhaltung.
„Besser ist besser“ nennt sich das aktuelle Programm des im Jahr 2000 gechassten selbst ernannten „Spaßterroristen“ Ingo Appelt. Die Kulturhalle ist nur so halb voll, aber wie es heißt, lebt der Wahlberliner, Anfang 50, seinen schwarzen Humor sowieso lieber vor kleinerem Publikum aus. Aber nicht nur Ingo ist back: Friedrich Merz, wegen Blackrock und Merkelrückzug in aller Munde, soll sich damals persönlich um die Absetzung der Show bemüht haben, beim fränkischen Medienmogul Leo Kirch.
Vermutet der Comedian, der in jungen Jahren mal in Würzburg gelebt hat. Das Teufelsbärtchen ist ab, die Mephistofrisur in Ehren angegraut, vor zwei Jahren hat der Quatsch Comedy-Veteran „multikulti“ in Las Vegas geheiratet. Der Spaß, aber nicht der Erfolg, heiligte in seinen wildesten Zeiten alle Mittel. Angesichts realen Elends ist auch ein Ingo Appelt ruhiger geworden.
Parken mit dem Parteiausweis
„Wer sechs Millionen Juden umbringen kann, müsste auch 1,5 Millionen Flüchtlinge aufnehmen können“: Vor 20 Jahren hätte ein Showmaster mit einem solchen Satz noch heftige Zuckungen bei den politisch Korrekten ausgelöst. Mittlerweile klingt so was selbst schon fast wie das letzte Zucken humanistischen Anstands. Leicht hatte es der Mann auf der Bühne nie: Geboren am 20. April, im Spaßterrorjahr 1967. Ein Trennungskind aus dem Ruhrpott und bekennend unsportlicher Stiefsohn des Würzburger Spitzen-Kickers Günter „Nobby“ Fürhoff. Außerdem SPD-Mitglied. Mit dem Parteiausweis konnte er damals auf dem Behindertenparkplatz parken, entschuldigt sich Appelt (und knuddelt eine einsame Genossin im Publikum).
Nun muss der Vorarbeiter zuschauen, wie andere eine Ernte heimfahren, die er mit F-Wort und Brachialsatire im Fernsehen gesät hat: Jan Böhmermann etwa, von wegen „Ziegenficker“ (warum ist er da nicht selber drauf gekommen?). Oder Carolin Kebekus, mit ihrem „Pussy Terror“. Frauen dürfen das, vermutet der standhafte „Martin Luther der Männlichkeit“. Ein „Pimmelalarm“ käme immer noch nicht so gut. Man müsse ja nur das Radio aufdrehen, voller Depri-Songs kraftvoller und zugleich gebrochener Männertypen, um zu verstehen: Im 21. Jahrhundert darf Mann nurmehr Dienstleister sein, am starken Geschlecht von Me too-Göttinen.
Wilde Improvisation seine Stärke
Eine Mischung aus Macho und Weichei, also „Matschei“. Die schnelle, wilde Improvisation ist Appelts Stärke: Er philosophiert über die Unmöglichkeit einer Liebeserklärung auf Fränkisch, vernuschelte Ballerscheiße mit „Actionheld“ Til Schweiger, einem auf den Klo textenden, pressenden Grönemeyer, Hitler als durchgeknallten „Veget-Arier“. Über Trump, der Merkel vermutlich für seine hässliche Sekretärin hält.
Es geht um die Freuden der Selbstbefriedigung oder eine schwule, friedfertige Bundeswehr als Wunderwaffe am prüden Hindukusch. Natürlich kann jemand, der gerade Sigmar Gabriel ein paar Kilo abgenommen hat, auch mit Heidi Klum und GNTM wenig anfangen: „Wer hungern will, soll nach Äthiopien, wir haben genug zu fressen.“ Das wäre dann ein richtiger Flüchtlingsaustausch.
Dazu gibts Ministrantenwitze, dem „Söder-Kruzifix“ an der Hallenwand zum Trotz. Als Zugabe befasst sich Ehemann Appelt mit erogenen Abgründen im Sexleben, ein Alptraum orgasmischen Ausmaßes. Am Ende gibt es teilweise stehende Ovationen, für einen, der sich selber treu geblieben ist. „Ich bin Humanist“, hat der Satan mal zu seinem Anwalt gesagt, als Fan der Menschheit gespielt von Al Pacino: „Vielleicht ja sogar der Letzte.“