Um drei weitgehend in ihrer Zielsetzung deckungsgleiche Eingaben und Petitionen zur Steigerwaldbahn ging es jetzt im Bayerischen Landtag im Ausschuss für Wohnen, Bauen und Verkehr. Damit soll erreicht werden, dass ein von der Deutschen Bahn geplanter Verkauf der Strecke solange ausgesetzt wird, bis die Regierung von Mittelfranken über das laufende Verfahren zur Entwidmung, sprich Freistellung, der Strecke entschieden hat. Diese wird von einer Reihe von Anrainergemeinden im Gegensatz zu den Landkreises Schweinfurt und Kitzingen oder der Stadt Gerolzhofen gewünscht.
Durch die Verlängerung der Frist und Prüfung einer Reaktivierung möchten die Antragsteller verhindern, dass Fakten geschaffen werden, die schon heute eine Wiederinbetriebnahme des Schienenverkehrs auf der Strecke von Schweinfurt über Gerolzhofen in Richtung Schweinfurt für immer unmöglich machen würden.
Konkret handelt es sich um eine Online-Petition von Ricky Haubenreich aus Stadelschwarzach im Namen des Fördervereins Steigerwald-Express sowie zwei Eingaben zum einen von Andreas Witte aus Kitzingen ebenfalls vom Förderverein Steigerwald-Express und zum anderen von Ronny und Daniel Würfel aus Großstolpen für die Thüringer Bahn Initiative.
Der Paragraf 80, Absatz 4, in der Landtags-Geschäftsordnung
Der Landtagsausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr hat am Ende mit großer Mehrheit beschlossen, so zu verfahren wie es im Paragrafen 80, Absatz 4, seiner Geschäftsordnung vorgesehen ist. Demzufolge können in den Ausschüssen behandelte Petitionen auf Grund einer Erklärung der Staatsregierung oder auf Grund eines Landtags- oder Ausschussbeschlusses für erledigt erklärt werden. Dies ist hier in zweifacher Form gegeben. Einmal durch eine Erklärung von Bayerns Bauminister Hans Reichhart (CSU), der sich der Ausschuss mehrheitlich angeschlossen hat, und zum anderen durch die darauf fußende Ablehnung durch die Landtagsmehrheit von Dringlichkeitsanträgen der Grünen, der SPD und der AfD.
Mit ihnen sollte ebenfalls das Freistellungsverfahren zur sogenannten Entwidmung der Bahnstrecke gestoppt werden und der dem Verkehrsministerium unterstellten Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) einen Prüfauftrag für die mögliche Reaktivierung erteilt werden. Außerdem sollte sich die Staatsregierung einsetzen, dass die Verkaufspläne der DB Immobilien bis auf weiteres ausgesetzt werden, um dem vorzeitigen Verkauf und Rückbau von Gleisen und anderen Anlageteilen einen Riegel vorzuschieben.
Welche Strecken sind reaktivierungswürdig, welche nicht?
Im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern wurde vereinbart, stillgelegte Eisenbahnstrecken nur dort zu reaktivieren "wo es sinnvoll und möglich ist". Der Bericht soll bis zum Herbst vorliegen. Die Staatsregierung hat dementsprechend für eine Reaktivierung von Bahnstrecken Kriterien entwickelt, die bayernweit einheitlich gehandhabt werden. Erst wenn diese Rahmenbedingungen kumulativ erfüllt sind, prüft der Freistaat, ob er ein Eisenbahnverkehrsunternehmen mit dem Erbringen von Zugleistungen im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) beauftragt.
Das sind die von der BEG dazu aufgestellten vier Voraussetzungen:
- Ein vom Freistaat Bayern anerkanntes Gutachten, wonach eine Fahrgast-Nachfrage von mindestens 1000 Reisenden-Kilometer gegeben ist. Im nördlichen Streckenabschnitt zwischen Gerolzhofen und Schweinfurt liegt das angenommene Potential laut einer länger vorliegenden Berechnung mit über 1200 Reisenden-Kilometer pro Streckenkilometer klar darüber, südlich von Gerolzhofen in Richtung Kitzingen aber deutlich darunter.
- Die Infrastruktur der Strecke wird ohne Zuschuss des Freistaats in einen Zustand versetzt, der einen attraktiven Zugverkehr ermöglicht.
- Ein Unternehmen betreibt die Strecke dauerhaft zu einem Preis, der nicht teurer ist als die Deutsche Bahn.
- Die Landkreise als Aufgabenträger des ÖPNV verpflichten sich, ein mit dem Freistaat abgestimmtes Buskonzept im Bereich der Bahnstrecke umzusetzen.
Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) vertritt den Standpunkt, dass es damit für eine Reaktivierung einer Eisenbahnstrecke klare und einheitliche Kriterien gebe. Die Entscheidungsträger vor Ort müssten sich deshalb erst einmal einig werden, ob sie eine Reaktivierung der Steigerwaldbahn wollen und dann klare Beschlüsse fassen, fordert der Minister für Bauen, Wohnen und Verkehr. So ein Konsens fehle bisher.
Unterschiedliche Interpretationen
Ob die Anwendung des Paragrafen 80, Absatz 4 nun einen Aufschub zumindest bis zum Herbst bedeutet, wenn die Listen mit den „reaktivierungstauglichen“ Strecken vorgelegt wird, indem solange keine vorzeitigen Maßnahmen ergriffen werden dürfen, oder nicht, darüber gehen die Einschätzungen indes auseinander. So sieht etwa Ricky Haubenreich darin eine „Entscheidung, die schon Tragweite hat“, andere aber nur den Status quo bestätigt. Anders ausgedrückt: Vor allem die Antragsteller sehen ihre Petitionen angenommen, andere wie der Ausschussvorsitzende Sebastian Körber (FDP) sehen sie „faktisch“ als nicht angenommen.
Fakt scheint zu sein, dass das laufende Entwicklungsverfahren bei der Regierung von Mittelfranken eher in den Hintergrund tritt und von der Entscheidung über die von der Staatsregierung als reaktivierungswürdig angesehenen Strecken überdeckt wird.