
Empörung, Ratlosigkeit ist meist die erste Reaktion, wenn man davon erfährt, dass Männer gegenüber ihren Partnerinnen gewalttätig werden. "Gewalt" - das ist nicht nur die körperliche Gewalt, also Schlagen, oder so stark schubsen, dass die Partnerin zu Fall kommt, sich vielleicht verletzt. Gewalttätiges Handeln kann sich auch darin zeigen, dass die Partnerin mit Worten erniedrigt wird ("Schlampe", "fette Sau", "blöde Kuh"), dass der Mann ihr nur einen geringen Geldbetrag überlässt, mit dem sie den Lebensmitteleinkauf für die ganze Familie erledigen muss, oder dass der Mann ständig kontrolliert, mit wem die Frau spricht, und wohin sie geht, dass ihr zum Beispiel gedroht wird, sie und/ oder die Kinder umzubringen.
Etwa 140 000 Delikte häuslicher Gewalt wurden im Jahr 2018 in Deutschland polizeibekannt. Es ist zu vermuten, dass viele Vorfälle häuslicher Gewalt nicht zur Anzeige kommen. Etwa 80 Prozent der gewalttätigen Handlungen werden von Männern verübt. Im Bereich "Sexuelle Übergriffe, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung" sind die Frauen fast zu 100 Prozent die Opfer, kaum geringer ist diese Prozentzahl, wenn es sich um Bedrohung, Stalking oder Nötigung handelt. Genauere Auskunft über das Thema "Häusliche Gewalt" gibt die Veröffentlichung auf der Homepage des Bundeskriminalamtes. In Unterfranken wurden im Jahr 2018 1957 Fälle häuslicher Gewalt polizeibekannt.
Kinder sind überfordert
"Einsperren !" ist die Reaktion vieler Menschen, vor allem von Männern, wenn man sie fragt, was man mit den Männern tun sollte, die Gewalt gegenüber ihren Partnerinnen und Kindern ausgeübt haben. Für Kinder, die gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen ihren Eltern miterleben, ist dieses Erleben erschreckend; sie übernehmen dann oft die Aufgabe, für Versöhnung zu sorgen – eine Aufgabe, die sie natürlich völlig überfordert. Aber: "Einsperren!" – ist das die Lösung ? Die Erfahrung zeigt, dass durch Haftstrafen, oder auch durch auferlegte Geldbußen das Problem nicht gelöst wird: nach einer Phase der Versöhnung kommt es häufig erneut zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, die in der Häufigkeit noch zunehmen.
Es gibt es wirkungsvolle Möglichkeiten, Männern dabei zu helfen, Auswege aus ihrem gewalttätigen Handeln in der Partnerschaft zu finden, neue Wege im Umgang mit ihren eigenen Emotionen, insbesondere ihren aggressiven Impulsen zu finden. Das ist die Erfahrung der Gruppenleiter Christian Schäflein und Thomas Walter, beide sind Sozialpädagogen. Sie leiten die Gruppe "Gewaltfrei Reden- Gewaltfrei Handeln", die der Verein Männer contra Gewalt schon seit fast 20 Jahren anbietet. In diese Gruppe werden nur Männer aufgenommen, die in ihrem näheren sozialen Umfeld gewalttätig geworden sind. Klares Prinzip: "keine Toleranz der Gewalt".
Wahrnehmung eigener aggressiver Impuls
Im Flyer, der auf auf dem Homepage des Vereins Männer contra Gewalt eingesehen werden kann, wird das Gruppenangebot beschrieben: "In der Gruppe können Männer, die gewalttätig geworden sind, lernen, ihr gewalttätiges Verhalten besser zu verstehen. ... Die deutlichere Wahrnehmung eigener aggressiver Impulse hilft, sie besser zu steuern, sich selbst wirksam und liebenswert zu erfahren, neue, gewaltfreie Formen der Auseinandersetzung und Verständigung mit der Partnerin und den Kindern zu entwickeln und einzuüben. Erste Aufgabe in der Gruppe sei es, eine Ebene des Vertrauens zu schaffen, berichten die beiden Sozialpädagogen. "Wir begegnen den Männern, die an der Gruppe teilnehmen mit Respekt und Interesse an ihrer Person – was nicht heißt, dass wir gewalttätiges Handeln relativieren oder gar billigen." Die Teilnahme an der Gruppe ist ein Angebot, alternative Konfliktlösungskompetenzen zu erlernen. Manche Männer melden sich an, weil ihre Beziehung auf dem Spiel steht, manche werden auch von der Staatsanwaltschaft verpflichtet, an dieser Gruppe teilzunehmen. Die erfolgreiche Teilnahme an der Gruppe kann dazu führen, dass von einer Bestrafung abgesehen wird.
In einem Erstgespräch mit den beide Gruppenleitern wird dem Mann, der an der Gruppe teilnehmen will, das Konzept der Gruppenarbeit vorgestellt. Er hat die Möglichkeit, die Gründe zu erläutern, warum er an der Gruppe teilnehmen will. Die Gruppenleiter entscheiden dann, ob das Gruppenangebot für ihn geeignet ist. Da an der Gruppe nur Männer teilnehmen, die nach Auswegen aus ihrem gewalttätigen Handeln suchen, besteht die Möglichkeit, auch untereinander in Austausch zu kommen, welche Erfahrungen die Männer mitbringen, ihr gewalttätiges Handeln besser in den Griff bekommen zu können.
Alternative Handlungsweisen möglich
Die genaue Rekonstruktion einer Eskalation, die in der partnerschaftlichen Kommunikation zu gewalttätigem Handeln geführt hat, kann zeigen, wo alternative Handlungsweisen möglich sein können. Diese Rekonstruktion wird auch dazu genutzt, den eigenen Gefühlen in dieser Situation mehr Beachtung zu schenken, also eine bessere Selbstwahrnehmung zu entwickeln. Konkrete Angebote, die helfen können, den Stress zu reduzieren, geben den Männern die Erfahrung von Selbstwirksamkeit: "Ich kann mein Verhalten steuern", lautet ein Leitsatz. Immer wieder machen die Gruppenleiter die Erfahrung, dass die Männer, die gewalttätig werden, in ihrer Kindheit selbst Gewalt erfahren haben. Das väterliche Vorbild ist unbewusst noch wirksam – auch wenn man sich den Vorsatz gefasst hat: "So wie mein Vater will ich nicht werden." In Rollenspielen wird trainiert, wie man gewaltfrei kommunizieren kann. So wird eingeübt, dass man die gewohnte Art der Kommunikation, Vorwürfe zu machen, ersetzt durch das Sprechen über seine Sicht der Dinge ("Ich ärgere mich über Dich, weil..." - anstatt "Du blöde Kuh"). Oder darauf zu achten, dass man der Partnerin sagt, was man an ihr schätzt, oder anerkennt, was sie für einen oder für die Kinder getan hat – auch wenn das Männern manchmal schwer fällt.
Mehr Vertrauen
Zusammenfassend können die beiden Trainer feststellen, dass der Weg Männern, die gewalttätig geworden sind, zu helfen, ihr gewalttätiges Handeln besser zu verstehen, und ihre Kommunikation so zu verändern, dass das gegenseitige Verstehen in der Partnerschaft besser wird, zu einem größeren Vertrauen führt, häufig erfolgreich ist. Aktuell beenden die Trainer eine Gruppe mit fünf Teilnehmern, die alle mit Motivation das Training durchlaufen haben.
Die beiden Trainer Christian Schäflein und Thomas Walter, die seit fast 20 Jahren mit gewalttätigen Jugendlichen und Männer arbeiten, sind sich einig: Die Männer müssten lernen, ihre eigenen Gefühle wahrnehmen und erkennen zu können. Der nächste Schritt sei dann, sich zu trauen darüber zu reden. Dies sei dann möglich, wenn es uns gelingt, einen Rahmen zu gestalten, in dem sich die Männer als Person angenommen fühlen. Auf dieser Basis könnten alternative Strategien eingeübt werden.