Es sind einfache Sätze, mit denen der junge Flakhelfer Gerhard Bellosa seinen Alltag im Bombenkrieg beschreibt. Gerade hat er die Erlaubnis bekommen, die Stellung für ein paar Sunden zu verlassen und nach Hause zu gehen, da ist schon wieder Fliegeralarm: „Wieder heulen die Sirenen, wieder rennen wir in den Keller.“
Am Sonntag, dem Vorabend des 70. Jahrestags des zweiten großen Luftangriffs auf Schweinfurt, hat Oberbürgermeister Sebastian Remelé in der Rathausdiele mit einem kurzen Festakt die Ausstellung „Schweinfurt im Luftkrieg 1943–1945“ eröffnet, die bis 8. Dezember in der Ausstellungshalle Altes Rathaus zu sehen ist (wir berichteten). Er begann seine Ansprache mit Zitaten aus dem Tagebuch des Gerhard Bellosa.
An jenem 14. Oktober 1943 trifft es die Angreifer ebenso wie Gerhard Bellosas Heimatstadt besonders hart. Die Amerikaner sind nach dem aus dem Ruder gelaufenen Angriff des 17. August diesmal fest entschlossen, die Wälzlagerindustrie endgültig auszuschalten. Es wird ein „Black Thursday“ für sie werden, sie werden 60 von 291 Bombern verlieren und 600 Tote in ihren Reihen zählen. Nach der Entwarnung macht sich Gerhard sofort auf den Weg zur Malzfabrik. Dort arbeitet sein Vater. Das Hotel „Weißes Lamm“ brennt, Menschen werfen Federbetten aus den Fenstern. Die Luitpoldstraße ist ein einziges Flammenmeer. Auch die Malzfabrik ist getroffen, aber der Vater lebt.
Die Ausstellung bietet einen schnell zugänglichen Überblick über das Thema – mit einer Fülle von Daten und Fakten, vor allem aber mit teilweise noch nie publiziertem oder neu zugeordnetem Bildmaterial. Stadtarchivar Uwe Müller hat die Ausstellung zusammen mit der Kunsthistorikern Daniela Kühnel konzipiert. Auf 18 Stellwänden sind etwa die großen Angriffe abgehandelt oder Themen wie „Alltag im Krieg“ oder „Schweinfurt als Ziel“.
Junge Leute seien die Hauptadressaten der Ausstellung, so Remelé. Es gehe darum, an das Leid der Schweinfurter Bevölkerung zu erinnern, aber auch daran, welch schreckliches Leid damals von deutschem Boden ausgegangen sei. Und es gehe darum, Dankbarkeit zu zeigen für die längste Periode Europas in Frieden, Wohlstand und Freiheit.
Vor vielen Jahren schon haben ehemalige Flakhelfer und ehemalige Mitglieder der Bomberbesatzungen, die damals den verlustreichsten Luftangriff der US Air Force des Zweiten Weltkriegs flogen, Freundschaft geschlossen. Die Flakhelfer sind heute über 80, ihre ehemaligen Gegner über 90, weswegen keiner der Amerikaner mehr zur alljährlichen Kranzniederlegung beim Luftkriegsdenkmal am Spitalseebunker anreisen kann.
Zur Ausstellungseröffnung war Robert D. McCaleb gekommen. Sein Vater H. Kenneth McCaleb war Navigator in einem der B-17-Bomber. Seine Staffel geriet am 14. Oktober 1943 zwischen Würzburg und Schweinfurt unter Beschuss, H. Kenneth McCaleb sah 14 seiner 20 Kameraden sterben, darunter seinen besten Freund. „Ihre Anwesenheit heute hier zeigt Ihren Wunsch nach Frieden“, sagte sein Sohn Robert in seinem Grußwort. Die Geschichte der Versöhnung ehemaliger Kriegsgegner sei eine Lektion für alle Nachgeborenen. McCaleb würdigte den Einsatz von Georg Schäfer und Gudrun Grieser bei der Begründung vieler dauerhafter Freundschaften und dankte allen Eltern, die ihre Söhne und Töchter im Geiste des Friedens erziehen.
Damit der Besucher die Rathaushalle nicht nur mit Eindrücken von Krieg und Zerstörung verlässt, ist gleichzeitig die Ausstellung „Vielerlei Wiederaufbau“ zu sehen, die Polnische Historische Mission der Universität Würzburg und Stadtarchiv Würzburg gemeinsam erarbeiten haben. Sie untersucht vergleichend, wie ab 1945 der Wiederaufbau in drei polnischen und drei fränkischen Städten in Angriff genommen wurde, und zwar in Aschaffenburg, Breslau, Danzig, Schweinfurt, Warschau und Würzburg.
Schweinfurt im Luftkrieg, Ausstellungshalle Altes Rathaus, bis 8. Dezember. Di.–So., 10–18 Uhr, Eintritt frei. Der höchst informative Katalog kostet 10 Euro. Weitere Bilder unter schweinfurt.mainpost.de