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SCHWEINFURT
Ausstellung in der Kunsthalle: Wegmarken
Ausstellung in der Kunsthalle: Wegmarken
Katharina Winterhalter
Katharina Winterhalter
 |  aktualisiert: 26.04.2023 21:43 Uhr

Noch vor ein paar Wochen haben Besucher der Kunsthalle fast die Türen eingerannt. Als die Sammlung Gunter Sachs und mit ihr das Erdgeschoss geschlossen wurde, herrschte plötzlich kurz gähnende Leere. Die Ruhe nach dem Sturm. Nur wenige Besucher verirrten sich ins Untergeschoss zur Sammlung Hierling und Max Ackermanns Strukturbildern – obwohl beides sehenswert.

Seit einer Woche ist die Große Halle wieder bespielt, mit einer Ausstellung, die auch Menschen verstehen, die vielleicht nicht so viel mit zeitgenössischer Kunst anfangen können. Christoph Brech, Münchner Künstler mit Schweinfurter Wurzeln zeigt poetische Videofilme, kluge Fotografien und Installationen, die alle eine Geschichte und viel mit seiner Geburtsstadt zu tun haben. Und an diesem Sonntag wird nun auch die Dauerpräsentation wieder eröffnet – mit neuer Konzeption, neuen Bildern, neuem Titel, neuer Wandbeschriftung.

Es ist der perfekte Zeitpunkt für eine Neuhängung der hauseigenen Bestände. Wegen Sachs war das gesamte Erdgeschoss ohnehin ausgeräumt, außerdem sind seit der Eröffnung der Kunsthalle nun schon wieder fünf Jahre vergangen und in dieser Zeit kamen viele neue Werke in die Sammlung der Museen und Galerien, darunter viele Schenkungen und vier großartige Leihgaben aus der Sammlung der Bundesrepublik Deutschland. Statt auf Diskurse, so der bisherige Titel, setzen die Kuratoren Erich Schneider und Andrea Brandl nun „Wegmarken“ in der deutschen Kunst nach 1945.

Kenner der Sammlung wissen es: der Schwerpunkt lag lange Zeit auf der regionalen Kunstszene – der erste Katalog 1994 hieß noch „zeitgenössische Kunst in Franken“. Dann kam die Erweiterung auf den süddeutschen Raum. Spätestens seit dem Umzug in die Kunsthalle geht der Blick der Kuratoren noch ein gutes Stück weiter. Zum einen gen Osten, auf Künstler der ehemaligen DDR wie Michael Morgner und Hartwig Ebersbach, die gegen die politischen Bedingungen aufbegehrt hatten, zum zweiten auf große Namen des westdeutschen Informel, wie Karl Otto Goetz, Otto Greis und Heinz Kreutz. Die hatten 1952 (mit Bernhard Schultze) die Künstlergruppe Quadriga gegründet, eine der ersten avantgardistischen Gruppen im Nachkriegsdeutschland.

Auch ohne den internationalen Klang, der die Menschenmassen bei der Sammlung Sachs ins Haus gelockt hat, ist diese neue Dauerpräsentation ebenso einen oder mehrere Besuche wert. Wer sich nicht für geschichtliche oder kunstgeschichtliche Zusammenhänge interessiert, wird etliche gegenständliche, farbenfrohe Bilder und figurative Skulpturen sehen, mit denen jeder etwas anfangen kann: Die schöne Frauenfigur „Maja“ von Gustav Seitz, der fast lebensgroße Frauentorso „Heidi“ von Wilhelm Uhlig (im Vordergrund), „Das Paar“ von Fritz König oder das irritierend traurig-erotische Gemälde „Das Federspiel“ von Fritz Burkhardt sind nur einige Beispiele.

Wer sich mehr Zeit nimmt, entdeckt in der chronologischen Hängung spannende Hinweise auf gesellschaftliche Ereignisse und Entwicklungen von 1945 bis heute. Und nun ist auch in Schweinfurt nachvollziehbar – wie beispielsweise in der neuen Hängung im Frankfurter Städel – dass der Zweite Weltkrieg zwar dramatische Auswirkungen auch auf die Kunst hatte, dass das Jahr 1945 aber kein absoluter Neubeginn war, kein extremer Schnitt, nach dem alles ganz anders weiterging als vor der Katastrophe. Die Abstraktion, die Suche nach einer neuen Malerei, hat sich schon viel vorher nicht nur angedeutet, sondern wurde auch praktiziert. Die neue Hängung knüpft viel deutlicher als bisher an die Sammlung Hierling an, die im Untergeschoss Maler „zwischen den Weltkriegen“ zeigt.

Schwerpunkt im Westflügel ist das deutsche Informel, das ja auch Schwerpunkt der Sammlung ist. Brandl und Schneider zeigen freilich zwei Wege: der eine führt in die Abstraktion, der andere in die Figuration. Als „Väter der Abstraktion“ gelten Max Ackermann, Fritz Winter und Willi Baumeister, denen nun mit Isi Huber ein Maler gegenübersteht, der nahe am Gegenstand geblieben ist.

Nicht alles kann hier genannt werden. Besucher können sich auf alte Bekannte freuen wie Rupprecht Geigers großen, neonrosa Kreis. Und auf vieles neue, wie das großartige frühe Gemälde von Karl Otto Götz, der mit einem großen Rakel rasend schnell Farbe auf der Leinwand verteilt hat. Furios auch eine zweite Leihgabe der Bundesrepublik: ein riesiges wildes Gemälde von Heimrad Prem. Damit ist die Künstlergruppe SPUR nun komplett vertreten. Ihr galt schon lange die Aufmerksamkeit der Kuratoren, gehörte sie doch zu den wichtigen Gruppen im süddeutschen Raum, die mit aggressiven und ironischen Bildern gegen die Adenauer-Ära opponierten.

Auch im Nordflur gibt es viele Bezüge und Dialoge. Den ehemaligen DDR-Künstlern Ebersbach und Morgner ist der verzweifelte Mensch „An der Mauer“ von G. Hubert Neidhart von 1964 gegenüber gestellt, dazu der kauernde Mensch, eine rohe Holzskulptur von Andreas Kuhnlein. Ein früher, ungewohnt farbiger Altschäffel korrespondiert mit einem knalligen Triptychon von Franz Hitzler. Im letzten Kabinett ist das Atelier von Victor Kraus aufgebaut, das schon bei seiner Ausstellung im Jahr 2012 viele Besucher fasziniert hat. Zwischen den beiden Flügeln, im Eckraum, der nun Galerie im Quadrat heißt, wird am Sonntag, um 11 Uhr, die Ausstellung „aus der heimat“ mit Werken von herman de vries eröffnet. Die Vernissage ist gleichzeitig der Startschuss für den Internationalen Museumstag in Bayern. Foto: Peter Leutsch

Internationaler Museumstag

Der Museumstag steht unter dem Motto „Sammeln verbindet – Museum collections make connections“. Eröffnet wird der Tag für ganz Bayern in der Kunsthalle Schweinfurt am Sonntag, 18. Mai, 11 Uhr. Die Veranstaltung ist gleichzeitig Vernissage für die neue Dauerpräsentation „Wegmarken“ und die Ausstellung „aus der heimat“, Erdausreibungen von herman de vries. Das weitere Programm: 14 und 15.30 Uhr Führung durch die „Wegmarken“, 15 Uhr Führung durch die Sammlung Joseph Hierling und Max Ackermann; 14 bis 17 Uhr Offenes Atelier.

Im Museum Georg Schäfer ist der Eintritt an diesem Tag auf 3.50 Euro reduziert und für Kinder frei. Um 11 und um 15 Uhr starten die Themenführung „Stille Leidenschaft – Der Sammler Georg Schäfer“, um 15 Uhr die Kinderführung „Ich sammle Bilder, was sammelst du“. Auch Führungen durch die Sonderausstellung „Carl Spitzweg. Die Weltgrößte Sammlung seiner Werke“ werden angeboten.

Auch im Landkreis Schweinfurt beteiligen sich zahlreiche Museen und Sammlungen am Museumstag. Das gesamte Programm samt Öffnungszeiten ist auf www. schweinfurter-oberland.de oder www.museumstag.de zu finden. Hier einige Beispiele: Geöffnet haben der Passionsgarten und die PassionsGalerie Sömmersdorf, das Radsport-Museum Dittelbrunn, das Fränkische Bildstockzentrum Egenhausen, Pfarreimuseum Greßthal, Archäologisches Museum Geldersheim, Apothekergarten Schonungen, Bandkeramikmuseum Schwanfeld, Schatzkammer Grafenrheinfeld und Literaturhaus Wipfeld.

 
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