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SCHWEINFURT
Ausstellung: Als der Bombenkrieg Alltag wurde
Von unserem Redaktionsmitglied Mathias Wiedemann
 |  aktualisiert: 23.09.2013 17:49 Uhr

Die Forschung geht heute davon aus, dass der Zweite Weltkrieg für den Aggressor Deutschland bereits mit dem Scheitern des Blitzkriegs gegen die Sowjetunion, also Ende 1941, verloren war. Manche Historiker sehen sogar im fehlgeschlagenen Versuch im September 1940, die Luftherrschaft über die britischen Inseln zu erringen, eine Vorentscheidung. Mit diesen Anmerkungen eröffnet Hans-Peter Baum seinen Aufsatz im Katalog zur Ausstellung „Schweinfurt im Luftkrieg 1943–1945“, die vom 13. Oktober bis 8. Dezember in der Ausstellungshalle Altes Rathaus zu sehen ist.

Baum ist Privatdozent beim Lehrstuhl für fränkische Landesgeschichte der Universität Würzburg, ehemaliger Mitarbeiter des Stadtarchivs und ehemaliger Leiter des Jüdischen Dokumentationszentrums in Würzburg. Seine Einordnung der Luftangriffe auf Schweinfurt in den Kontext des weltweiten Kriegsgeschehens zwischen 1939 und 1945 ist einer der Ansätze der Ausstellung, das Thema von einer neuen Seite anzugehen. Denn über die Luftangriffe sind über die Jahrzehnte etliche Publikationen erschienen. Auch Zeitzeugen wurden immer wieder befragt.

Zum 70. Jahrestag der ersten Bombardierungen war dies also nicht vordringlichste Aufgabe, zumal viele ehemalige Flakhelfer – damals zwischen 15 und 17 Jahre alt – heute längst in den Achtzigern sind. „Es gibt die Aussagen der Zeitzeugen, und es gibt die Archivalien – eine wichtige Aufgabe wäre es nun, diese beiden Quellen wissenschaftlich zusammenzuführen“, sagt Stadtarchivar Uwe Müller, der die Ausstellung zusammen mit der Kunsthistorikern Daniela Kühnel (geborene Schedel) konzipiert hat.

Die Ausstellung mit 18 Stellwänden soll vor allem vom Bildmaterial leben, denn solches gibt es reichlich. Daniela Kühnel hat dabei den Versuch unternommen, die Aufnahmen von den Zerstörungen überwiegend aus dem Bestand des Stadtarchivs den jeweiligen Angriffen zuzuordnen. Was nicht selten gelang, denn in Trefferplänen und in einem Schadenskataster wurde jeder Einschlag fein säuberlich eingetragen und nach Kategorie – Brand- oder Sprengbombe – spezifiziert. Der fünf Meter hohe Schadensplan wird in der Ausstellung zu sehen sein, die Besucher können außerdem in Tabellen nachschlagen, wann und wie stark es damals welche Schweinfurter Adresse getroffen hat.

Dokumentiert werden nicht nur die drei großen, sondern auch die kleineren Angriffe. Der erste Angriff kam für die Schweinfurter völlig überraschend, schreibt Baum: „Obwohl sie als Einwohner einer Stadt mit einer kriegswichtigen, hier stark konzentrierten und deshalb durch sehr starke und öffentlich sichtbare Flakstellungen geschützten Schlüsselindustrie Luftangriffe eigentlich hätten erwarten müssen.“

Ab jenem 17. August 1943 also wurde der Krieg in Schweinfurt Alltag. Und der war tatsächlich mit deutscher Gründlichkeit durchorganisiert. Es gab ein Kriegsschädenamt, bei dem Betroffene ihre Verluste melden konnten und wohl auch Hoffnung auf Entschädigung gemacht bekamen. Der NS-Apparat suggerierte mit Aufräumaktionen von SA oder HJ und Sonderzuteilungen für Schwerarbeiter, dass sich um jeden gekümmert werde. Im Gegenzug galt: „Jeder musste sich irgendwo anpassen und einfügen“, sagt Daniela Kühnel.

Was in der Rückschau selbstverständlich erscheint, war der Bevölkerung 1943 noch längst nicht klar: Der Krieg war verloren, lange bevor britische und amerikanische Bomberverbände einflogen. Dass es bis zur Kapitulation bis 1945 dauerte, lag – neben dem erbitterten Widerstand der Jugendlichen an den Flakstellungen – daran, dass die Kämpfe im Pazifik erhebliche Kräfte der Amerikaner banden. Und daran, dass erst etliche technische Verbesserungen es erlaubten, die großen Strecken mit schwerer Bombenlast zu fliegen. So setzten die Amerikaner ab Februar 1944 neue Radargeräte ein (die sie den Briten übrigens nicht zur Verfügung stellten). Und mit dem Mustang-Jäger P 51 bekamen die Bomber dann auch noch einen effektiven Geleitschutz.

Damit der Besucher die Rathaushalle nicht nur mit Eindrücken von Krieg und Zerstörung verlässt, ist gleichzeitig die Ausstellung „Vielerlei Wiederaufbau“ zu sehen, die vergleichend untersucht, wie ab 1945 der Wiederaufbau in drei polnischen und drei fränkischen Städten in Angriff genommen wurde, und zwar in Aschaffenburg, Breslau, Danzig, Schweinfurt, Warschau und Würzburg.

„Schweinfurt im Luftkrieg 1943–1945“, 13. Oktober bis 8. Dezember, Ausstellungshalle Altes Rathaus. Di.–So., 10–18 Uhr, Eintritt frei.

Der Blick von oben: Zweiter Angriff am 14. Oktober 1943.
| Der Blick von oben: Zweiter Angriff am 14. Oktober 1943.
Löschwasser am Marktplatz: Nach dem Oktober-Angriff 1943 angelegtes Löschwasserbecken.
| Löschwasser am Marktplatz: Nach dem Oktober-Angriff 1943 angelegtes Löschwasserbecken.
Vor dem Nichts: Menschen suchen in den Trümmern nach ihren Habseligkeiten.
Foto: Stadtarchiv schweinfurt | Vor dem Nichts: Menschen suchen in den Trümmern nach ihren Habseligkeiten.
 
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Kommentare
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  • R. W.
    Was ist das eigentlich, ein Krieg "gewinnen"?
    Die einführenden Sätze dieses Artikels befremden mich. Der Krieg war schon da oder dort "verloren", meint die Forschung. Gerade von der "Forschung" hätte ich mir eine diffisielere Betrachungsweise gewünscht, als einen Krieg nur auf "gewinnen" oder "verlieren" zu beschränken.
    Hat am Ende der gewonnen, der sein Land vergrößern konnte? oder der der dem anderen mehr Tote und somit mehr Leid zugefügt hat?
    Aus meiner Sicht hat Deutschland den Krieg gewonnen!
    Wir waren doch so ziemlich die einzigen, die mit einer funktionierenden Demokratie aus der ganzen Sache raus gekommen sind! Das war der größte Gewinn überhaupt!
    Und es ärgert mich, wenn ich die heutigen etablierten Groß-Parteien sehe, wie sie nach und nach immer ein bißchen mehr dafür sorgen, dass dieses hohe Gut von Jahr zu Jahr mehr vor die Hunde geht!
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