
Faschingstanz in dichtem Zigarettenrauch in einer der vielen Wirtschaften von Euerbach. Schneewittchen und die sieben Zwerge samt Sarg auf dem Schlitten beim schneereichen Faschingszug. Feuerwehrmänner, die in der Schaufel eines girlandengeschmückten Bulldogs sitzen. Was heute kaum vorstellbar ist, zeugt auf alten Fotos von ausgelassenen Faschingsfeiern in früheren Zeiten. Vor allem die 1950-er und 1960-er Jahre wurden lebendig, als die Bilder beim ökumenischen Kirchenkaffee präsentiert wurden.

Wer kann mit Sputnik noch etwas anfangen? So nannte sich die heimische Blaskapelle, die sowohl Faschingszüge als auch Tanzabende in Euerbach begleitete. Hergeleitet war der Name vom ersten sowjetischen Erdsatelliten, der 1957 einen regelrechten Schock in der westlichen Welt auslöste. Die Musik der Kapelle schockierte allerdings nicht, sondern begleitete die Euerbacher bei vielen Gelegenheiten – was auch dem russischen Wort "Sputnik" für "Begleiter" entspricht.
Tausende Bilder gesammelt: "Erinnerungen an Euerbach"
Mit solchen Fotografien unterhielten Bernd und Birgit Försch die meist älteren, rund 70 Gäste des Kirchenkaffees im evangelischen Gemeindesaal. Försch hatte über Jahrzehnte tausende Bilder bei den Euerbacher Familien gesammelt und einen Teil davon 2020 zu einem 450 Seiten dicken Bildband "Erinnerungen an Euerbach" zusammengestellt.

Diskutiert und gerätselt wurde beim Bildervortrag vor allem über die Menschen, die auf der Leinwand so fröhlich feierten. Ganz viele davon leben nicht mehr, aber Erinnerungen an lustige Tage wurden wieder geweckt. Etwa an die Faschingsfeiern im Saal beim "Hartlieb", dem "Gasthaus goldener Stern", der späteren "Poppenhäuser Bierstube" und heutigen griechischen "Speisegaststätte Korfu". Oder beim "Gasthaus zum schwarzen Roß" der Familien Holzmeier und Elflein, das nicht mehr existiert. Auch die "Gaststätte Geißler" ist nebst Metzgerei längst verschwunden.
Auch amerikanische GIs genossen das Tanzvergnügen
Erstaunlich, dass selbst beim Faschingstanz die Männer damals ganz akkurat mit Sakko und Schlips dabei waren. Nur dezent waren die meisten Tänzerinnen und Tänzer verkleidet, ein paar Luftschlangen und ein komischer Hut genügten. Auch einige amerikanische GIs genossen das Tanzvergnügen, wie die Fotos zeigten.

Natürlich verkleideten sich vor allem die Kinder gerne, wie die Bilder von diversen Faschingszügen bewiesen. Vor allem Märchenfiguren wie Schneewittchen, Dornröschen oder Rotkäppchen waren beliebt. Später dominierten die Cowboys und Indianer.

Nicht nur entlang der Euerbacher Hauptstraße, so wie es heute der Fall ist, sondern teilweise durch etliche Seitenstraßen schlängelte sich damals der Faschingszug, stets angeführt vom Bürgermeister des Dorfes. In den 1960-er Jahren endete der Zug immer im Saal des "Schwarzen Rosses", wo der Bürgermeister den Kindern eine Bratwurst und eine Bluna-Limonade spendierte, wussten die Anwesenden.
Else Hirt: "Es war halt eine Gaudi damals"
Manches Details früheren Lebens offenbarten die Fotos: Da war etwa in den 1960er Jahren ein gelber Postbus im Hintergrund zu sehen, der als Linienbus der Deutschen Bundespost verkehrte. Oder flotte VW-Käfer begegneten dem Faschingszug. Etliche heutige Wohnhäuser entlang der Hauptstraße oder im Siedlungsgebiet gab es noch nicht, manche waren gerade fertiggestellt, wie der 1961 eingeweihte Kindergarten. Andere Gebäude sind inzwischen abgerissen.

Einiges Erstaunen riefen Fotos maskierter Frauen beim Fußballspiel gegen eine Männermannschaft auf der Schäferswiese hervor. "Da war ich auch dabei", lachte die 88-jährige Else Hirt. "Es war halt eine Gaudi damals".

Dass beim Faschingstreiben eine selbst gemalte "Türkenfahne" mit Halbmond mitgeführt wurde, wies auf den Spitznamen der Euerbacher, die "Türken" hin. Den erhielten sie, weil 1683 der Euerbacher Freiherr Erhard Gustav von Münster bei der Befreiung Wiens von den Türken eine Fahne eroberte. Der Spitzname gerät heute eher in Vergessenheit, wie so manche Faschingsanekdote.
Im folgenden finden Sie weitere historische Bilder vom Euerbacher Fasching.




