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SCHWEINFURT
Ausstellung über Produktpiraterie: Gefährliche Schnäppchen
Original oder Fälschung: Bei Bohrmaschinen und Bremsbelägen ist das Billig-Produkt auf den ersten Blick kaum zu erkennen.
Foto: Fuchs-Mauder | Original oder Fälschung: Bei Bohrmaschinen und Bremsbelägen ist das Billig-Produkt auf den ersten Blick kaum zu erkennen.
Katharina Winterhalter
Katharina Winterhalter
 |  aktualisiert: 05.11.2015 20:42 Uhr

Der elegante geschwungene Teller „The Wave“ stand noch nicht in den Regalen der Geschäfte, da war schon eine Fälschung auf dem Markt, die so täuschend echt aussieht, dass sie vom Original kaum zu unterscheiden ist. Beim neongrünen Marker hilft nur die Analyse im Labor, um die Unterschiede zu entdecken. Beim Stift richtet die Fälschung wirtschaftlichen Schaden an. Ärgerlich genug. Aber bei der berühmten blauen Pille für den müden Mann kann sie lebensbedrohliche Folgen haben. Und so wirbt der Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie (APM) mit einem drastischen Foto für seine Wanderausstellung, die bis 15. Februar in der Stadtgalerie Schweinfurt gastiert: den nackten Füßen eines Toten in der Pathologie.

Wer Glück hat, bei dem wirken die billig im Urlaub erstandenen Viagra einfach nicht, im schlimmsten Fall erwischt „Mann“ eine Fälschung mit Überdosis und stirbt am Herzinfarkt. Medikamente sind teuer, die Krankenkassen übernehmen oft nur einen Teil, also kaufen gerade Rentner häufig im Internet und fallen dabei auch auf dubiose Anbieter herein, sagt Naemi Paulsen, die die Ausstellung „Schöner Schein. Dunkler Schatten“ seit 2009 auf ihrer Wanderschaft durch deutsche Einkaufszentren begleitet. Paulsens Rat: Medikamente nur in der Apotheke kaufen, im Internet nur bei einer in Deutschland zertifizierten Online-Apotheke.

Die Ausstellung öffnet einem die Augen: es gibt fast nichts, was nicht gefälscht wird. Jeder kennt die angeblichen Luxusuhren und Handtaschen mit den berühmten Signets, die gefälscht aber so billig aussehen, wie sie sind und an denen der Käufer noch nicht mal die wenigen Tage im Urlaub Freude hat. Auch von Billig-Turnschuhen hat man schon gelesen oder erinnert sich an die riesige Vernichtungsaktion von Millionen falscher Nike-Turnschuhen im Hamburger Hafen. Aber dass sogar stilles Wasser in Flaschen als Fake auftaucht, hat sogar die Fachleute vom Zoll überrascht. Trinken sollte man das Billigwasser lieber nicht. „Es gefriert nicht bei winterlichen Temperaturen“, sagt Naemi Paulsen. Vermutlich liegt das an den Weichmachern und anderen ominösen Substanzen.

Die Ausstellung zeigt Fotos von Rauchmeldern, die keinen Alarm auslösen, Akkus im Handy, die explodieren, Wasserkocher, die zu einem Klumpen zerschmelzen. Eindrucksvoller sind natürlich die Exponate, die die Besucher auch anfassen und vergleichen dürfen. Zum Beispiel Kettensägen im Design einer deutschen Markenfirma, bei denen die Kettenbremse nicht einwandfrei funktioniert. Lebensgefährlich. Oder die Generatoren, die eine Bande unter falschem Namen auf Baustellen verkaufte. Preis bis zu 2000 Euro, Wert etwa 50 Euro. Die Fälschungen waren nicht nur überteuert, sondern wurden auch extrem heiß und konnten Brände verursachen.

Ziemlich dreist war der Versuch einer deutschen Firma, einen eleganten Stahlsessel mit Namen „Kreuzschwinger“ in Ostasien herstellen zu lassen und unter gleichem Namen im Internet anzubieten. Über 100-mal wurde das schöne Stück plagiiert, fand der Hersteller heraus und verklagte die Nachahmer. Die Gegenüberstellung in der Ausstellung zeigt die schlechte Verarbeitung, das plumpe Design und das billige Material der Fälschung. Außerdem ist der Billigsessel richtig unbequem und schwingt nicht.

Beim Rundgang wird schnell klar: Fakes sind keine Schnäppchen, sie halten nicht, was sie versprechen, sind oft gefährlich und schaden der Wirtschaft. Das Bundeswirtschaftsministerium schätzt den Schaden in Deutschland auf etwa 50 Milliarden Euro im Jahr. Weltweit wird die Zahl von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf 250 Milliarden Dollar hochgerechnet. Betroffen sind letztendlich auch Arbeitnehmer, die Piraten gefährden Arbeitsplätze.

Der Aktionskreis engagiert sich seit 1997 für den Schutz des geistigen Eigentums. APM ist eine Gemeinschaftsinitiative des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und des Markenverbandes.

„Schöner Schein. Dunkler Schatten“. Die Wanderausstellung gastiert bis 15. Februar in der Stadtgalerie. Anmeldung zu Führungen für Schulklassen unter Tel. (09721) 47 47 60.

 
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Kommentare
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  • h@ssgau
    Und zwischendrin ein Werbefläche des ADAC, die kennen sich ja mit Manipulation bestens aus grinsen
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